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Brustvergrößerung

Knapp 20.000 Mal pro Jahr werden in Deutschland Bruststraffungen oder -vergrößerungen durchgeführt. Obwohl es sich um einen medizinischem Routineeingriff handelt, sind die Kosten hoch und die Risiken nicht zu vernachlässigen.

Von Mirko Smiljanic | 16.09.2014
    Düsseldorf, eine Klinik für Ästhetische Chirurgie. Seit einer Stunde operieren zwei Ärzte eine 33-jährige Frau.
    "Gibst Du mir noch ein 11er-Skalpell?"
    Vorsichtig schneidet der Operateur entlang einer vorgezeichneten Linie.
    "Das ist hier eine Bruststraffungsoperation mit Implantaten, die gleichzeitig eingesetzt werden, das ist eine junge Patientin, die einfach ein volles Dekolleté wieder haben möchte, wo die Brust ein bisschen mit der Zeit durchgehangen ist."
    Medizinisch ein Routineeingriff. Ganz anders erleben das die Patientinnen. Schönheits-OPs bricht man nicht übers Knie, außerdem sind die Kosten hoch und die Risiken nicht zu vernachlässigen. Trotzdem: Wer unzufrieden mit seinem Köper ist, lebt im Dauerstress.
    "Man hat sich auch nicht mehr gerne ausgezogen, wenn ich ins Schwimmbad gegangen bin und ich habe einen Badeanzug angehabt oder einen Bikini, dann fehlte einfach was und man fühlte sich nicht vollwertig."
    Sie informierte sich im Internet und bei Ärzten, sie sprach mit Freundinnen und ihrem Mann – und entschloss sich schließlich zu einer operativen Brustvergrößerung. Was genau wird dabei gemacht? Zunächst einmal vermisst der Arzt die Brust und bespricht mit der Patientin, welche Brustgröße sie künftig haben möchte. Die allermeisten Frauen wünschen sich übrigens keine großen Brüste, fast immer möchten sie die Form straffen und das Volumen voller wirken lassen – von Körbchengröße A nach Körbchengröße B etwa, oder von kleinem C nach großem C.
    Ist dieser Punkt geklärt, steht das Implantat im Mittelpunkt. Keine triviale Angelegenheit, der Skandal um Implantate, die mit billigem Industriesilikon gefüllt wurden, verunsichert immer noch viele Frauen. Hier gibt es nur einen Rat: Sich intensiv zu informieren und – leider – nicht allzu sehr aufs Geld zu schauen: Qualitativ hochwertige Implantate sind teurer. Nicht ganz so schwierig, für das Aussehen aber entscheidend, ist die Auswahl der Implantatform.
    "Es gibt anatomische Brustformen, das heißt, das sind Implantate, die tropfenförmig geformt sind, so wie eine weibliche Brust auch sein sollte, und es gibt runde Formen. Es ist immer abhängig von der Brust, wie sie vorher war: Wenn ich sehr wenig oben hab, dann nehme ich eher runde, wenn ich sehr wenig unten an der Brust habe, also wenn es unten fehlt, dann sind die anatomischen deutlich schöner."
    Dr. Hans Hendricks, Facharzt für Plastische Chirurgie, Düsseldorf. Den Eingriff selbst nimmt ein Operationsteam vor, in der Regel zwei Operateure, ein Anästhesist und ein oder zwei Schwestern. Wichtig für die OP ist die Lagerung der Patientin. Zwei Arten sind möglich: entweder sie liegt oder sie sitzt.
    "Meine Lagerung ist folgenderweise, dass die Patientin sitzt, das heißt, sie sitzt in Vollnarkose auf dem OP-Tisch, weil, nur im Sitzen sehe ich die korrekte Brustform."
    Was eine gewisse Logik hat, aber nicht bedeutet, dass liegend operierte Frauen schlechtere OP-Ergebnisse haben. Die Operation selbst beginnt mit einem kleinen Schnitt am Rande der Brustwarze.
    "Dieser kleine Schnitt am Rande der Brustwarze wird später kaum zu sehen sein, und über diesen Schnitt umgehe ich die Brustdrüse nach unterwärts, geh dann unter den Muskel und lege das Implantat komplett unter den Muskel, das heißt nicht nur Muskel, sondern auch Bauchmuskel, weil der Bauchmuskel hält das Implantat, manche Implantate wiegen um die 300 Gramm, und 300 Gramm muss gehalten werden."
    Sind die Implantate auf beiden Seiten eingesetzt,
    "...wird der Muskel wieder geschlossen, die Drüse wieder zusammengeführt und die Haut genäht. Danach bekommt die Patientin einen Sport-BH, und dieser Sport-BH sollte getragen werden zwischen zwei Wochen und sechs Wochen, und meistens gebe ich ihnen auch noch einen Bügel-BH, um die Unterbrustfalte neu zu formen, weil die Unterbrustfalte immer einen neuen Platz findet, bei den kleinen Brüsten zumindest."
    Die Risiken des Eingriffes sind vergleichbar mit denen anderer Operationen: Es kann zu Nachblutungen, Schwellungen, Störung der Wundheilung, Blutergüssen und Infektionen kommen. Allerdings gibt es auch Risiken, die ausschließlich bei Brustvergrößerungen auftreten. Bei etwa zehn Prozent der Patientinnen entwickeln sich Gewebeverhärtungen, sogenannte Kapselfibrosen: Der Körper bildet um das Implantat herum Bindegewebe und stößt so den Fremdkörper ab. Weiterhin kann das Implantat verrutschen, wenn die Implantattaschen zu groß sind. Einige Frauen berichten über Sensibilitätsstörungen im Bereich der Brustwarze, mitunter ist auch die Stillfähigkeit beeinträchtigt. Frauen, die eine Brustvergrößerung durchführen lassen, sollten zudem wissen, dass nach 10 bis 15 Jahren ein erneuter Eingriff notwendig werden kann. Das Gewebe erschlafft mit den Jahren, außerdem haben Brustimplantate eine begrenzte Lebensdauer. Ja, und dann gibt es noch Frauen, da fragt sich der erfahrene Chirurg, warum sie ihre Brust vergrößern möchten?
    "Ich würde sagen, dass ich so um die 20 Prozent meiner Patientinnen nicht ablehne, aber ihnen rate, nach Hause zu gehen."
    Im schlimmsten Fall leiden solche Frauen an einer Dysmorphophobie, sie haben krankhaft Angst, hässlich zu sein und möchten mit Schönheitsoperationen gegensteuern. Helfen kann hier aber kein Chirurg der Welt, helfen kann hier nur eine Psychotherapie. Gleiches gilt, wenn jemand eine OP an sich durchführen lässt, aber nicht dahinter steht.
    "Ich habe einmal eine Situation gehabt, wo ein junges Mädchen zu mir kam ohne Eltern, sie war 23 Jahre alte und hatte schon mehrere Kinder und hat sich operieren lassen bei mir. Sie schien mir sehr selbstbewusst, und ich muss ganz ehrlich sagen, was danach passiert ist, war fürchterlich für mich. Im Nachhinein habe ich herausgefunden, dass der Ehemann sie bedrängt hat zu dieser OP und sie wollte keine Brustvergrößerung haben. Dann hat der Ehemann sie verlassen und dann kam sie zu mir und hat mir die ganze Geschichte erzählt. Und diese Geschichte hat mich unglaublich beeinflusst in der Hinsicht, dass, wenn ich sehr junge Leute hier habe, dass ich dann bitte, dass die Eltern dann auch zum Zweitgespräch kommen."
    Niemand sollte zudem glauben, dass eine Brustvergrößerung vielen auffällt. Häufig klaffen Fremd- und Eigenwahrnehmung weit auseinander. Hinzukommt ein weiteres Phänomen: Viele Frauen hoffen nach der Operation auf einen unkomplizierten Kontakt zu anderen Menschen. Psychologische Hemmungen und Ängste lassen sich aber durch Schönheitsoperation nicht beeinflussen. Auch in solchen Fällen wäre eine Psychotherapie das Mittel der Wahl. Wer sich einer Brust-OP unterzieht, sollte es im Idealfall für sich machen – so wie diese Patientin.
    "In erster Linie mache ich das für mich, für meinen Partner ist das natürlich auch eine schöne Sache, er freut sich darüber, dass ich das gemacht habe, doch der hätte auch damit gelebt, wie es jetzt vor der Operation war."