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Laiendefibrillator

In Theatern, an Bahnhöfen, in Hotels: Defibrillatoren hängen mittlerweile an vielen Orten, an denen sich zahlreiche Menschen aufhalten. Kommt es zu einem Notfall, sollten Passanten nicht davor zurückschrecken, sie zu benutzen. Die Geräte sind einfach zu handhaben - auch ohne Vorkenntnisse.

Von Justin Westhoff | 27.02.2018
    Ein Hinweisschild auf einen Defibrillator hängt im Strafjustizzentrum Augsburg (Bayern).
    Ein Defibrillator hilft beim lebensgefährlichen Kammerflimmern des Herzens. (Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
    Ein Mann greift sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust und fällt um. Er erscheint leblos. Etwa 100.000 Menschen werden in Deutschland jedes Jahr Opfer eines plötzlichen Herztods. Einige von ihnen werden gerettet, viele mehr könnten überleben.
    "Pro Minute Herzstillstand verlieren Sie zehn Prozent an Überlebenswahrscheinlichkeit", sagt Professor Dietrich Andresen, langjähriger Chefarzt der Kardiologie in Berliner Kliniken. Andererseits:
    "Wenn jemand umfällt und Sie sofort eine Defibrillation durchführen, dann würde der Patient aufstehen und sagen 'Huch, was war denn los, bin nur umgefallen'. Die Feuerwehr kann nicht so schnell sein, selbst in Ballungsgebieten braucht sie acht bis neun Minuten, um vor Ort zu sein. Es können aber die schnell sein, die das beobachten."
    Bisher galt nur: Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte Reanimation vor allem mit Herzdruckmassage, wenn möglich auch Mund-zu-Mund-Beatmung. Letzteres wird heute nicht mehr als so wichtig angesehen. Wenn die Feuerwehr eingetroffen ist, versucht sie, den Patienten zu reanimieren, mit einem Defibrillator, kurz Defi. Aber oft kommen die Retter, wie gesagt, zu spät. Inzwischen gibt es jedoch handliche Defis für Laien, in der Fachwelt als AED abgekürzt, automatisierter externer Defibrillator.
    "Wir befinden uns hier im Ruderstützpunkt Berlin, wo die Leistungssportler trainieren, und wir haben hier im Foyer ein Defi installiert, damit wir hier auch gewappnet sind, wenn mal wirklich was passiert. Und das ist bei allen Anlagen vom Olympiastützpunkt inzwischen obligatorisch, dass diese Geräte da sind."
    Defis hängen mittlerweile an vielen Orten
    Mittlerweile hängen diese handlichen Defis an vielen Orten, wo sich zahlreiche Menschen aufhalten, etwa Sportvereine, Theater, Flughäfen, große Kaufhäuser oder Hotels. Der Geschäftsführer des Landesruderverbandes Berlin, Michael Helke, ist selbst auch kein Mediziner.
    "Es ist wirklich einfach zu handhaben. Also es ist selbsterklärend, man muss nicht technische Fähigkeiten haben, man muss eigentlich nur das beachten, was angesagt wird. Und es wird zusätzlich natürlich auch noch angezeigt auf dem Gerät."
    Der AED führt per Sprachanweisung genau durch alle notwendigen Schritte:
    "Achtung: Notruf veranlassen – gesamte Kleidung vom Brustkorb des Patienten entfernen. Roten Handgriff ziehen, um Verpackung zu öffnen und Klebeelektroden entnehmen. Beachten Sie die Abbildungen auf den Klebeelektroden."
    "Die Teile haben auch eine gewisse Toleranz, natürlich können Sie es nicht am Bauchnabel und an der Schulter ansetzen, aber es ist schon so, dass der Laie sofort sieht, wo die Elektroden aufgesetzt werden müssen."
    Kammerflimmern führt schnell zum Tod
    Ein Defi wird eingesetzt, wenn die Herzkammer "flimmert" Kammerflimmern heißt, dass die Erregung am Herzen nicht mehr funktioniert und die Herzmuskeln zittern. In der Folge kann das Herz weder Sauerstoff noch Blut in den Körper pumpen und der Kreislauf steht still. Es ist also kein Puls mehr fühlbar. Kammerflimmern führt innerhalb von Minuten zum Tod, wenn nicht eingegriffen wird – eben mit dem automatischen Defi.
    "Herzrhythmus wird ausgewertet. Bereit. Schock wird vorbereitet. Achtung: Jetzt darf niemand den Patienten berühren. Blinkende Taste drücken. Geräusche. Schock wurde abgegeben. 30 Herzmassagen und zwei Beatmungen abwechselnd durchführen."
    Nicht immer bringt der Defi den Patienten beim ersten Mal sofort wieder zurück. Natalie Engel ist Notfallausbilderin beim Arbeiter-Samariter-Bund Berlin.
    "Es ist so, dass, wenn der Schock abgegeben wurde und das Gerät analysiert hat, dass kein Rhythmus da ist, weiter reanimiert werden muss. Dann wird das Gerät von sich aus wieder sagen, weg vom Patienten, es wird eine neue Analyse durch führen und gegebenenfalls noch wieder einen neuen Schock freigeben."
    "Blinkende Taste drücken."
    Keine Vorkenntnisse zur Benutzung nötig
    Im Prinzip lässt sich der Laien-Defi ohne jegliche Vorkenntnisse benutzen. Natalie Engel bietet dennoch Einweisungen an.
    "Jeder, absolut jeder kann dieses Gerät benutzen, aber eine Schulung verleiht eben mehr Sicherheit, sodass man keine Angst vor irgendetwas mehr haben braucht, und dass man eben mal einem Beispiel auch sieht, wie der Gesamtablauf ist."
    Aber ist nicht doch die Nervosität groß, wenn man einen Bewusstlosen vor sich hat? Der Geschäftsführer des Ruderverbandes, Michael Helke.
    "Sicherlich ist jeder in der Notsituation aufgeregt. Aber Untersuchungen zeigen auch, dass die Leute instinktiv das Richtige tun. Das erleichtert das Gerät wirklich kolossal. Und wenn es darum geht, ob derjenige überleben kann oder nicht, dann würde ich sagen, lieber das Risiko eingehen, da nicht ganz genau zu arbeiten, als zu sagen: Na, der ist eben tot."
    Genau darum geht es tatsächlich: um Leben und Tod. Die Apparate erkennt man an einem meist grünen Schild mit weißem Herz und Blitzsymbol. Auch die Notruf-Leitstellen sagen am Telefon, wo man welche findet. Sogar Apps existieren mittlerweile, die anzeigen, wo sich ein Laien-Defi in der Nähe befindet.
    "Das ist ja der Sinn der Aktion, wo solche Geräte sind, dass ich da hingehen soll als Laie und sagen kann, Mensch hier hab ich die Chance, jemandem das Leben zu retten, da greife ich jetzt an die Wand und nehme das Teil, und die Geräte sind jedenfalls alle so gebaut, dass das funktioniert."
    Reanimation muss frühzeitig begonnen werden
    Und das lohnt sich bei den zahlreichen Herzstillständen, sagt Notfall-Ausbilderin Natalie Engel.
    "Eine ganz wichtige Sache dabei ist natürlich, dass sehr frühzeitig eine Reanimation begonnen wird.
    Dazu gehören primär die Basismaßnahmen, aber man hat herausgefunden, dass umso früher ein Defibrillator an den Patienten gebracht werden kann, auch die Erfolgsquote eine wesentlich höhere ist, als wenn man jetzt wartet, bis der Rettungsdienst eingetroffen ist."
    "Folgen Sie den Anweisungen des Gerätes. Achtung: Patienten nicht berühren."
    Eine verbreitete Angst bei Laien-Defis ist, dass man bei der Rettung selbst Schaden nimmt.
    "So generell nicht", sagt Natalie Engel. "Natürlich sollte man ein bisschen vorsichtig sein, wenn Wasser im Spiel ist, wenn man jemanden aus dem Wasser gezogen hat, der Brustkorb soll trocken sein, er sollte auch irgendwie auf trockenem festen Untergrund liegen, weil: Wasser leitet Strom, und dann könnte natürlich auch der Helfer etwas davon abbekommen, aber so generell muss man sich immer sagen: Schlechter kann es dem Patienten kaum noch gehen, es geht wirklich um Lebensrettung in dem Moment."
    Und sogar wenn man Strom abbekommt, ist das nicht bedrohlich – es sei denn, man leidet selbst an einer schweren Herzkrankheit. Aber kann man nicht doch viel falsch machen? Der Kardiologe Professor Andresen:
    "Also das Einzige, was Sie falsch machen können, ist gar nichts zu tun."
    Beim Geretteten schlägt die Pumpe durch die Defi-Hilfe jedenfalls meist wieder normal und ruhig. Und für den Helfer bleibt ein sehr schönes Gefühl.