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Rajoys Angst vor der Presse

Mariano Rajoy ist nicht der erste spanische Regierungschef, der die Auseinandersetzung mit Journalisten meidet. So hat es bisher keine Pressekonferenz gegeben, auf der er ausführlich zum Fall Bárcenas Stellung bezogen hätte. Jedoch ist auch die Presse selbst ist für die mangelhafte Kommunikation mitverantwortlich.

Von Hans-Günter Kellner | 25.07.2013
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy fühlt sich im Scheinwerferlicht sichtlich unwohl. Umfassende Antworten über den "Fall Bárcenas " ist er bislang schuldig geblieben. Carlos Cue ist politischer Korrespondent der Tageszeitung "El País", zuständig für die regierende Volkspartei. Er ist bei allen Terminen Rajoys zugegen, immer in der Hoffnung auf relevante Äußerungen:

    "Rajoy macht nichts außer dem unbedingt Notwendigen. Das sind die Pressekonferenzen bei den Besuchen ausländischer Staatschefs. Da muss er gerade mal zwei Fragen spanischer Journalisten beantworten. Das ist das Minimum, zu mehr Kommunikation ist Rajoy nicht bereit. Das geht so weit, dass er jetzt sogar seine traditionelle Pressekonferenz vor der Sommerpause abgesagt hat."

    Diese Pressekonferenz wäre für Journalisten die erste echte Gelegenheit gewesen, Rajoy ausführlich zum Skandal um Luis Bárcenas zu befragen. Zum Beispiel, warum Rajoy dem langjährigen Geschäftsführer der Volkspartei aufmunternde Kurznachrichten aufs Handy geschickt hat, als dessen geheimes Millionenvermögen in der Schweiz schon bekannt war. Oder wie die Volkspartei unter seinem Vorsitz mit Spenden von Bauunternehmen umgegangen ist. Doch statt vor Journalisten will Rajoy jetzt "seine Version" der Ereignisse im Parlament schildern. Das wird zwar seit Wochen gefordert. Doch Parlament statt Pressekonferenz - auch darin sieht Cue den Versuch, unbequemen Fragen aus dem Weg zu gehen:

    "Das Reglement im Parlament ist sehr regierungsfreundlich. Rajoy muss dort keine Antworten geben oder kann zusammenfassend antworten. Seine Redezeit ist nicht beschränkt. Bei einer Pressekonferenz, wie sie Angela Merkel letzte Woche vor der Sommerpause in Berlin abhielt, mit mehr als 100 Journalisten mit zig Fragen, fast alle zum selben Thema - da würde Rajoy sicher deutlich mehr Probleme bekommen als im Parlament. Dort müsste er zahlreiche Fragen zum Detail befürchten, dort würde es ihm schlicht zu ungemütlich."

    Es ist nicht das erste Ausweichmanöver Rajoys vor Journalisten. Besonders skurril erschien ein Auftritt, als Rajoy sich per Großbildschirm in den Pressesaal der Volkspartei schalten ließ. Die Journalisten konnten nur zusehen, wie er einige Stockwerke über ihnen eine Rede vor dem Parteivorstand zum Fall Bárcenas hielt. Fragen waren mal wieder nicht möglich. Doch Versuche, die Arbeit der Presse zu unterlaufen, gibt es in Spanien nicht erst seit Rajoy regiert. So ließ der sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero bei vielen seiner Pressekonferenzen keine Fragen zu. Und inzwischen bestehen spanische Politiker meist auf Treffen "off the records", über die also nicht berichtet werden darf.

    "Wir müssen da selbstkritisch sein. Wir, die Journalisten, sind dafür mitverantwortlich. Wir haben unsere Interessen nicht gemeinsam eingefordert, regelmäßige und lange Pressekonferenzen statt dieser Alibi-Veranstaltungen mit zwei Fragen. Die Möglichkeit, kritisch nachzufragen, ist wichtig für unsere Arbeit. Die Politiker haben uns geschickt gegeneinander ausgespielt und tun nur das Mindeste. Und es wird immer schlimmer."

    Auch Politologen bescheinigen den spanischen Medien, zu dieser Situation einiges beigetragen zu haben. Sie hätten Parallelwelten geschaffen, in denen konservative Medien konservative Politiker applaudierten und linke Medien Skandale bei linken Parteien stets herunterspielten. Es gebe kaum noch keine Schnittmenge zwischen diesen unterschiedlichen Welten, in der ein öffentlicher Dialog möglich wäre, meint Politikwissenschaftler Fernando Vallespín von der Ortega-y-Gasset-Stiftung:

    "Es gibt zwischen den Medien keinen Konsens, von den Politikern, egal von welcher Partei, bestimmte Grundregeln in der Kommunikation zu verlangen. Es kann doch nicht sein, dass man einen Politiker nicht zu einem Thema befragen kann, bei dem die Glaubwürdigkeit des politischen Systems infrage steht."

    Allerdings: Auch eine konservative Tageszeitung, "El Mundo", veröffentlicht Enthüllungen zum Fall Bárcenas. Der ehemalige Geschäftsführer spielt ihr immer wieder heikle Dokumente zu. Wenn ihm die eigenen Medien die Loyalität aufkündigen, werde sich Rajoy nicht lange im Amt halten können, meint Vallespín. Er empfiehlt:

    "Ein Rücktritt würde nicht nur bedeuten, dass Rajoy die Verantwortung für diesen einen Skandal übernimmt. Er würde ein Zeichen setzen, wie grundsätzlich mit solchen Skandalen umzugehen ist, auch bei den anderen Parteien. Das wäre etwas völlig Neues. Ein Rücktritt Rajoys könnte unser gesamtes politisches System erneuern. Bleibt er hingegen im Amt, wären die Konsequenzen nicht mehr zu überschauen. Die Leute haben diese Situation einfach satt."