Dieter Gorny: Guten Tag.
Heinlein: Herr Gorny, soll die Politik den Takt vorgeben für die Musik im Radio?
Gorny: Ich denke, so richtig will das keiner. Allerdings haben wir eine Situation, wo zum ersten Mal, es sind ja über 500, nicht nur die allseits verdächtigen älteren, sondern auch sehr viele junge Künstler in Deutschland sagen, wir fühlen uns eigentlich nicht so richtig medial unterstützt und wir brauchen Unterstützung, damit Nachwuchs eine Chance hat. Das ist ein Punkt, den man ernst nehmen muss. Was das Thema Quote dann direkt angeht, habe ich auch immer wieder betont, Viva selber hat ja seit zehn Jahren eine freiwillige von 40 Prozent und wenn man das mal unemotional und sachlich betrachtet, dann muss man sagen, dass in diesen zehn Jahren allein durch die Tatsache, dass man Raum geschafft hat für neue Musik, sehr viel Spitze aus der Masse entstanden ist. Ich glaube, dass viele von denen, die jetzt unterschreiben konnten, ohne diese Initiative gar nicht da gewesen wären. Also rein wirtschaftspolitisch kann man das gar nicht schlecht finden, kulturpolitisch und innerlich merkt man ja, dass wir uns sehr schwer tun in der Diskussion. Sollte das rauskommen, was ich prophezeie, nämlich dass sich alle endlich mal an einen Tisch setzen und begreifen, dass sie zusammenarbeiten müssen und nicht gegeneinander, dann wäre viel gewonnen.
Heinlein: Also lieber Freiwilligkeit, wenn ich Sie richtig verstehen, anstelle einer gesetzlichen Regelung?
Gorny: Ich glaube, wir sollten nicht über etwas diskutieren, was irreal ist. Ich kann mir nicht denken, dass die Bundesländer hier Interesse haben, und die haben ja die Medienhoheit, in dieses Thema so reinzugrätschen gegen die Öffentlich-Rechtlichen. Wenn, dann müssten es ja eigentlich alle machen und ich halte das auch für zu komplex, weil man da in Kriegsgebiete medialer Art reinkommt, bei denen vielleicht das, was die Künstler wirklich wollen, auf der Strecke bleibt. Aber, das, was sie wollen auf diesem Niveau zu diskutieren wie heute auch in der Enquete-Kommission und das dann auch unter Einbeziehung aller Standpunkte, das bringt Bewegung in diesen Markt oder in diese Kultur und ich kann da auch vor dem Hintergrund der internationalen Popkomm dieses Jahr immer wieder nur betonen, so eine Diskussion wäre in europäischen Anrainerländern gar nicht mehr möglich. Die würden sich kaputtlachen, weil die viel weiter sind im Selbstverständnis mit ihrer Popmusik.
Heinlein: Herr Gorny, etwa in Frankreich haben wir schon seit Jahren diese Quote.
Gorny: Ja, Frankreich spielt da eine Sonderrolle, aber auch abseits dieser Sonderrolle Frankreichs, Skandinavien, in den Beneluxländern, da wird sehr viel für Popkultur getan. Schauen Sie einmal hier auf der Popkomm, wie viel europäische Länder hier mit offiziellen, staatlich dann subventionierten Länderständen da sind und dann gucken Sie mal, wo Deutschland international auftaucht. Da ist einfach etwas, wo wir einfach nur lernen können und das erhoffe ich mir von einem solchen Diskurs, dass man vielleicht anfängt, sich ein bisschen in positivem Sinne zu schämen, dass man so eine Welle über Themen macht, die für andere längst selbstverständlich sind.
Heinlein: Woran liegt es denn, dass es in Deutschland anders läuft als etwa in den von Ihnen genannten Beneluxstaaten?
Gorny: Weil wir immer noch ein gebrochenes Verhältnis zum Begriff "national" haben, das ist auch verständlich und das muss man nachholen und zur Normalität zurückkehren und das, glaube ich, kommt jetzt leichter durch eben eine Musikergeneration, die das nicht versteht, dass man da so ein Aufsehen, - Xavier Neidoo hat ja mal deutlich gesagt, er könne nicht nachvollziehen, dass er als Ausländer eigentlich schon schräg angesehen wird, wenn er deutsch singen würde und das als was besonderes dargestellt würde, das wäre woanders gar nicht denkbar. Diese Argumente zeigen den richtigen Weg.
Heinlein: Also, wir müssen unsere kulturelle, deutsche Identität pflegen? So argumentiert ja unter anderem Antje Vollmer, die Bundestagsvizepräsidentin.
Gorny: Ich denke, wir müssen sie finden, pflegen eigentlich weniger, weil auch die Vollmerschen Thesen natürlich da manchmal etwas Brachiales haben. Wir müssen zur Selbstverständlichkeit kommen.
Heinlein: Hat denn gute deutsche Musik, Grönemeyer oder jetzt neu, "Wir sind Helden", eine vorgestellte Quote überhaupt nötig? Setzt sich Qualität auch im Radio nicht ohnehin durch?
Gorny: Ja und Nein. Das Problem ist immer bei neuer Musik, dass sie medialen Transport braucht, um an die Ohren der potentiellen Käufer oder Fans oder Hörer zu gelangen. Wenn dieses Nadelöhr verstopft ist, weil man in der Programmierung auf Nummer sicher geht, indem man sagt, ich spiele den Leuten nur das vor, was sie schon eh kennen, dann sinkt die Chance für Interessantes, Neues, Spannendes sich durchzusetzen einfach massiv und dann ist das ein reines Glücksspiel.
Heinlein: Wie groß ist denn die Gefahr, dass sich die Radios, auch die öffentlich-rechtlichen, dann zum verlängerten Arm der Marketingstrategien von der Musikindustrie machen?
Gorny: Das ist ein Punkt, den man diskutieren muss und da bin ich auch nicht in Eins mit Frau Vollmer, die gesagt hat, die Industrie in Schutz nehmend sozusagen, dass die Musikindustrie natürlich Wirtschaftskulturgüter produziere, aber keinen Kulturauftrag haben, das ist richtig, aber einen Kulturauftrag hat das private Radio auch nicht, das da ja auch mitangegriffen wird. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich mit den Künstlern direkt spreche und da wir in einer Situation sind im deutschen Musikmarkt, wo die große Industrie gar nicht mehr so groß und so stark ist sondern auch der Mittelstand immer mehr nach oben kommt, kommt man, glaube ich, mit der künstlerbezogenen Diskussion im Sinne der Vielfalt einfach weiter, weil Ihr Eindruck stimmt natürlich, dass viele Leute sagen, ausgerechnet jetzt, wo es der Industrie schlecht geht, dann kommen die Leute an und sagen, ihr müsst uns da helfen. Ich formuliere es einfach so, wenn mehr deutsche Künstler eine Chance haben an die Ohren der Leute zu kommen und das mittelbar auch dafür sorgt, dass Plattenfirmen mitverdienen können, dann ist das nicht schädlich, ist aber nicht der alleinige Zweck.
Heinlein: Der Viva-Chef Dieter Gorny heute Mittag hier im Deutschlandfunk.
Heinlein: Herr Gorny, soll die Politik den Takt vorgeben für die Musik im Radio?
Gorny: Ich denke, so richtig will das keiner. Allerdings haben wir eine Situation, wo zum ersten Mal, es sind ja über 500, nicht nur die allseits verdächtigen älteren, sondern auch sehr viele junge Künstler in Deutschland sagen, wir fühlen uns eigentlich nicht so richtig medial unterstützt und wir brauchen Unterstützung, damit Nachwuchs eine Chance hat. Das ist ein Punkt, den man ernst nehmen muss. Was das Thema Quote dann direkt angeht, habe ich auch immer wieder betont, Viva selber hat ja seit zehn Jahren eine freiwillige von 40 Prozent und wenn man das mal unemotional und sachlich betrachtet, dann muss man sagen, dass in diesen zehn Jahren allein durch die Tatsache, dass man Raum geschafft hat für neue Musik, sehr viel Spitze aus der Masse entstanden ist. Ich glaube, dass viele von denen, die jetzt unterschreiben konnten, ohne diese Initiative gar nicht da gewesen wären. Also rein wirtschaftspolitisch kann man das gar nicht schlecht finden, kulturpolitisch und innerlich merkt man ja, dass wir uns sehr schwer tun in der Diskussion. Sollte das rauskommen, was ich prophezeie, nämlich dass sich alle endlich mal an einen Tisch setzen und begreifen, dass sie zusammenarbeiten müssen und nicht gegeneinander, dann wäre viel gewonnen.
Heinlein: Also lieber Freiwilligkeit, wenn ich Sie richtig verstehen, anstelle einer gesetzlichen Regelung?
Gorny: Ich glaube, wir sollten nicht über etwas diskutieren, was irreal ist. Ich kann mir nicht denken, dass die Bundesländer hier Interesse haben, und die haben ja die Medienhoheit, in dieses Thema so reinzugrätschen gegen die Öffentlich-Rechtlichen. Wenn, dann müssten es ja eigentlich alle machen und ich halte das auch für zu komplex, weil man da in Kriegsgebiete medialer Art reinkommt, bei denen vielleicht das, was die Künstler wirklich wollen, auf der Strecke bleibt. Aber, das, was sie wollen auf diesem Niveau zu diskutieren wie heute auch in der Enquete-Kommission und das dann auch unter Einbeziehung aller Standpunkte, das bringt Bewegung in diesen Markt oder in diese Kultur und ich kann da auch vor dem Hintergrund der internationalen Popkomm dieses Jahr immer wieder nur betonen, so eine Diskussion wäre in europäischen Anrainerländern gar nicht mehr möglich. Die würden sich kaputtlachen, weil die viel weiter sind im Selbstverständnis mit ihrer Popmusik.
Heinlein: Herr Gorny, etwa in Frankreich haben wir schon seit Jahren diese Quote.
Gorny: Ja, Frankreich spielt da eine Sonderrolle, aber auch abseits dieser Sonderrolle Frankreichs, Skandinavien, in den Beneluxländern, da wird sehr viel für Popkultur getan. Schauen Sie einmal hier auf der Popkomm, wie viel europäische Länder hier mit offiziellen, staatlich dann subventionierten Länderständen da sind und dann gucken Sie mal, wo Deutschland international auftaucht. Da ist einfach etwas, wo wir einfach nur lernen können und das erhoffe ich mir von einem solchen Diskurs, dass man vielleicht anfängt, sich ein bisschen in positivem Sinne zu schämen, dass man so eine Welle über Themen macht, die für andere längst selbstverständlich sind.
Heinlein: Woran liegt es denn, dass es in Deutschland anders läuft als etwa in den von Ihnen genannten Beneluxstaaten?
Gorny: Weil wir immer noch ein gebrochenes Verhältnis zum Begriff "national" haben, das ist auch verständlich und das muss man nachholen und zur Normalität zurückkehren und das, glaube ich, kommt jetzt leichter durch eben eine Musikergeneration, die das nicht versteht, dass man da so ein Aufsehen, - Xavier Neidoo hat ja mal deutlich gesagt, er könne nicht nachvollziehen, dass er als Ausländer eigentlich schon schräg angesehen wird, wenn er deutsch singen würde und das als was besonderes dargestellt würde, das wäre woanders gar nicht denkbar. Diese Argumente zeigen den richtigen Weg.
Heinlein: Also, wir müssen unsere kulturelle, deutsche Identität pflegen? So argumentiert ja unter anderem Antje Vollmer, die Bundestagsvizepräsidentin.
Gorny: Ich denke, wir müssen sie finden, pflegen eigentlich weniger, weil auch die Vollmerschen Thesen natürlich da manchmal etwas Brachiales haben. Wir müssen zur Selbstverständlichkeit kommen.
Heinlein: Hat denn gute deutsche Musik, Grönemeyer oder jetzt neu, "Wir sind Helden", eine vorgestellte Quote überhaupt nötig? Setzt sich Qualität auch im Radio nicht ohnehin durch?
Gorny: Ja und Nein. Das Problem ist immer bei neuer Musik, dass sie medialen Transport braucht, um an die Ohren der potentiellen Käufer oder Fans oder Hörer zu gelangen. Wenn dieses Nadelöhr verstopft ist, weil man in der Programmierung auf Nummer sicher geht, indem man sagt, ich spiele den Leuten nur das vor, was sie schon eh kennen, dann sinkt die Chance für Interessantes, Neues, Spannendes sich durchzusetzen einfach massiv und dann ist das ein reines Glücksspiel.
Heinlein: Wie groß ist denn die Gefahr, dass sich die Radios, auch die öffentlich-rechtlichen, dann zum verlängerten Arm der Marketingstrategien von der Musikindustrie machen?
Gorny: Das ist ein Punkt, den man diskutieren muss und da bin ich auch nicht in Eins mit Frau Vollmer, die gesagt hat, die Industrie in Schutz nehmend sozusagen, dass die Musikindustrie natürlich Wirtschaftskulturgüter produziere, aber keinen Kulturauftrag haben, das ist richtig, aber einen Kulturauftrag hat das private Radio auch nicht, das da ja auch mitangegriffen wird. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich mit den Künstlern direkt spreche und da wir in einer Situation sind im deutschen Musikmarkt, wo die große Industrie gar nicht mehr so groß und so stark ist sondern auch der Mittelstand immer mehr nach oben kommt, kommt man, glaube ich, mit der künstlerbezogenen Diskussion im Sinne der Vielfalt einfach weiter, weil Ihr Eindruck stimmt natürlich, dass viele Leute sagen, ausgerechnet jetzt, wo es der Industrie schlecht geht, dann kommen die Leute an und sagen, ihr müsst uns da helfen. Ich formuliere es einfach so, wenn mehr deutsche Künstler eine Chance haben an die Ohren der Leute zu kommen und das mittelbar auch dafür sorgt, dass Plattenfirmen mitverdienen können, dann ist das nicht schädlich, ist aber nicht der alleinige Zweck.
Heinlein: Der Viva-Chef Dieter Gorny heute Mittag hier im Deutschlandfunk.