Mittwoch, 01. Mai 2024

Archiv

Radiolexikon Gesundheit
Ernährungsumstellung

Diäten funktionieren nicht! Das zumindest ist einhellige Meinung von Ärzten und Ernährungswissenschaftlern. Schlimmer noch: Diäten sind der sicherste Weg, langfristig sein Gewicht zu steigern, der Jo-Jo-Effekt macht es möglich. Wer langfristig sein Gewicht senken will, der muss seine Ernährung umstellen. Doch das geht nicht vom einen auf den anderen Tag.

Von Mirko Smiljanic | 18.02.2014
    Ein Fitnesscenter, irgendwo in Deutschland: Fahrräder und Laufbänder, Hantelbänke und Rudergeräte – abends sind fast alle Trainingsmaschinen belegt. Junge Männer mit athletischen Figuren pumpen ihre Muskeln auf, Bodyforming heißt das in der Szenesprache. Ein paar Meter daneben geht es etwas gemächlicher, aber nicht minder schweißtreibend zu. Eine etwa 50-jährige Frau rennt auf dem Laufband sichtbar gegen den inneren Schweinehund an. Sie schwitzt, sie keucht – sie möchte abnehmen. Dieses Mal richtig, dieses Mal auf Dauer, dieses Mal ohne Diät!
    "Die meisten Menschen verstehen unter einer Diät eine, zwei Wochen, vier Wochen, sechs Wochen oder wie auch immer terminierte Phase, um abzunehmen", sagt Dr. Andrea Lambeck, Geschäftsführerin der Plattform Ernährung und Bewegung in Berlin.
    "Da ist der Nachteil, dass man sich vom ersten Tag der Diät auf den letzten Tag nach der Diät freut, wenn man endlich wieder das essen kann, was man vorher so gerne gegessen hat."
    Endlich mal wieder ein Schnitzel mit Pommes Frites essen und zum Dessert Crème brûlée – die Salate und dünnen Suppen hängen einem zum Hals heraus. Leider nur funktioniert Abnehmen so nicht. Wer sein Gewicht dauerhaft reduzieren will, muss seine Ernährung umstellen.
    "Da geht es nicht darum, radikal einzelne Dinge wegzulassen oder einzelne Lebensmittel in den Vordergrund zu stellen, sondern es geht darum, eine insgesamt ausgewogene Ernährung über einen über einen wirklich langen Zeitraum oder auch für immer umzusetzen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass eine Ernährungsumstellung nicht zu drastisch ist, denn dann funktioniert sie nicht. Wenn ich mir heute sage, ab morgen gibt es nie wieder Schokolade in meinem Leben, dann weiß ich, dass ich das vielleicht drei Tage durchhalte, vielleicht auch vier, aber dann wird es vielleicht ganz eng."
    Ernährungsumstellungen haben einen vermeintlichen Nachteil, sie bieten aber auch einen großen Vorteil. Der Nachteil: Schnell nimmt niemand ab! Mal eben die Bikinifigur für den nächsten Urlaub runterhungern, nein, das klappt nicht. Anders bewertet, ist das aber auch ein großer Vorteil: Der Druck ist raus! Man kann sich Zeit lassen.
    Kein schnelles Abnehmen
    "Sie haben das Übergewicht, egal ob die fünf Kilo, zehn Kilo oder 20 Kilo abnehmen wollen, das haben Sie sich ja auch nicht in ein paar Wochen zugelegt, sondern das ist ja über einen langen Zeitraum dazu gekommen, und genau so lang muss auch der Zeitraum sein, das realistisch wieder abzunehmen."
    In einem Jahr nur acht Kilogramm abzunehmen mag für Freunde von Diäten ein Graus sein, mehr ist aber manchmal nicht drin, mehr muss aber auch nicht drin sein, denn – den Rückfall in alte Essgewohnheiten mal ausgeschlossen – diese acht Kilogramm Fett sind auf Dauer weg. Der erste Schritt auf diesem Weg hat übrigens nichts mit Nahrungsmitteln zu tun, der Schritt beginnt mit einem Blick in die eigene Biografie.
    "Warum habe ich so viele Kilos? Was ist an meinen Ernährungsgewohnheiten nicht in Ordnung? Was ist mit meinem Lebensstil,?" sagt Dr. Eva Kalbheim, Internistin und Gesundheitsberaterin in Bonn, "und darum rate ich immer dazu, dass ein Ziel – eben Gewicht abzunehmen – eingebettet wird in eine Analyse des gesamten Lebensstils, und auch in die Frage, warum will ich abnehmen und wie kann ich mir das vornehmen?"
    Habe ich die notwendige Zeit zum Abnehmen? Oder bin ich beruflich so eingespannt, dass mir viel mehr als Fastfood und Cola zeitlich gar nicht übrig bleibt. Will ich abnehmen, um attraktiv zu wirken? Um Karriere zu machen zu? Um endlich mal wieder ohne Widerwillen in den Spiegel zu schauen? Und dann ist da noch die Frage nach den Mythen, die jeder mit dem Essen verbindet.
    "Ist Essen etwas, was mich beruhigt? Ist Essen was, womit ich mich belohne? Ist Essen etwas völlig Nebensächliches, was ich so nebenbei erledige, das heißt also als ersten Schritt sich zu überlegen, was bedeutet Essen für mich, welche Rolle spielt das?"
    Ein Ernährungsprotokoll bringt neue Einsichten
    Ein über mehrere Tage geführtes Ernährungsprotokoll ist in dieser Phase ausgesprochen hilfreich: Wer weiß, was er wann isst und trinkt und wie er isst und trinkt, hat erste Ansätze, etwas zu ändern. Woraus allerdings auch schon deutlich wird: Im Vergleich zur Diät, ist eine erfolgreiche Ernährungsumstellung ohne Hilfestellung kaum zu meistern. Es muss nicht gleich eine Klinik oder ein Gesundheitsberater sein, viele Sportvereine haben mittlerweile entsprechende Angebote in ihr Programm aufgenommen. Da fällt es nicht weiter auf, dass in den ersten Wochen einer Ernährungsumstellung das Gewicht sich kaum ändert. In dieser Phase steht Lernen im Vordergrund. Etwa welche Stellschrauben das Gewicht beeinflussen?
    "Das Thema zum Beispiel Insulinausschüttung, also, welche Kohlenhydrate in welche Abständen nehme ich zu mir, das hat seine Bedeutung, keine Frage, insbesondere bei Älteren Übergewichtigen, wenn es dann zum Beispiel schon mal Richtung Altersdiabetes geht, der ja auch mit der Ernährung zusammenhängt. Insofern ist es ganz wichtig, diesen einen Aspekt mit den eher psychologischeren Herangehensweisen wichtig zu nehmen, und der andere Aspekt Richtung Ernährungsberatung, den eben auch zu betrachten."
    Die Frage nach den günstigen und ungünstigen Lebensmitteln, lässt sich erstaunlich einfach beantworten. Wenig Fett, wenig Zucker, wenig Wurst und Fleisch, viele komplexe Kohlenhydrate, viele Ballaststoffe, viel Gemüse und Obst, Alkohol in Maßen – wer diese Regel beherzigt, nimmt ab.
    Doch das Wissen um gesunde Lebensmittel ist bei einer Ernährungsumstellung eher nebensächlich. Im Mittepunkt stehen praktische und psychologische Probleme: Wie lassen sich fünf kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt in den stressigen Arbeitsalltag integrieren? Was tun, wenn der Hunger doch mal übermächtig wird? Oder das Fett nur grammweise schmilzt? Andrea Lambeck.
    Sport unterstützt das Abnehmen
    "Natürlich kann man den Gewichtsreduktionsprozess noch beschleunigen, indem man körperlich aktiv wird. Das ist nicht nur der Sport, wo man vorher ein bestimmtes Dress anzieht und Turnschuhe und irgendwohin fährt, sondern, das kann auch die normale Alltagsbewegung sein, jede Treppe eine Chance, sage ich immer, die Bewegungsmöglichkeiten im Alltag sind gar nicht so wenig, aber wir sind von Natur aus vielleicht ein bisschen faul und lassen die Chancen rechts und links liegen, steigen in den Aufzug, nehmen das Auto, fahren immer vor die Haustür, statt mal ein paar Meter zu Fuß zu gehen."
    Regelmäßige Bewegung, möglichst regelmäßiger Sport, im Rahmen einer Ernährungsumstellung ist fast eine Garantie, Gewicht zu verlieren. Wer sich bewegt, verbraucht Kalorien; wer sich bewegt, baut aber vor allem Muskelmasse auf, die selbst im Ruhezustand Fett verbraucht. Außerdem hat Bewegung einen positiven Einfluss auf die Psyche, man wird ruhiger, ausgeglichener und gelassener. Und Gelassenheit ist die beste Voraussetzung für eine gelungene Ernährungsumstellung – auch wenn es etwas länger dauert, bis das Zielgewicht erreicht ist.

    Mehr zum Thema