Freitag, 29. März 2024

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"Querdenken"-Bewegung
Kritik und Konsequenzen nach Leipziger Demonstrationen

Nach den Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen in Leipzig hat FDP-Politiker Konstantin Kuhle das unterschiedliche Vorgehen der Länder bei der Zulassung solcher Versammlungen kritisiert. Die Politik müsse genauere Regelungen treffen. Valentin Lippmann (Grüne) spricht im Dlf von einem "Planungsdesaster".

09.11.2020
Polizeibeamte stehen in Leipzig Teilnehmern einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen gegenüber
Großdemo in Leipzig gegen die Coronapolitik der Bundesregierung am 7. November 2020 (picture alliance / AA / Abdulhamid Hosbas)
Die Anti-Corona-Demonstration der "Querdenken"-Bewegung am Samstag (07.11.2020) in Leipzig sorgt auch im Nachgang für jede Menge Diskussionen. Mehr als 20.000 Menschen waren auf die Straße gegangen, um gegen die Corona-Politik der Bundesregierung zu protestieren. Die Polizei hatte die Demonstration deshalb am Nachmittag für aufgelöst erklärt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Die Demonstration ging stundenlang weiter. Die Beamten konnten nur zusehen. Gemeldet wurden auch Übergriffe - nicht nur gegen Polizisten, auch gegen Journalisten.
Dlf-Korrespondentin: "Polizei reagierte planlos"
Die Polizei in Leipzig steht nun in der Kritik, weil sie die zahlreichen Regelverstöße der Gegner von Anti-Coronamaßnahmen nicht unterbunden hat. Nach Beobachtungen von Dlf-Korrespondentin Nadine Lindner trugen 90 bis 95 Prozent der Teilnehmer keine Masken. Die Polizei habe planlos agiert.
Viele Menschen zogen auch dann noch ungehindert durch Leipzig, als die Demonstration bereits für aufgelöst erklärt worden war. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte mit Blick auf die "Querdenken"-Demonstration in Leipzig vor vorschneller Kritik an der Polizei gewarnt.
Konstantin Kuhle spricht im Bundestag
Konstantin Kuhle - "Man braucht hier eine Aufarbeitung" (07:14)
Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle hat das Verhalten von Behörden vor Ort und der sächsischen Polizei kritisiert. Beide seien auf die Eskalation der Lage nicht hinreichend vorbereitet gewesen, sagte Kuhle im Dlf.
Nach Ansicht des FDP-Bundestagsabgeordneten Konstantin Kuhle muss die Politik jetzt genauer regeln, unter welchen Voraussetzungen Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen stattfinden können. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Sachsen, die Proteste in Leipzig zuzulassen, sei bei den örtlichen Behörden auf viel Unverständnis gestoßen, sagte Kuhle im Deutschlandfunk.
Ein entsprechender Antrag der sogenannten "Querdenken"-Bewegung in München sei dagegen am Wochenende vom dortigen Verwaltungsgericht abgelehnt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es bei einer bundesweiten Pandemie und ähnlichen Infektionszahlen keine einheitlichen Entscheidungen gebe, meinte Kuhle. Hier müssten die Innenminister und Justizminister der Länder für klarere Vorgaben sorgen.
Valentin Lippmann - "Brisante Mischung" (08:42)
In Leipzig hätte die Polizeipräsenz auch deswegen verstärkt werden müssen, weil es eine sichtbare Mobilisierung der rechtsextremen Szene sowie viele Klein-Demonstrationen gegeben habe, sagte Valentin Lippmann im Dlf.
Auch Valentin Lippmann (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Vorbereitungen von Behörden und Polizei für die Demonstrationen in Leipzig. Allen hätte klar sein müssen, was in Leipzig passiert, zumal es in der Woche zuvor schon in Dresden eine große Demonstration gegeben habe, bei der die Polizei mit viel zu wenig Kräften präsent gewesen war, sagte Lippmann in der Sendung "Informationen am Mittag".
Sondersitzung des Innenausschusses gefordert
Es gelte nun zu klären, wer die Verantwortung für die Lage in Leipzig trage, sagte Lippmann. Dafür brauche es nun seiner Meinung nach eine Sondersitzung des Innenausschusses, auf den sich die Koalition bereits verständigt habe. Es soll dann Anworten auf die Fragen geben: Wer hat welche Gefahrenprognosen abgegeben? Wer hat zu welchem Zeitpunkt welche Kräfte angefordert? War das ausreichend? Dann ließen sich Konsequenzen ziehen.