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Odermennig

Der Odermennig zählte zu den wichtigsten Heilpflanzen im Mittelalter und war auch schon in der Antike bekannte. Er enthält in hohem Maße Gerbstoffe, Flavonoide, Bitterstoffe, die für die entzündungshemmende Wirkung verantwortlich gemacht werden.

Von Renate Rutta | 30.01.2018
    Ein Zweig der Kräuterpflanze Odermennig liegt neben einer historischen Darstellung der Heilpflanze in dem Buch "Gart der Gesundheit" von 1485 am 25.05.2016 in Mainz (Rheinland-Pfalz).
    Ein Zweig der Kräuterpflanze Odermennig liegt neben einer historischen Darstellung der Heilpflanze in dem Buch "Gart der Gesundheit" von 1485 (dpa)
    Ja, da stehen wir jetzt vor unserem Odermennig hier in unserem Garten der Gesundheit hier im Botanischen Garten in Mainz. Es ist eine krautige Pflanze aus der Familie der Rosengewächse mit geteilten, gefiederten Blättern, dazwischen kleine Einzelblättchen noch mal."
    Die Heilpflanze Odermennig kennt heute kaum noch jemand. Das war früher ganz anders, denn die Pflanze hat ein breites Wirkungsspektrum. Sie wurde über Jahrhunderte hinweg gegen Entzündungen, Verdauungsbeschwerden und Durchfallerkrankungen angewendet. Sie wächst an Wegrändern und auf trockenen Wiesen und war deshalb bei Bedarf leicht für jedermann verfügbar – fast ein Allheilmittel. Der Odermennig war unter vielen verschiedenen Namen bekannt wie beispielsweise Lebenskraut – und die Pflanze, die diesen Namen verdient, muss ja wohl einiges können!
    Außerdem trug sie die Bezeichnung Leberklee, wurde aber auch Schafklette oder Klettenkraut genannt. Diese beiden Namen deuten auf die ungewöhnliche Verbreitungsweise der Pflanze hin. Aus den gelben Blüten der Pflanze entwickeln sich nämlich Klettfrüchte, die auf dem Fell von Tieren hängenbleiben und so weiter transportiert werden und damit helfen, die Pflanze in weitem Umkreis zu verbreiten.
    Der Odermennig wächst auch im Botanischen Garten der Universität Mainz im Themengarten "Gart der Gesundheit". Auf einer Schautafel kann man einiges über Geschichte und Verwendung der Pflanze in früheren Zeiten erfahren. Dr. Ralf Omlor ist Kustos des Botanischen Gartens. Er zeigt auf die Pflanze.
    "Wenn man hier aus dem Beet ein Blatt nimmt und vergleicht das mit der Abbildung. Dann kann man diese Pflanze eindeutig identifizieren damit. Und diese naturgetreue Darstellung, die haben wir hier zum allerersten Mal im Buchdruck in diesem Werk."
    Gerbstoffe, Flavonoide, Bitterstoffe
    Das historische Buch "Gart der Gesundheit" Ist erstmals 1485 in Mainz erschienen. Es vereinte das Kräuterwissen des gesamten Mittelalters und präsentierte es erstmals in deutscher Sprache. Auch der Odermennig kommt darin vor. Auf der Schautafel im Themengarten ist als Nachbildung eine Seite mit der Heilpflanze aus diesem Buch zu sehen.
    "Der Odermennig ist, das muss man sagen, sehr vernachlässigt in der aktuellen Zeit. Nur wenige Menschen kennen ihn überhaupt noch. Und das ist sehr schade, wenn man bedenkt, dass es eine der wichtigsten Heilpflanzen über viele Jahrhunderte hinweg im Mittelalter war, auch schon in der Antike."
    So Dr. Madeleine Mai, Ärztin und Medizinhistorikerin am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Mainz. Verwendet wird das ganze Kraut des Odermennig außer der Wurzel. Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind in den blühenden Sprossspitzen sowie in den Blättern enthalten.
    "Der Odermennig enthält im hohen Maße Gerbstoffe, Flavonoide, Bitterstoffe, die für die entzündungshemmende Wirkung verantwortlich gemacht werden und natürlich auch die verdauungsfördernde Wirkung. Mit der entzündungshemmenden Wirkung, die auch schon damals beschrieben wurde, lässt sich das sehr gut erklären, dass es ja auch im Nasen-/ Rachenraum in einem frühen Stadium gegen Bakterien einsetzbar ist, z.B. für Sänger, die ihre Stimmbänder sehr beanspruchen müssen."
    Daher rührt die Bezeichnung "Sängerkraut" für den Odermennig. Explizit wird in der historischen Quelle auch das Stichwort "Bauchweh" genannt, gegen das er bis heute eingesetzt werden kann.
    "Auch das haben wir heute noch in der Indikationsstellung: Durchfall. Und als letzten Punkt, den ich noch hervorheben möchte, ist der Odermennig als harntreibend beschrieben in dem mittelalterlichen Kräuterbuch und das lässt sich zurückführen auf seine überhaupt verdauungsanregende, harntreibende Wirkung, die durch die Gerbstoffe verursacht wird."
    Auch Dr. Johannes Mayer vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg kennt Anwendungen des Odermennig aus früheren Jahrhunderten.
    Anwendung als Tee oder Gurgelwasser
    "Der Odermennig ist interessanterweise schon seit der Frühen Neuzeit dann auch bei Leber- und Gallenproblemen eingesetzt worden. Er hat sogar den deutschen Namen "Leberkraut" deswegen schon im 16. Jahrhundert bekommen und diese Anwendung findet sich sogar noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den verschiedensten Fachliteraturen."
    Der Odermennig wurde dazu in erster Linie als Tee zubereitet und getrunken.
    "Man hat mit dem Kraut einen Tee hergestellt, einen Leber-Tee. Außerdem kann man den Odermennig-Tee auch als Gurgelwasser bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut einsetzen. Das ist eine Anwendung, die auch heute noch wissenschaftlich anerkannt ist."
    Der Tee lässt sich einfach selbst herstellen.
    "Da braucht man zwei Teelöffel voll Odermennig-Kraut auf eine Tasse heißes Wasser, lässt es zehn Minuten ziehen und etwas abkühlen, damit man das gut gurgeln kann und macht dann eine Mundspülung. Man kann aber auch für äußere Anwendungen einen Tee zubereiten, den man dann dem Badewasser zugibt. Da braucht man natürlich wesentlich größere Mengen und kocht am besten in ein Liter Wasser das Kraut ab. Das ist auch für die Heilung von Wunden und für leichtere Hautprobleme kann man das einsetzen."
    Bis heute ist der Odermennig nach wie vor eine anerkannte Arzneipflanze – wenn auch eine recht wenig bekannte.