Archiv


"Feuerpause an Bedingungen für Milosevic knüpfen"

Durak: Gerhard Schröder, Bundeskanzler und SPD-Parteivorsitzender, hatte parteiinterne Kritik am harten Kurs gegenüber Milosevic recht scharf zurückgewiesen. Zitat: "Kein Fuß dürfe zwischen Partei und Regierung kommen." Sonst drohten schlechtere Ergebnisse, als die SPD sie in Bayern eingefahren hatte. Seine Antwort also auf Forderungen nach einer Feuerpause im Kosovo, Forderungen, die auch der bayerische Landesvorstand geäußert hatte: Falsch und gefährlich sei dies, so Schröder. - Am Telefon also nun die bayerische Landesvorsitzende der SPD und stellvertretende Bundesvorsitzende, Renate Schmidt. Schönen guten Morgen!

    Schmidt: Guten Morgen!

    Durak: Frau Schmidt, verträgt denn die Regierungspartei in einer solchen Frage keine Meinungsvielfalt?

    Schmidt: Also erstens einmal gibt es diese Meinungsvielfalt, und ich glaube, es ehrt eine große Volkspartei wie die SPD, daß hier auch in einer vernünftigen Form unterschiedliche Positionen geäußert werden. Aber in diesem Fall war vielleicht auch der Bundeskanzler auf dem falschen Fuß und hat sich vielleicht nur auf die veröffentlichte Meinung und auf Agenturmeldungen bezogen. Unser Antrag richtet sich nicht gegen die Politik der Bundesregierung. Im Gegenteil: Im ersten Punkt wird die Friedensinitiative der Bundesregierung, der sogenannte "Fischer-Plan", begrüßt, der übrigens auch eine Feuerpause enthält, und im zweiten Punkt steht diese besagte Feuerpause aber nicht unkonditioniert, weil ich hätte niemals einem Antrag zugestimmt, der eine Feuerpause vorgesehen hätte und es dann zugelassen hätte, daß die Flüchtlinge in dieser Zeit weiter vertrieben werden und weiter gemordet wird. Ob so eine Forderung dann vielleicht nur auf dem Papier steht, weil es im Moment keine Gesprächspartner gibt, und weil Milosevic nicht einlenken will, das ist mir auch klar. Vielleicht ist es auch bezeichnend, daß diesem Antrag diejenigen nicht zustimmen konnten, die dafür sind, jegliche Kampfhandlungen einzustellen.

    Durak: Frau Schmidt, wie kommt es denn dann zu solchen Kommunikationsdefiziten?

    Schmidt: Wir haben im Präsidium darüber nicht gesprochen. Dieser Antrag wurde am 17. April verabschiedet. Am 19. April haben wir darüber im Präsidium gesprochen. Dort war Gerhard Schröder auch dabei. Ich habe dieses erläutert, habe auch gesagt, wie das gelaufen ist. Ich sage hier noch einmal: Vielleicht dienten wir auch als Blitzableiter für das, was in den ostdeutschen Bundesländern beschlossen worden ist, in dem sogenannten "Ostforum".

    Durak: Das wirkt aber recht merkwürdig in die Öffentlichkeit, vor allem deshalb, weil der SPD_Vorsitzende dann schon mit der Keule der bayerischen Wahlergebnisse zugeschlagen hat.

    Schmidt: Ich war nicht dabei. Ich weiß nicht, wie es gewesen ist. Wie gesagt, jeder kann einmal aus der Haut fahren. Ich glaube, auch Gerhard Schröder hat im Moment sehr, sehr viel Arbeit und sehr viel schwierige Tage.

    Durak: Nun gibt es aber, Sie haben es erwähnt, in Ostdeutschland auch solche Stimmen; die gehen nicht ganz so weit. Entwickelt sich hier nicht doch ein Potential in Ihrer Partei, das die Regierung dahin drängt, einen etwas nicht so harten Kurs zu fahren?

    Schmidt: Nein, das tut es nicht. Ich glaube, jeder von uns erkennt, welche "Qualität" Milosevic hat. Es ist einfach so, daß die Partei überlegt, und das ist doch etwas, was uns alle bewegt. Übrigens auch Hans-Jochen Vogel hat eine solche Feuerpause mit der Begründung gefordert, um auch deutlich zu machen, daß Milosevic auch darauf nicht eingehen wird. Wir versuchen alle, unseres dazu beizutragen, was man tun kann, um endlich die Waffen schweigen zu lassen und endlich in dieser Region Frieden herzustellen. Das ist nichts Verwerfliches und das ist nicht etwas, was sich gegen die Regierung richtet.

    Durak: Aber die Namen und Stimmen nehmen halt zu, und das nimmt man zur Kenntnis: der saarländische Ministerpräsident Klimmt, der von Ihnen erwähnte Hans-Jochen Vogel, der bayerische Landesverband, ostdeutsche Ministerpräsidenten. Es verstärkt sich halt der Eindruck, daß die Regierung etwas alleine dasteht.

    Durak: Nein, weil wir insgesamt wissen, daß man in bestimmten Dingen auch keine andere Möglichkeit hat. Hier steht die Regierung nicht alleine da, sondern es ist einfach die Frage, gibt es noch andere Möglichkeiten, und darüber zu diskutieren ist vernünftig. Vielleicht ergibt sich ja einmal etwas. Auch der Fischer-Plan ist etwas, was jetzt nicht wortgleich dem entspricht, was wir bei uns auf unserem Bundesparteitag verabschiedet haben. Es verändert sich doch auch jeden Tag die Situation, und auf veränderte Situationen wird man neu eingehen müssen. Deshalb wird man denselben Antrag, den man vor drei Wochen irgendwo verabschiedet hat, unter Umständen nicht in zwei Wochen wieder verabschieden können, weil sich Situationen geändert haben.

    Durak: Frau Schmidt, noch einmal von Ihnen: Wann soll es unter welchen Bedingungen eine Feuerpause geben?

    Schmidt: Es soll ein Angebot geben, und dieses Angebot soll gemacht werden, aber nur unter der Voraussetzung, daß die andere Seite bereit ist, mit dem Vertreiben der Flüchtlinge und mit dem Morden der Flüchtlinge aufzuhören. Ich habe bisher keinerlei Erkenntnisse darüber, daß es solch eine Bereitschaft geben könnte. Der Versuch würde sich lohnen, aber ich habe den Eindruck, daß Milosevic für solche Überlegungen nicht zugänglich ist.

    Durak: Also auch wirtschaftlichen Druck verstärken, Ölembargo?

    Schmidt: Auch dieses halte ich für eine dringende Angelegenheit, und ich meine, daß so etwas viel früher hätte geschehen müssen.

    Durak: Seeblockade?

    Schmidt: Das ist in meinen Augen sehr differenziert zu betrachten, weil wenn alle sich einig wären, diese Blockade durchzuführen, Jugoslawien von jeglichem Nachschub abzuschneiden, wäre dieses keine Schwierigkeit, aber die Einigkeit ist nicht vorhanden. Wenn ich mir vorstelle, daß NATO-Kriegsschiffe gegen russische Öllieferanten stehen, das ist eine unvorstellbare Situation. Hier muß man mit sehr viel Behutsamkeit vorgehen.

    Durak: Danke schön, Renate Schmidt, Landesvorsitzende der SPD in Bayern und stellvertretende Bundesvorsitzende.