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Fleckfieber - Läusefieber - Kriegspest

Die "Kriegspest", das "Läusefieber" oder das "Fleckfieber" sind bei uns in Deutschland weitestgehend ausgestorben. Der letzte meldepflichtige Fall wurde vom Robert-Koch-Institut im Jahr 2003 registriert. In den tropischen Regionen allerdings ist das Fleckfieber immer noch verbreitet.

Von Ulrike Burgwinkel | 17.12.2013
    "Den 20. ging Lenz durch's Gebirg ... Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf - bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte. Anfangs drängte es ihm in der Brust, wenn das Gestein so wegsprang, der graue Wald sich unter ihm schüttelte, und der Nebel die Formen bald verschlang, bald die gewaltigen Glieder halb enthüllte; es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlornen Träumen, aber er fand nichts."
    Fleckfieber ist eine Infektionskrankheit, eine Rickettsiose.
    Professor Hans-Peter Kröner, Medizinhistoriker an der Universität Münster:
    "Rickettsien sind sehr kleine Bakterien, sie sind so klein, dass man sie anfangs für große Viren gehalten hat. Mit den Viren gemein haben sie auch, dass sie nicht in künstlichen Nährböden gezüchtet werden können, sondern nur in lebenden Zellen."
    Auch wenn retrospektive Diagnosen schwierig und mit Vorsicht zu genießen sind, so könnte es dennoch sein, dass Georg Büchner und seine Beschreibungen bei den Wanderungen durchs Gebirge durch eine Rickettsiose mitgeprägt waren.
    "Die Erreger setzen sich in den Innenwandzellen der Gefäße ab und zerstören diese Zellen. Es kommt dann zu einem sehr schnellen starken Fieberanstieg, weit über 40 Grad und dieses Fieber bleibt ungefähr zehn bis zwölf Tage bestehen. Es kommt in dieser Zeit dann durch die Gefäßentzündungen und Zerstörungen zu Organschäden, zu Nierenschäden, Leberschäden und vor allen Dingen zu Schädigungen des Gehirns, zu einer Gehirnentzündung, die eines der klassischen Symptome des Fleckfiebers sind, nämlich der Status typhosus, ein Zustand getrübten Bewusstseins, ein Zustand der Umnebelung. Typhus gleich Nebel, Dampf im Griechischen. Ein Zustand, indem der Patient halluziniert, verwirrt ist."
    Die Überträgerin dieser zu Halluzinationen führenden Erkrankung ist die Kleiderlaus; sie gibt die Krankheit von Mensch zu Mensch weiter. Unter schlechten hygienischen Bedingungen verbreitet sich die Infektion sehr schnell.
    "Das Fleckfieber gilt als eine typische Kriegserkrankung, eines der Synonyme ist Kriegsfieber, Kriegspest. Und wir können davon ausgehen, dass das Fleckfieber bis in die Antike hinein Feldzüge begleitet hat."
    "Er dehnte sich aus und lag über der Erde, er wühlte sich in das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe tat; oder er stand still und legte das Haupt in's Moos und schloß die Augen halb, und dann zog es weit von ihm, die Erde wich unter ihm, sie wurde klein wie ein wandelnder Stern und tauchte sich in einen brausenden Strom, der seine klare Flut unter ihm zog. Aber es waren nur Augenblicke, und dann erhob er sich nüchtern, fest, ruhig als wäre ein Schattenspiel vor ihm vorübergezogen, er wußte von nichts mehr."
    "Wir wissen heute, auch durch molekulargenetische Untersuchungen an Überresten dieser Feldzugteilnehmer, dass auch hier Fleckfieber eine große, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle gespielt hat. Von den 500 000 Mann, die ausgezogen sind, der Grande Armee von Napoleon, sind bei dem Rückzug aus Moskau nach Belagerung und dem Brand Moskaus ungefähr 80 000 übrig. Man darf annehmen, dass ein Großteil dieser Opfer von Epidemien, großteils von Fleckfieber gewesen sind. Fleckfieber hat offensichtlich häufig eine kriegsentscheidende Rolle gespielt."
    Fleckfieber wurde erst 1847 als eigenständige Krankheit identifiziert
    Das Problem der Diagnose des Fleckfiebers konnte erst spät gelöst werden; noch Rudolf Virchow erkannte keinen Unterschied zwischen Typhus und Fleckfieber wegen der unspezifischen vielfältigen Hauteinblutungen beider Erkrankungen und vor allem wegen des fleckfiebertypischen "typhosen Stadiums".
    "Die Rickettsien selbst wurden erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Howard Ricketts entdeckt, ein amerikanischer Arzt, der das Rocky Mountain Spotted Fever untersucht hat und bei den Patienten, beziehungsweise bei den Zecken, die bei diesen Patienten gefunden wurden, hatte er kokkenähnliche Mikroorganismen entdeckt. Leider verstarb er während dieser Untersuchungen an Fleckfieber, er infizierte sich selber."
    Den Forschern am Pasteur-Institut gelang kurz darauf ein wichtiger Schritt: der Nachweis der Übertragung durch Läuse. Die Österreicher Edmund Weil und Arthur Felix entdeckten die serologische Reaktion, der Londoner William Jenner identifizierte Fleckfieber 1847 als eigenständige Krankheit, der brasilianische Mikrobiologe Henrique da Rocha Lima sowie Stanislaus von Prowazek aus Böhmen finden schließlich bei Untersuchungen in einem Hamburger Gefängnis die: Rickettsia prowazekii. Das geballte Forschungsinteresse hängt sicher mit der kriegsentscheidenden Wirkung des Fleckfiebers zusammen. Der polnische Arzt Rudolf Weigel schließlich fand eine Lösung gegen die Dezimierung der Soldatentruppen: eine Schutzimpfung.
    "Da die Erreger nicht in künstlichen Nährlösungen anzüchtbar sind, mussten sie in lebenden Zellen gezüchtet werden und er hat diesen Impfstoff deshalb aus Läusedärmen hergestellt, was ein unheimlich aufwendiges Verfahren ist. Es mussten Zigtausend Läusedärme präpariert werden, um den Impfstoff herzustellen. Das ist der bekannte Weigel-Impfstoff."
    Traurige Bekanntheit haben die Testserien von Erwin-Oskar Ding-Schuler im Konzentrationslager Buchenwald erlangt. Denn das Robert-Koch-Institut und das Hygieneinstitut der SS hatten einen Impfstoff aus Hühnereiern gewonnen.
    Heute ist die Infektionskrankheit mit Antibiotika gut behandelbar
    "Man hat Patienten dort mit den Erregern infiziert und vorher hat man sie geimpft mit den unterschiedlichen Impfstoffen und hat geguckt, welcher Impfstoff eine bessere Immunität leisten sollte. Zusätzlich wurden viele Patienten infiziert, weil man sie als Passagepatienten brauchte und die dann in der Regel an dieser Krankheit verstarben, einen Riesentodeszoll zahlen mussten."
    Heute ist bei uns das Fleckfieber ausgestorben, 2003 wurde der letzte Fall gemeldet vom Robert-Koch-Institut, eine "importierte" Erkrankung; denn in tropischen Regionen mit schlechten hygienischen Standards treten immer noch Fleckfieber-Epidemien auf. Läusebekämpfung wäre die wichtigste präventive Maßnahme, aber auch therapeutisch ist die Infektionskrankheit mit Antibiotika, speziell Tetracyclinen gut behandelbar. Aber, so Hans-Peter Kröner:
    "Wir haben andere Rickettsiosen in Deutschland. Es ist sogar so, dass diese Rickettsien als emerging infections, als neu auftretende Infektionen bezeichnet werden. Man hat inzwischen nachgewiesen, dass ein Großteil unserer einheimischen Zecken mit Rickettsien behaftet sind. Es ist zwar nicht das klassische Fleckfieber, was diese entwickeln, aber durchaus zu fieberhaften Infektionen führen können und man nimmt an, dass manche der sogenannten Sommergrippen eigentlich Rickettsien-Infektionen sind."
    "Alles finster, nichts, er war sich selbst ein Traum, einzelne Gedanken huschten auf, er hielt sie fest, es war ihm, als müsse er immer 'Vater unser' sagen; er konnte sich nicht mehr finden, ein dunkler Instinkt trieb ihn, sich zu retten, er stieß an die Steine, er riß sich mit den Nägeln, der Schmerz fing an, ihm das Bewußtsein wiederzugeben, er stürzte sich in den Brunnstein, aber das Wasser war nicht tief, er patschte darin."