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Vasektomie

Bei einer Vasektomie werden die Samenleiter des Mannes durchtrennt, um ihn zeugungsunfähig zu machen. Es ist ein kleiner Eingriff, der für viele Männer aber größere Auswirkungen haben kann.

Von Justin Westhoff | 26.08.2014
    Paaren, die schon Nachwuchs haben oder überhaupt keine Kinder wollen, stellt sich die Frage: Wie können wir dauerhaft verhüten ohne die hormonelle Belastung durch die "Pille" und ohne Kondome, die oft als lästig empfunden werden? So kann die Entscheidung zur Vasektomie fallen, also zur Durchtrennung der Samenleiter, berichtet Christina Schneider, Ärztin bei "Pro Familia".
    "Die meisten Männer sagen, dass wirklich die Familienplanung abgeschlossen ist, und sie wollen die Verantwortung für die Verhütung übernehmen, also auch ihre Frauen entlasten, aber ich weiß nicht, ob die Männer das so sehr von sich aus sagen, aber das eher von der Frau so kommt: Eigentlich könntest Du Dich jetzt um das Thema Verhütung kümmern."
    Stefan Hinz, Leitender Oberarzt für Urologie in der Charité Berlin, hat ähnliche Erfahrungen:
    "Bei der Vasektomie wirken die Patienten, wenn sie kommen, eigentlich schon entschieden, das Problem ist, dass man trotzdem eine ausführliche Beratung durchführen muss. Weil prinzipiell die Vasektomie als endgültiger Eingriff angesehen wird."
    Auch wenn es sich nur um einen kleinen Eingriff handelt, sollten sich Männer schon genau überlegen, ob sie eine Sterilisation in Erwägung ziehen. Ist es wirklich ihr eigener Wunsch? Kommen vielleicht andere Verhütungsmethoden in Frage? Ist die Entscheidung einvernehmlich mit der Partnerin gefallen? Und vor allem: Kann nicht später doch wieder der Wunsch auftreten, eigene Kinder zu haben? Zum Urologen kommen durchaus auch Männer mit Anfang, Mitte 20 mit dem Wunsch nach einer Vasektomie.
    "Bei einem solchen Patienten, da hätte ich schon sehr, sehr große Skrupel beziehungsweise Probleme, ihm einen solchen Eingriff zu empfehlen. Klar, es gibt manchmal Gründe, warum das vielleicht doch gerechtfertigt ist, und dann kann man das auch diskutieren, weil letzten Endes muss es der Patient selbst entscheiden, ob ich es hundertprozentig verweigern würde, weiß ich gar nicht, aber ich würde ihm auf jeden Fall davon abraten."
    Ambulanter Eingriff
    Die Beraterin von "Pro Familia", Christina Schneider, geht in Nuancen anders mit dieser Frage um.
    "Der jüngste Mann, den ich beraten habe, der sich sterilisieren lassen wollte, war 28, hatte kein Kind gezeugt und war auch in keiner Partnerschaft. Das wäre für mich nicht so, dass ich ihm abraten würde, aber ich würde zumindest sagen: Es ist durchaus möglich, dass Sie sich in Ihrem Leben noch mal anders entscheiden."
    Es gibt viele Änderungen der Lebenssituation, die eine Umentscheidung bewirken können. Trennungen oder Scheidungen sind heutzutage alles andere als eine Ausnahme. Und was ist, wenn die Ehefrau gar stirbt? Es kann auch sein, dass ein Mann in jüngeren Jahren fest davon überzeugt ist, niemals Vater werden zu wollen. Vielleicht aber lernt er später eine Frau kennen, die unbedingt Kinder will - wer weiß, ob er dann nicht ihr zuliebe umdenkt. Das alles soll nun nicht bedeuten, das eine Sterilisation des Mannes keine sinnvolle Option zur Verhütung wäre, zumal sie recht unkompliziert ist, wie Dr. Stefan Hinz schildert:
    "Es ist ein sehr kleiner Eingriff, der meistens auch ambulant durchgeführt wird, er kann auch unter lokaler Betäubung durchgeführt werden, das heißt, man setzt ein Pieks auf beiden Seiten, weil ja beide Samenstränge durchgetrennt werden müssen, und dann kann man einen minimalen Schnitt setzen, um den Samenleiter freizulegen, durchtrennt ihn dann, knotet ihn auch zu mit einem Faden und versenkt ihn dann so, dass er nicht wieder zueinander finden kann. Weil: Wenn man ihn einfach nur durchtrennen würde, dann würde sich unter Umständen eine Rekanalisierung bilden. "
    Sprich: die Samenleiter könnten von alleine wieder zusammen wachsen. Nach dem Eingriff heißt es aber noch etwas warten, bis Kondome überflüssig werden:
    "Die Samenflüssigkeit wird ja in den Samenbläschen und in der Prostata produziert und kann noch Spermien tragen. Und deswegen empfehlen wir auf jeden Fall, weiterhin geschützten Geschlechtsverkehr durchzuführen, solange, bis wir in mindestens zwei Proben, circa vier Wochen oder sechs Wochen nach der Operation, keine Spermatozoen im Ejakulat mehr nachweisen können."
    Kaum Nebenwirkungen
    Die Nebenwirkungen der Vasektomie sind gering und selten:
    "Was auftreten kann als Komplikation ist eine Wundheilungsstörung, wie bei jeder Operation, weil man hat ja eine kleine Wunde, das ist auch die häufigste Komplikation, ansonsten kurzzeitige Schmerzen können auch auftreten im Bereich der Hoden, aber dauerhafte Schmerzen treten in der Regel nicht auf."
    Auch die Behauptung, die Durchtrennung der Samenleiter könne zu einer höheren Rate an Prostatakrebs führen, hat sich als falsch herausgestellt. Dennoch haben viele Männer große Bedenken, sagt Christina Schneider, die nicht nur Ärztin, sondern auch Psychotherapeutin ist.
    "Es scheint so zu sein, dass Männer größere Schwierigkeiten haben, einen operativen Eingriff an sich vornehmen zu lassen und natürlich auch an den - ich sag mal - besonders empfindlichen Teilen; und es gibt immer noch diese unterschwellige Angst, dass es nicht nur eine Sterilisation ist, sondern eine Kastration, also dass sie dann zum Beispiel Erektionsstörungen kriegen, und da kann ich dann beruhigen; natürlich kann es im Nachhinein zu Erektionsstörungen kommen, aber nicht aus körperlichen Gründen, sondern eher aus psychischen Gründen, dass er sich dann weniger als Mann fühlt."
    Offenbar ist es manchmal schwer, aus dem Kopf zu bekommen, dass die - ja gewollte - Zeugungsunfähigkeit nichts mit sexueller Potenz zu tun hat. Vor allem im Internet gibt es immer wieder Klagen über Befindlichkeitsstörungen von Männern, die sich haben sterilisieren lassen, ohne dass dies rein medizinisch nachvollziehbar wäre.
    "Was ich mir vorstellen kann, ist, dass vielleicht wirklich die Entscheidung zu dem Zeitpunkt stimmig war, als sie den Eingriff haben durchführen lassen und hinterher etwas in ihrer Lebenssituation verändert hat, also so meine Idee wäre eher, dass es eventuell schon ein psychisches Problem gegeben hat, was im Zusammenhang mit der Vasektomie dann möglicherweise an die Oberfläche kommt."
    Vasektomie kann rückgängig gemacht werden
    Und wenn Mann es bereut: Lässt sich die Durchtrennung der Samenleiter rückgängig machen? Inzwischen geht das ganz gut, sagt der Urologe Dr. Stefan Hinz:
    "Das ist ein Eingriff, der mikrochirurgisch von Urologen durchgeführt wird, sollte aber nur in speziellen Zentren dafür durchgeführt werden, weil: es braucht schon einige Erfahrung, und das führt zu einer sehr, sehr hohen Durchgängigkeitsrate tatsächlich, das heißt, man kann in einem Großteil der Patienten wieder Spermatozoen im Ejakulat nachweisen, aber die Schwangerschaftsraten sind trotzdem leider relativ gering."
    Als Messlatte für den Erfolg der wiederhergestellten Fruchtbarkeit ist die Rate an Schwangerschaften allerdings auch wenig geeignet, weil hier viele Faktoren zusammenspielen. Insgesamt aber: Wenn Sterilisation zur Verhütung infrage kommt, spricht viel dafür, dass der Mann sie vornehmen sollte, unter anderem, weil der Eingriff bei der Frau komplizierter und teurer ist. Apropos Kosten: Bis auf Ausnahmen werden sie von den Krankenkassen nicht übernommen.