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Racial Profiling in Kinderliedern
Unbedarft und falsch

Racial Profiling in Kinderbüchern wurde in den letzten Jahren stark diskutiert. Nun richtet sich der Blick auch auf die Kinderlieder. Musikethnologe Nepomuk Riva fragt, ob sich Texte wie "Drei Chinesen mit dem Kontrabass" mit unserer modernen Lebenswelt vertragen.

Von Matthias Nöther |
Längst sind Kinderbuch-Klassiker wie "Pippi Langstrumpf" oder "Räuber Hotzenplotz" unter die Lupe genommen worden, weil sie Begriffe enthalten, die heute als rassistisch gelten. Das ist umstritten, es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Diese Diskussion erweitert sich gerade auch auf die Kinderlieder. Angestoßen hat diese der Musikethnologe Nepomuk Riva.
Es sind Lieder wie "Zehn kleinen Negerlein", "Alle Kinder lernen lesen – Indianer und Chinesen" oder "John Brown‘s Body", die rassistische Weltbilder mitschwingen lassen und die Kleinsten schon beeinflussen. Selbst wer die Texte subjektiv irgendwie verschmerzen kann, sollte auf die Melodie hören, um die problematische Haltung dahinter zu entdecken.

Fokus auch auf die Musik

Nepomuk Riva dazu: "Lieder erhalten natürlich auch eine Bedeutung durch den Musikstil, in dem sie geschrieben werden. Und ich finde das gerade bei "Die Affen rasen durch den Wald" sehr auffällig. Da wird eine Art afroamerikanischer Rock‘n Roll imitiert auf ganz simple Weise in den Strophen. Das klingt nach afroamerikanischer Popmusik der Fünfziger, Sechziger Jahre, wenn man sich die ersten Aufzeichnungen des Lieds anschaut.
Das heißt, hier werden Verbindungen hergestellt, die gerade im Dritten Reich natürlich ganz offensichtlich waren. Also von der afroamerikanischen Musik zur Musik der Afrikaner. Und der Stereotyp für die Afrikaner im rassistischen Kontext sind einfach die Affen. Also da ist eine Linie gezogen worden, die nicht verbal artikuliert wird, die aber in diesem Lied drinsteckt. Dadurch, dass man sich an einem afroamerikanischen populären Musikstil orientiert.

Der Fall "Drei Chinesen mit dem Kontrabass"

Kritiker weisen auf den Ursprung dieses Liedes hin – die Zeit der Kolonialausstellungen um 1900, als viele Asiaten nach der Schau in Deutschland strandeten. Es gibt frühe Varianten des Liedes, die von Japanern ohne Pass handeln und damit Ressentiments gegen eine Minderheit beinhalten.
Die jetzige Variante mit dem rätselhaften Text von den Chinesen ist vor allem eins: eine Melodie, die sich gut für Stimmbildung und Vokalübungen eines Kinderchors eignet, denn schließlich wird die Melodie auf verschiedene Vokale gesungen.

Falsches Bild der Kultur

Die Dirigentin Yongfei Du leitet einen chinesischen Kinderchor in Berlin. Dem Lied steht sie skeptisch gegenüber, denn es zeichne ein völlig falsches Bild der Kultur: "Wenn sich drei Chinesen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen Kontrabass leisten können, werden sie nicht auf der Straße spielen."
Und doch hält sich das Lied im allgemeinen Gebrauch. Riva sieht verschiedene Merkmale von rassistischen Kinderliedern, die nicht verschwinden, denn sie setzen sich mit Musik, Sprache und Zahlen auseinander. Damit haben sie einen pädagogischen Mehrwert. Darauf wollen viele Pädagoginnen ungern verzichten. "Und das macht diese Lieder so gefährlich", so Riva.
Und dabei könnte man so leicht auf diese verzichten, denn Kinderlieder werden ständig neu komponiert.