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Raketenschildpläne auf Eis

Der Direktor des "Aspen Instituts Berlin", Charles King Mallory, vermutet hinter dem vorläufigen Verzicht der US-Regierung auf ein Raketenabwehrsystem einen neuen Entspannungskurs gegenüber Russland. Auch die hohen Kosten für ein Raketenschild könnten entscheidend sein.

Charles King Mallory im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Ronald Reagan hat in den 80er-Jahren ein ehrgeiziges Ziel gehabt, aus dem Weltraum heraus Raketen abzuschießen. Der Krieg der Sterne war heiß umstritten. Dann kam die kleinere Ausgabe von George W. Bush. Er hatte Pläne, in Polen und Tschechien Raketen- und Radaranlagen zu installieren. Von dort aus sollten dann anfliegende Raketen, zum Beispiel aus dem Iran, abgefangen werden können. Jetzt hat US-Präsident Obama die Raketenabwehrpläne bis auf Weiteres gestoppt. In Berlin begrüße ich den Direktor des "Aspen Instituts", Charles King Mallory. Guten Tag, Mister Mallory!

    Charles King Mallory: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Warum, glauben Sie, legt Obama die Raketenabwehrpläne auf Eis?

    Mallory: Es kann eine Reihe von verschiedenen Gründen geben, in erster Reihe natürlich die Spannungen, die deswegen zustande gekommen sind mit Moskau, aber es kann auch damit zu tun haben, dass diese Stationierung nicht die optimale ist für ein nationales System, und damit zu tun haben, dass aus geostrategischen Überlegungen es vielleicht längerfristig mehr in Amerikas Nationalinteresse wäre, eine Annäherung mit Iran zu haben.

    Meurer: Warum, Herr Mallory, glauben Sie - oder glaubt Obama -, war das System nicht optimal?

    Mallory: Das "Aspen Institut" hat einen Workshop in Washington durchgeführt vor einigen Monaten. Wir hatten Experten zur ballistischen Abwehr da. Und laut diesen Experten ist das System, was in Polen und der Tschechischen Republik aufgebaut wird, nur eine Teillösung und dann eher für eine nationale Verteidigung von den Vereinigten Staaten als für Europa. Und außerdem haben sie gesagt, dass es eine sogenannte goldene Ellipse gibt, wo die optimale Stationierung der Systeme wäre.

    Meurer: Eine goldene Ellipse, was ist das, was ist damit gemeint?

    Mallory: Die goldene Ellipse ist ein Bereich im Raum Dänemark. Das ist eigentlich der optimale Punkt für Abschusseinrichtungen für eine nationale Verteidigung.

    Meurer: Könnte man doch jetzt die Station in Dänemark aufbauen?

    Mallory: Ja, also, es kann sein, dass das noch kommt. Ich glaube es nicht. Ich glaube, es liegt eher daran, dass man eine Entspannung mit Moskau haben möchte, und dass man vielleicht auch sich überlegt hat, dass, wenn man gute Verhältnisse mit Iran hat, dann öffnet man einen Weg nach Süden für Ölressourcen aus Zentralasien, die sonst über Russland vielleicht liefen müssten.

    Meurer: Spielt auch eine Rolle, Mister Mallory, dass die Raketenabwehr zu teuer geworden wäre?

    Mallory: Das hatte bestimmt etwas damit zu tun, im Moment, wo man über Gesundheitsreformen redet, die in einer 800-Milliarden-Höhe sind und große Verschuldungen mit sich bringen.

    Meurer: Wie werden Ihrer Ansicht nach die Republikaner in den USA im Kongress auf die Entscheidung reagieren?

    Mallory: Einige Stimmen haben wir schon gehört, zum Beispiel Eric Edelman, der ehemalige Staatssekretär im Außenministerium, der bezweifelt hat, dass irgendwas sich wirklich wesentlich geändert hat, seitdem er zum letzten Mal die Nachrichteninformationen gesehen hat. Die werden diese Entscheidung natürlich infrage stellen. Es liegt letztendlich daran, wie hoch man die Bedrohung von Iran einschätzt.

    Meurer: Das Verhältnis zu Polen scheint jetzt auch belastet. Der frühere Staatspräsident Polens, Lech Walesa, wird zitiert, die Amerikaner haben sich immer nur um ihre Interessen gekümmert und alle anderen ausgenutzt. Sind die Polen ausgenutzt worden?

    Mallory: Es ist eine gute Frage, wer nutzt wen aus in diesem Fall, weil: Die Polen haben natürlich Druck auf Amerika ausgeübt zur Zeit des Abkommens über diese Stationierung, um Amerika dazu zu zwingen, ein nationales Luftraumabwehrsystem für sie aufzubauen. Und sie wollten auch amerikanische Truppen auf ihrem Boden haben, als so eine Sicherheit gegen Revanchismus von der russischen Seite. Aber es gilt immer der Spruch, den ich im Nahen Osten gehört habe: Es ist eigentlich besser, die Vereinigten Staaten manchmal als einen Feind zu haben, weil da kann man sich dann mindestens darauf verlassen, aber als Alliierter sind sie total unberechenbar.

    Meurer: Gilt das auch für das Verhältnis zu Deutschland?

    Mallory: Ich glaube nicht. Wir haben eine lange Zusammenarbeit hinter uns und haben auch viele, viele Bereiche auf unserer Agenda, wo wir miteinander zusammenarbeiten, und gemeinsame Interessen.

    Meurer: Schönen Dank! - Das war Charles King Mallory, der Direktor des "Aspen Instituts" in Berlin, zur Entscheidung von US-Präsident Obama, die Raketenabwehrpläne auf Eis zu legen. Danke und auf Wiederhören, Herr Mallory.

    Mallory: Danke sehr.