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Spanischer Ministerpräsident Mariano Rajoy in Bedrängnis

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy wartet vergeblich auf eine offizielle Bestätigung seines Reformkurses. Zwar ziehen die Exporte an, trotzdem hat die spanische Zentralbank ihre Konjunkturprognose noch einmal verschlechtert. Zudem gibt es neue Nachrichten über Korruptionsskandale.

Von Hans-Günter Kellner | 04.04.2013
    Mitglieder der Protestbewegung gegen die Räumungsklagen protestieren vor der Privatwohnung eines konservativen Parlamentsabgeordneten in Madrid. Seit Wochen kommt es zu solchen Demonstrationen vor den Wohnungen konservativer Politiker. Der Grund: Die Parlamentsfraktion der regierenden Volkspartei will das Hypothekenrecht nicht so reformieren, wie die Protestierenden sich das wünschen. Regierungschef Mariano Rajoy dazu:

    "Niemand verdient es, bedroht zu werden. Und noch viel weniger, wenn der Grund für diese Drohungen ist, für die Volkspartei ins Parlament gewählt worden zu sein. Das ist ja offenbar ihre Schuld: Sie wurden von der Mehrheit der Spanier gewählt. Und die Mehrheit verdient es nicht, von einer Minderheit erpresst zu werden."
    Doch in den Umfragen schwindet der Rückhalt. Die harten Kürzungen an Schulen und Hochschulen, im Gesundheitssystem oder bei der Arbeitslosenunterstützung sind ebenso unpopulär wie die Milliardenhilfen für die Banken. Rajoy hatte darum gestern den erweiterten Parteivorstand zusammengerufen. 2014 werde es der Wirtschaft besser gehen, versprach er. Bis dahin müsse die Partei die Kritik ertragen.

    "Niemand in einem öffentlichen Amt darf erwarten, dass immer nur Gutes über ihn gesagt wird. Das ist unmöglich,"

    sagte Rajoy den eigenen Parteigängern. Denn während die Volkspartei nach außen geschlossen auftritt, nimmt intern die Nervosität angesichts der Umfragewerte zu. Vor allem der harte Sparkurs findet auch intern Kritiker. Das sagt Carlos Cue, Politikredakteur bei der Tageszeitung "El País" mit guten Kontakten in der Partei:

    "Beim Essen, am Abend, auf den Fluren sagen viele, dass Spanien bei den Kürzungen zu weit geht. Dass die Kürzungen zu einer noch viel größeren Rezession geführt haben, als man gedacht hatte. Mit brutalen sozialen Folgen. Rajoy sagt in diesen privaten Runden, dass er doch gemeinsam mit Frankreich und Italien gegenüber Deutschland auf eine Lockerung dieser Austeritätspolitik drängt. Aber bis zu den Wahlen in Deutschland sei da kaum was zu machen."

    Öffentlich äußert sich so jedoch kein Vorstandsmitglied und noch viel weniger der Vorsitzende selbst. Auch über die kleinen und großen Korruptionsskandale hat Rajoy gestern nichts Konkretes gesagt. Es sprach von Einzelfällen, gegen die die Partei alles unternehme. Darüber hinaus handele es sich um Verleumdungen.

    "Spanien ist weder das korrupteste Land der Welt noch sind alle Politiker korrupt. Wir gehen auch nicht wegen der Korruption unter. Die Ausnahmen repräsentieren nicht den Rest. Unkraut wächst überall. Es ist ausgesprochen ungerecht, die Vorstellung zu verbreiten, Spanien sei ein korruptes Land."

    Rajoy mag recht haben. Aber schon vor Wochen hat "El País" über eine mutmaßliche parallele Buchführung bei der Volkspartei - und über Schweizer Konten ihres langjährigen Geschäftsführers berichtet. Diese Woche tauchten auch noch einige Jahre alte Fotos eines konservativen Spitzenpolitikers an der Seite eines Drogenhändlers in der Zeitung auf. All das trübt die Stimmung, sagt Politikredakteur Cue:

    "Regionale Ministerpräsidenten der Volkspartei haben mir gesagt: 'Das bringt uns um!' Der Fall um eine mutmaßliche illegale Parteifinanzierung hat die Wähler sehr verärgert. Viele meinen darum, dass die Volkspartei in die Offensive gehen muss. Aber Rajoys Strategie ist immer noch, den ehemaligen Geschäftsführer nicht einmal zu erwähnen, Zeit vergehen zu lassen. Er ist überzeugt, dass die Spanier auch das irgendwann vergessen werden, dass man Gras darüber wachsen lassen soll."

    Die Journalisten konnten die Rede Rajoys vor dem erweiterten Vorstand nur auf einem großen Plasmabildschirm im Pressesaal des Parteisitzes verfolgen. Eine Pressekonferenz gab es nicht. "Tollpatschig" so bezeichnen viele politische Beobachter diese Kommunikationsstrategie. So auch Ignacio Escolar, Chefredakteur von eldiario.es, einer der renommiertesten spanischen Netzzeitungen:

    "Es ist völlig unverständlich, wie die Volkspartei dieses Bild zulassen kann: Journalisten machen sich in einem Pressesaal Notizen, während der Regierungschef auf einem Bildschirm zu ihnen spricht. Rajoy sagt lieber nichts, bevor er etwas Falsches sagt. Dabei betrifft ihn dieser Fall direkt. Er taucht in diesen Büchern des ehemaligen Geschäftsführers ja selbst auf. Die in dem Ermittlungsverfahren beschuldigten Personen hatten fast drei Jahrzehnte die Finanzen der Volkspartei unter ihrer Kontrolle. Und der Vorsitzende versteckt sich vor der Presse."