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Quantenknobeln in Edelstein

Physik. - Vom unwahrscheinlich schnellen Quantencomputer gibt es vor allem phantastische Visionen und primitive Labormuster. Jetzt verfolgen Forscher eine neue Idee: Ein Rechner, der auf Diamant basiert. Vorgestellt wurde das Konzept heute auf der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Hamburg.

Von Frank Grotelüschen |
    Ein PC rechnet mit Bits, also mit Schalteinheiten, die entweder auf 0 oder auf 1 stehen. Ein Quantencomputer hingegen basiert auf dem Quantenbit, kurz Qubit. Ein Qubit kann nicht nur Eins oder Null sein, sondern Eins und Null zugleich, kann sämtliche Werte dazwischen annehmen. Genau das könnte eines Tages die Informationstechnologie revolutionieren, sagt Peter Zoller, Physiker an der Universität Innsbruck. Ein Quantencomputer mit 300 Qubits könnte theoretisch 2 hoch 300 Werte gleichzeitig verarbeiten – eine Zahl mit 90 Stellen.

    "2 hoch 300 ist die Zahl der Atome im uns sichtbaren Universum. Wenn Sie also einen Quantencomputer hätten mit 300 Quantenbits, dann wäre der gleich mächtig wie ein Computer, der jedes Atom in sichtbaren Universum als eine Speicherzelle verwendet. Es ist unvorstellbar, aber illustriert, was die potenzielle Mächtigkeit von einem Quantencomputer darstellt."

    Die Vision: Der Quantenrechner soll Geheimcodes knacken, riesige Datenbanken durchforsten und aberwitzige Computersimulationen ermöglichen. Bislang aber gibt es nur primitive Laborexemplare, weit entfernt von der Marktreife. Nun zaubern die Physiker einen neuen Ansatz aus der Tasche – den Quantencomputer aus Edelstein.

    "Diamant besteht aus Kohlenstoffatomen, die regelmäßig angeordnet sind und die sehr fest miteinander verbunden sind","

    sagt Philipp Neumann, Physiker an der Uni Stuttgart. Die Diamanten, mit denen er arbeitet, sind allerdings keine großen Klunker.

    ""Die Diamanten, mit denen wir experimentieren, haben Größen bis zu Millimetern und sind nicht schön geschliffene Brillanten, wie man das vom Juwelier kennt. Das sind schon eher Quader."

    Das Kohlenstoffgitter des Diamant dient als stabiler Rahmen. Das eigentliche Herz sind winzige Defekte – kleine Macken in dem ansonsten so perfekten Kristall. Neumann:

    "Wir haben ein Defektzentrum. Das heißt: An einer Stelle fehlt ein Kohlenstoffatom. Und direkt daneben ist ein Kohlenstoff durch ein Stickstoffatom ersetzt."

    Solche Verunreinigungen sorgen dafür, dass viele Diamanten überhaupt eine Farbe haben. Im Labor von Neumann fungieren die Defekte als Quantenbits. Programmieren lassen sie sich durch einen grünen, stark gebündelten Laserstrahl. Neumann:

    "Wie mit einem besseren Laser-Pointer kann ich ein einzelnes Zentrum anwählen. Als Antwort bekomme ich rote Photonen zurück."

    Diese roten Photonen kann Neumann zählen – wodurch er das Qubit regelrecht auslesen kann. Gegenüber anderen Konzepten wie Supraleitern oder Ionenfallen hat der Diamantrechner einen Vorteil: Es muss nicht tiefgekühlt werden, sondern funktioniert bei Raumtemperatur, sagt Mikhail Lukin von der Harvard Universität in den USA.

    "Wir haben schon ein paar einzigartige Dinge mit dem Diamanten hinbekommen: Und zwar sind die Quantenbits im Diamanten extrem gut von der Außenwelt abgeschirmt. Dadurch können sie lange ihr Gedächtnis behalten – und zwar für einige Sekunden. Und das ist wirklich erstaunlich."

    Sekunden – klingt wenig, ist aber in der Quantenwelt eine halbe Ewigkeit. Schließlich laufen die Prozesse rasend schnell ab. Bislang ist es möglich, drei Quantenbits in einem Diamanten unterzubringen – viel zu wenig, um einen Computer zu bauen. Doch Lukin und seine Fachkollegen haben schon eine Idee, wie man genau das eines Tages schaffen könnte.

    "Ursprünglich dachten wir, man müsste einen einzigen Computer aus vielen Quantenbits bauen. Doch nun haben wir eine andere Idee: Man könnte auch mehrere kleine Quantenrechner mit jeweils vier oder fünf Qubits nehmen – ich nenne sie mal Quantenregister. Und diese Quantenregister könnte man dann durch Lichtleitungen verbinden. Für dieses Konzept könnte sich der Diamant ganz besonders eignen."

    Erste Arbeiten in diese Richtung laufen bereits, sagt Lukin. Doch bis sie zu einem brauchbaren Quantenrechner führen, dürften noch Jahre vergehen.