Zeneli: Guten Morgen!
Durak: Sie sind dort nicht nur, weil Sie dort sozusagen Ihren Amtssitz haben, sondern weil in Bonn heute die internationale Balkan-Konferenz stattfindet. Es handelt sich noch nicht um die ganz, ganz große Friedenskonferenz. Es geht zunächst einmal um die Koordinierung der Flüchtlingshilfe, um es mal auf einen Nenner zu bringen. Was erwartet denn Ihr Heimatland Albanien konkret von dieser Konferenz heute in Bonn?
Zeneli: Das ist natürlich eine wichtige Konferenz, und das zeigt noch einmal, daß die Gemeinschaft der Europäer, besonders Deutschland und die EU-Länder, auch die Balkan-Länder, daran interessiert sind, daß dieser Konflikt nicht weitergeht. Das ist ein schrecklicher Konflikt, und niemand kann all das glauben, was jetzt im Kosovo passiert, obwohl wir es aus dem Fernsehen sehen oder aus den Nachrichten hören. Diese Konferenz ist darüber hinaus eine weitere Unterstützung des Friedensprozesses, die Kosovo-Frage zu lösen. Aber ob es so weitergeht, ob man es auf einem friedlichen Weg schaffen wird, obwohl wir sehr bereit waren und sehr bereit sind? - Meine Meinung ist, Milosevic versteht nicht mehr diese Sprache, diese friedliche Sprache. Es ist auch wichtig zu sagen, daß Milosevic bis jetzt überhaupt keine guten Signale gegeben hat. Wie soll es dann weitergehen. Die Nachrichten, die ich bis jetzt gehört habe, zeigen, daß sich im Kosovo eine große Katastrophe abzeichnet: nicht nur eine humanitäre, eine psychologische, eine ethnische Katastrophe. Das macht Milosevic. Nun gut, wir sitzen, wir diskutieren, wir bombardieren auch. Wenn ich sage "wir", dann meine ich die Gemeinschaft der Europäer. Aber sind die Ziele schon erreicht oder werden die Ziele morgen erreicht werden? Die Leute sind total getrennt: einige Familien in Albanien, einige in Mazedonien, einige sind noch im Kosovo, aber die Frauen wissen nicht, wo ihre Männer sind, die Kinder wissen nicht, wo ihre Eltern sind. Das ist eine sehr, sehr schlechte Situation.
Durak: Sie plädieren also ausdrücklich für die Fortsetzung der NATO-Luftangriffe, wenn ich Sie richtig verstehe. Was aber kann dann die Konferenz heute in Bonn bringen?
Zeneli: Natürlich kann die Konferenz viel bringen. Zunächst kann sie eine Übereinstimmung aller Balkan-Länder über die nächsten Schritte bewirken. Das wichtigste und das sehr dringende für mich persönlich ist, daß diese Konferenz über diese humanitäre Katastrophe diskutieren wird und muß. Es sind ungefähr 110 000 Leute in Albanien. Das ist eine ethnische Säuberung. Diese Leute sind zumeist Frauen, Kinder und alte Leute. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch den verschiedenen deutschen Fernsehkanälen danken für ihre ausgezeichneten Informationen aus Tirana und Nordalbanien. Diese Leute brauchen eine Hilfe. Die Zahl wird immer höher, und das zeigt, wir machen und tun alles, unsere Regierung arbeitet mit aller Kraft. Die Lage ist aber sehr schwer.
Durak: Herr Zeneli, die meisten westeuropäischen Staaten und auch Deutschland sind zur Hilfe für die Flüchtlinge bereit. Das ist klar und wurde mehrfach gesagt und auch schon bewiesen. Man meint aber auch, daß die Flüchtlinge aus dem Kosovo in der Region bleiben sollten, also auch in Ihrem Land, in Albanien. Teilen Sie diese Meinung und sind Sie dazu in der Lage?
Zeneli: Ich bin sicher, daß dieses Problem eine Lösung braucht. Gut, in Albanien können sie bleiben, in Mazedonien können sie bleiben. Wir haben bis jetzt etwas erreicht. Hiermit meine ich eine Lebensmittelhilfe sowie eine medizinische Versorgung. Die Albaner haben die Häuser aufgemacht, die Türen aufgemacht und in einigen großen Städten hat jede Familie 10 oder vielleicht 15 Leute aufgenommen. Leben werden die dort natürlich. Es sind auch viele andere und besonders junge Leute, die weitergehen möchten. Es sind Leute, die überhaupt nicht wissen, wo ihre Familien sind. Ich habe gestern abend gehört, daß ein Betroffener nur aus dem mazedonischen Fernsehen gehört hat, daß ein Mitglied seiner Familie ebenfalls schon in Mazedonien ist. Er hat seit fünf Tagen probiert zu telefonieren, aber keine Antwort erhalten und er wußte nicht, wo seine Familie mit 15 Leuten sich aufhält.
Durak: Sollen denn die Flüchtlinge in den Nachbarländern bleiben?
Zeneli: In Albanien können die natürlich bleiben. Dies kann aber nur für eine kurze Zeit so sein. 110 000 Flüchtlinge sind für ein Land wie Albanien nicht gerade wenig.
Durak: Welche Hilfe brauchen Sie?
Zeneli: Wir brauchen eine große Hilfe an Lebensmitteln. Wir brauchen eine große medizinische Hilfe. Wir brauchen alles, was eine solche Situation im allgemeinen mit sich bringt. Wir brauchen alles, wenn ich es so sagen darf.
Durak: Herr Zeneli, dieser Einsatz, dieser Krieg wird irgendwann ein Ende haben. Ramboillet ist tot, darüber ist man sich einig. Die Zukunft des Kosovo ist ungewiss. Eine Abspaltung oder Unabhängigkeit in welcher Form auch immer wird kommen. Die NATO arbeitet an einer politischen Lösung, die zwischen Unabhängigkeit und Autonomie liegen könnte. Es bleibt aber der Problembereich Kosovo. Befürchten Sie, daß das ein schwelender Brandherd bleibt?
Zeneli: Ja, die Albaner haben das Friedensabkommen von Ramboillet schon unterzeichnet, und dies verbunden mit der Hoffnung, daß auf der anderen Seite auch Milosevic dieses Abkommen unterzeichnen sollte. Er hat es nicht unterschrieben, was wir nun alle wissen. Meine Meinung ist, ich kann nicht sagen, ob Ramboillet tot ist, aber ob Ramboillet noch gültig ist, das ist eine Frage. Es sind ungefähr 600 000 Leute, die verschleppt worden sind, die in diesen Tagen durch eine große serbische Vertreibung verschleppt worden sind. Es gibt eine große, massive Flüchtlingswelle. Diese Leute sind ohne Häuser und ohne Dörfer. Es gibt einige Dörfer und Städte, die nicht nur keinen Menschen mehr haben, sondern auch keinen Hund, keine Schafe, keine Kuh und so weiter. Diese Leute werden wieder in den Kosovo zurückkommen; da bin ich sicher.
Durak: Der Haß aber ist groß, Herr Zeneli?
Zeneli: Ja, gut, aber die lieben ihr Land.
Durak: Aber nicht die Serben!
Zeneli: Wir fordern, daß die Leute wieder in den Kosovo zurückgehen, obwohl die Schwierigkeiten groß sind, aber sie sollen natürlich im Kosovo bleiben. Ob wir aber weiter für eine Autonomie diskutieren können, ob wir weiterhin sagen können, wir sollen die 600 Seiten des Ramboillet-Abkommens weiterhin akzeptieren, die vor drei oder vier Wochen natürlich gut waren und gültig waren, ob wir jetzt darüber noch diskutieren sollen, ist meiner Meinung nach sehr schwer. Wie diese Lösung aussehen wird, ob eine Unabhängigkeit, ob eine Übergangsphase zur Autonomie oder Unabhängigkeit, das ist eine andere Frage. Wenn es aber auch in Zukunft keine Ruhe, keinen Frieden und keine Freiheit geben wird, dann versichere ich Ihnen - ich brauche Ihnen das natürlich nicht zu versichern; jeder weiß das -, im Balkan wird es keine Ruhe geben, im Balkan wird es keinen Frieden geben. So sind die Probleme eng verbunden, und so zeigen sich die Probleme in jeder Stunde.
Durak: Das war Baskim Zeneli, der Botschafter Albaniens in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Durak: Sie sind dort nicht nur, weil Sie dort sozusagen Ihren Amtssitz haben, sondern weil in Bonn heute die internationale Balkan-Konferenz stattfindet. Es handelt sich noch nicht um die ganz, ganz große Friedenskonferenz. Es geht zunächst einmal um die Koordinierung der Flüchtlingshilfe, um es mal auf einen Nenner zu bringen. Was erwartet denn Ihr Heimatland Albanien konkret von dieser Konferenz heute in Bonn?
Zeneli: Das ist natürlich eine wichtige Konferenz, und das zeigt noch einmal, daß die Gemeinschaft der Europäer, besonders Deutschland und die EU-Länder, auch die Balkan-Länder, daran interessiert sind, daß dieser Konflikt nicht weitergeht. Das ist ein schrecklicher Konflikt, und niemand kann all das glauben, was jetzt im Kosovo passiert, obwohl wir es aus dem Fernsehen sehen oder aus den Nachrichten hören. Diese Konferenz ist darüber hinaus eine weitere Unterstützung des Friedensprozesses, die Kosovo-Frage zu lösen. Aber ob es so weitergeht, ob man es auf einem friedlichen Weg schaffen wird, obwohl wir sehr bereit waren und sehr bereit sind? - Meine Meinung ist, Milosevic versteht nicht mehr diese Sprache, diese friedliche Sprache. Es ist auch wichtig zu sagen, daß Milosevic bis jetzt überhaupt keine guten Signale gegeben hat. Wie soll es dann weitergehen. Die Nachrichten, die ich bis jetzt gehört habe, zeigen, daß sich im Kosovo eine große Katastrophe abzeichnet: nicht nur eine humanitäre, eine psychologische, eine ethnische Katastrophe. Das macht Milosevic. Nun gut, wir sitzen, wir diskutieren, wir bombardieren auch. Wenn ich sage "wir", dann meine ich die Gemeinschaft der Europäer. Aber sind die Ziele schon erreicht oder werden die Ziele morgen erreicht werden? Die Leute sind total getrennt: einige Familien in Albanien, einige in Mazedonien, einige sind noch im Kosovo, aber die Frauen wissen nicht, wo ihre Männer sind, die Kinder wissen nicht, wo ihre Eltern sind. Das ist eine sehr, sehr schlechte Situation.
Durak: Sie plädieren also ausdrücklich für die Fortsetzung der NATO-Luftangriffe, wenn ich Sie richtig verstehe. Was aber kann dann die Konferenz heute in Bonn bringen?
Zeneli: Natürlich kann die Konferenz viel bringen. Zunächst kann sie eine Übereinstimmung aller Balkan-Länder über die nächsten Schritte bewirken. Das wichtigste und das sehr dringende für mich persönlich ist, daß diese Konferenz über diese humanitäre Katastrophe diskutieren wird und muß. Es sind ungefähr 110 000 Leute in Albanien. Das ist eine ethnische Säuberung. Diese Leute sind zumeist Frauen, Kinder und alte Leute. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch den verschiedenen deutschen Fernsehkanälen danken für ihre ausgezeichneten Informationen aus Tirana und Nordalbanien. Diese Leute brauchen eine Hilfe. Die Zahl wird immer höher, und das zeigt, wir machen und tun alles, unsere Regierung arbeitet mit aller Kraft. Die Lage ist aber sehr schwer.
Durak: Herr Zeneli, die meisten westeuropäischen Staaten und auch Deutschland sind zur Hilfe für die Flüchtlinge bereit. Das ist klar und wurde mehrfach gesagt und auch schon bewiesen. Man meint aber auch, daß die Flüchtlinge aus dem Kosovo in der Region bleiben sollten, also auch in Ihrem Land, in Albanien. Teilen Sie diese Meinung und sind Sie dazu in der Lage?
Zeneli: Ich bin sicher, daß dieses Problem eine Lösung braucht. Gut, in Albanien können sie bleiben, in Mazedonien können sie bleiben. Wir haben bis jetzt etwas erreicht. Hiermit meine ich eine Lebensmittelhilfe sowie eine medizinische Versorgung. Die Albaner haben die Häuser aufgemacht, die Türen aufgemacht und in einigen großen Städten hat jede Familie 10 oder vielleicht 15 Leute aufgenommen. Leben werden die dort natürlich. Es sind auch viele andere und besonders junge Leute, die weitergehen möchten. Es sind Leute, die überhaupt nicht wissen, wo ihre Familien sind. Ich habe gestern abend gehört, daß ein Betroffener nur aus dem mazedonischen Fernsehen gehört hat, daß ein Mitglied seiner Familie ebenfalls schon in Mazedonien ist. Er hat seit fünf Tagen probiert zu telefonieren, aber keine Antwort erhalten und er wußte nicht, wo seine Familie mit 15 Leuten sich aufhält.
Durak: Sollen denn die Flüchtlinge in den Nachbarländern bleiben?
Zeneli: In Albanien können die natürlich bleiben. Dies kann aber nur für eine kurze Zeit so sein. 110 000 Flüchtlinge sind für ein Land wie Albanien nicht gerade wenig.
Durak: Welche Hilfe brauchen Sie?
Zeneli: Wir brauchen eine große Hilfe an Lebensmitteln. Wir brauchen eine große medizinische Hilfe. Wir brauchen alles, was eine solche Situation im allgemeinen mit sich bringt. Wir brauchen alles, wenn ich es so sagen darf.
Durak: Herr Zeneli, dieser Einsatz, dieser Krieg wird irgendwann ein Ende haben. Ramboillet ist tot, darüber ist man sich einig. Die Zukunft des Kosovo ist ungewiss. Eine Abspaltung oder Unabhängigkeit in welcher Form auch immer wird kommen. Die NATO arbeitet an einer politischen Lösung, die zwischen Unabhängigkeit und Autonomie liegen könnte. Es bleibt aber der Problembereich Kosovo. Befürchten Sie, daß das ein schwelender Brandherd bleibt?
Zeneli: Ja, die Albaner haben das Friedensabkommen von Ramboillet schon unterzeichnet, und dies verbunden mit der Hoffnung, daß auf der anderen Seite auch Milosevic dieses Abkommen unterzeichnen sollte. Er hat es nicht unterschrieben, was wir nun alle wissen. Meine Meinung ist, ich kann nicht sagen, ob Ramboillet tot ist, aber ob Ramboillet noch gültig ist, das ist eine Frage. Es sind ungefähr 600 000 Leute, die verschleppt worden sind, die in diesen Tagen durch eine große serbische Vertreibung verschleppt worden sind. Es gibt eine große, massive Flüchtlingswelle. Diese Leute sind ohne Häuser und ohne Dörfer. Es gibt einige Dörfer und Städte, die nicht nur keinen Menschen mehr haben, sondern auch keinen Hund, keine Schafe, keine Kuh und so weiter. Diese Leute werden wieder in den Kosovo zurückkommen; da bin ich sicher.
Durak: Der Haß aber ist groß, Herr Zeneli?
Zeneli: Ja, gut, aber die lieben ihr Land.
Durak: Aber nicht die Serben!
Zeneli: Wir fordern, daß die Leute wieder in den Kosovo zurückgehen, obwohl die Schwierigkeiten groß sind, aber sie sollen natürlich im Kosovo bleiben. Ob wir aber weiter für eine Autonomie diskutieren können, ob wir weiterhin sagen können, wir sollen die 600 Seiten des Ramboillet-Abkommens weiterhin akzeptieren, die vor drei oder vier Wochen natürlich gut waren und gültig waren, ob wir jetzt darüber noch diskutieren sollen, ist meiner Meinung nach sehr schwer. Wie diese Lösung aussehen wird, ob eine Unabhängigkeit, ob eine Übergangsphase zur Autonomie oder Unabhängigkeit, das ist eine andere Frage. Wenn es aber auch in Zukunft keine Ruhe, keinen Frieden und keine Freiheit geben wird, dann versichere ich Ihnen - ich brauche Ihnen das natürlich nicht zu versichern; jeder weiß das -, im Balkan wird es keine Ruhe geben, im Balkan wird es keinen Frieden geben. So sind die Probleme eng verbunden, und so zeigen sich die Probleme in jeder Stunde.
Durak: Das war Baskim Zeneli, der Botschafter Albaniens in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!