Dienstag, 16. April 2024

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Quarantäne-Serie "Drinnen"
Emotionale Momente im Homeoffice

Viele Dreharbeiten müssen wegen der Corona-Krise unterbrochen werden. Auch, weil es unmöglich ist, eine Szene mit körperlichem Mindestabstand zu drehen. Die Kölner bildundtonfabrik hat "Drinnen - Im Internet sind wir alle gleich" deshalb komplett im Homeoffice hergestellt.

Von Simone Schlosser | 17.04.2020
"Drinnen - Im Internet sind alle gleich": Markus (Barnaby Metschurat) steht mit Kindern auf einem Spielplatz und chattet per Video-Telefonie mit seiner Ehefrau Charlotte
Charlottes Ehemann Markus (Barnaby Metschurat) muss alleine auf die gemeinsamen Kinder aufpassen (ZDF/btf GmbH)
"Hey Clara. Ich bin's. Ich weiß, ich wollte mich nie wieder melden. Aber heute… Es ist gerade eine echt fucking weirde Zeit …"
Damit bringt die Hauptfigur Charlotte ganz gut auf den Punkt, was wohl die meisten gerade denken: Stell dir vor, es ist eine Pandemie und alle stecken im Homeoffice. Im Fall von Charlotte ist das ein Berliner Altbau mit Vintagemöbeln und Kinderhochstuhl. Wobei die Kinder gerade mit Vater Markus auf dem Land sind – wo sie, wenn es nach Charlotte geht, am besten auch bleiben sollen. Denn ein Punkt auf ihrer To-do-Liste: Markus über Scheidung informieren.
Schauspielerinnen und Schauspieler arbeiten im Homeoffice
"Jetzt stecken meine armen Kinder bei meinem Mann fest. Ich muss mit meiner Scheiß-Chefin diese Scheiß-Firma leiten. Und ich muss das alles von zuhause aus regeln."
Das ist im Prinzip auch schon der ganze Plot von "Drinnen". Charlotte sitzt im Homeoffice und wechselt von einer Videokonferenz zur nächsten. Dazwischen skypt sie mit ihrer Familie, schickt Sprachnachrichten an ihre beste Freundin und klickt sich durch die Spotify-Playlist zu "Home Alone". Die ganze Handlung auf einem Computerbildschirm.
Philipp Käßbohrer: "Ist natürlich so ein bisschen die Idee, zu sagen: Wir erleben alle auch ohne Corona ganz viele emotionale Momente eigentlich an Bildschirmen."
Das ist Philipp Käßbohrer von der Kölner bildundtonfabrik, die zum Beispiel auch das NeoMagazinRoyal produziert hat.
"Und mit dieser Welt zu spielen, macht uns sowieso viel Spaß. Und da haben wir das Gefühl gehabt, vielleicht kann man damit auch aktuell umgehen."
New Normal in der Krise
Die bildundtonfabrik hat "Drinnen" in einer Rekordzeit von drei Wochen produziert. Während die ersten Folgen schon laufen, werden die letzten noch geschrieben. Das Ganze mitten im Corona-Lockdown. Die komplette Serie wurde nach dem Prinzip produziert: Dafür musste kein menschliches Wesen das Haus verlassen. Nicht einmal die Schauspielerinnen und Schauspieler.
"Das war erst einmal die große interessante Herausforderung. Mal herauszufinden, vielleicht gibt es ja so was wie ein New Normal in der Krise, und vielleicht lässt sich damit ja auch etwas Kreatives machen, was wir auch so interessant fänden, ohne dass es Corona gibt."
Eine Serie also aus dem Homeoffice übers Homeoffice. Und in ihren besten Momenten eine Mischung aus Telenovela, Sitcom und Late Night Show. Das funktioniert vor allem in den ersten Folgen.
"Pitch adidas müssen wir neu denken. Ist euch alles klar. Ist ja einiges passiert. Diese Projekte sind sofort zu stoppen. Sonnenbrillenwerbung mit Xavier Naidoo. Ist tot, mausetot."
Mischung aus Telenovela, Sitcom und Late-Night-Show
"In der Herstellungsweise arbeiten wir tatsächlich mit Autoren zusammen, die beide Welten ein bisschen kennen. Die zum einen natürlich das Fiktionale kennen und ihr Handwerk verstehen, aber auf der anderen Seite auch wissen, wie Show-Fernsehen zum Beispiel entsteht und wie man da kurzfristig auf Aktualität reagiert."
Tatsächlich scheinen die Leute aktuell nicht genug von dieser Aktualität zu bekommen. In den ersten Wochen von Corona waren es die Pandemie-Filme. Jetzt ist es einer Studie zufolge die Tagesschau, die wieder die ganze Familie vor dem Fernseher versammelt. Und sei es nur aus reiner Nostalgie heraus. Da kommt eine Serie wie "Drinnen" genau richtig.
"Wir haben ja auch Lust, den Leuten ein bisschen was zu geben, was sie vielleicht irgendwie aufrecht erhält und gerade hält in dieser schwierigen Zeit."
Die Serie passt noch aus einem anderen Grund zum aktuellen Lebensgefühl: In einer Zeit der allgemeinen Konzentrationsschwäche, macht sie es einem leicht, sich auf sie einzulassen. Die einzelnen Folgen sind selten länger als zehn Minuten. Ihre Erzählweise ist ähnlich fahrig wie viele Corona-Gehirne. Und eben extrem nah dran an diesem neuen Alltag:
"Hey. - Charlie, Hi! - Kannst Du mich hören? - Hi. - Charlie? Ist ja geil, funktioniert. -Warum rufst du nicht auf dem Handy an? - Was? - Warum du nicht auf dem Handy anrufst? Was gibt es denn … ?"
Frühes Experiment
Acht Folgen gibt es bisher von "Drinnen". Die zeigen allerdings auch: Das Konzept nutzt sich ab. Insofern ist es nur konsequent, dass die Serie auf 15 Folgen begrenzt ist. Denn Philipp Käßbohrer ist sich der Schwierigkeiten durchaus bewusst. Insbesondere der Frage: Wer will das sehen?
"Ich bin natürlich auch dementsprechend froh, dass wir jetzt so früh dran sind, weil man will ja gar nicht wissen, welche Welle an vielleicht unter Umständen auch wahnsinnig langweiligen Pandemiestoffen nächstes Jahr auf uns zurollt. Deswegen ist es ganz schön, das jetzt ganz früh mal auszuprobieren. Und vielleicht, wenn man mich jetzt anrufen und fragen würde, ob ich Lust hätte, so etwas zu machen, würde ich auch schon wieder anders denken."
Für den Moment jedenfalls fängt "Drinnen" dieses seltsame Gefühl auf, dass sich aktuell bei jeder anderen Serie einstellt. Diese Mischung aus Entrüstung darüber, dass dort niemand Abstand hält, und der unbestimmten Erinnerung daran: Es gibt auch ein Leben ohne Corona.
"Drinnen - im Internet sind wir alle gleich" finden Sie in der ZDF-Mediathek, mit einer neuen Folge pro Werktag und als Wochenzusammenfassung dienstags um 22.45 Uhr auf ZDFneo.