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Ramadan an Berliner Schulen
Keine Ausnahmen für fastende Schüler

Das Fasten im Ramadan sorgt an Berliner Schulen für Probleme. Die Schule dürfe darunter nicht leiden, sagen Rektoren und Lehrer im Berliner Stadtteil Neukölln. Doch Eltern muslimischer Schüler wünschen sich mehr Verständnis. Ihre Kinder versuchen irgendwie, den Glauben mit dem Schulalltag in Einklang bringen.

Von Claudia van Laak | 20.06.2017
    Muslimische Schülerin schreibt beim Unterricht an einer Berliner Gesamtschule mit.
    An Schulen im Berliner Stadtteil Neukölln gibt es viele muslimische Schüler, die im Ramadan fasten. (imago / Gerhard Leber)
    Es ist 21.30 Uhr, die Sonne geht unter. Mit Datteln und einem Schluck Wasser brechen die Gläubigen im Haus der Weisheit das Fasten. Im Frauenraum sitzen Mütter mit ihren Kindern auf dem mit farbenfrohen Teppichen belegten Fußboden. Erst beten sie gemeinsam, dann wird aufgetischt: gelbe Linsensuppe, bunter Salat, Brot, Joghurt, Reis mit Huhn. Die zehnjährige Malak will am liebsten vier Wochen lang fasten, doch das haben ihr die Eltern verboten. "Ich will auch so mutig sein wie die Großen", sagt sie bestimmt und fügt hinzu: "Ich möchte auch mal, wenn wir Schule haben fasten. Aber ich darf nicht, deshalb faste ich nur am Wochenende."
    Pflicht für gläubige Muslime
    Im Ramadan fasten ist eine Pflicht für gläubige Moslems, allerdings erst nach der Pubertät. Kinder können langsam an das Fasten herangeführt werden. Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey bemerkt allerdings, dass es immer mehr auch streng fastende Kinder gibt – das macht ihr Sorgen: "Es ist natürlich auch eine Gruppendynamik dabei. Je mehr Kinder damit anfangen, auch dann die Diskussion losgeht: Du nicht? Was machst du? Bist du eigentlich ein guter Moslem? Das nimmt zu." Und die Fastenden werden immer jünger.
    Deshalb hat der Bezirk in diesem Jahr erstmals eine Reihe von Empfehlungen abgegeben. Eine gesundheitliche Gefährdung des Kindes ist nicht im Sinne des Islam, heißt es dort. Oder auch: Fasten ist kein Freischein, um schulische Pflichten, wie zum Beispiel den Sportunterricht zu umgehen. Von zwanzig Moscheevereinen in Neukölln tragen nur drei diese Empfehlungen mit. Indirekt wirft die SPD-Politikerin den Moscheevereinen mangelnde Kooperation in dieser Frage vor. Diese fühlen sich ihrerseits bevormundet, pochen auf die durch das Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit.
    Empfehlungen aus Neukölln an Eltern
    "Der Umgang miteinander ist wichtig. Und der Ton macht die Musik, ja", sagt Abdallah Hajjir, Sozialpädagoge, Bauingenieur und Imam im Haus der Weisheit. Diese Moschee liegt im Berliner Stadtteil Moabit. Die Empfehlungen aus Neukölln kennt der Imam bislang nur vom Hörensagen, jetzt blättert er interessiert in dem Papier, nickt. "Ich könnte das unterschreiben", sagt der 59-Jährige: "Es ist verrückt, wenn ein Elternhaus ein sieben- oder achtjähriges Kind zwingt." Abdallah Hajjir wirbt um Gespräche zwischen Lehrern, Eltern und fastenden Jugendlichen – und zwar, bevor der Ramadan beginnt.
    Leistung bringen
    Widerspruch von kommt Michael Rudolph, dem Leiter der Friedrich-Bergius-Schule, einer Schule mit vielen Migranten: "Der Schüler muss sehen, dass er seine Leistung erbringt. Und er muss sehen, dass er seine religiöse Überzeugung und die Leistungsfähigkeit in irgendeiner Form in Übereinstimmung bringt. Das ist einzig und allein seine Privatsache." So sieht es auch Ahmad. Wenn der gläubige muslimische Schüler eine Prüfung während des Ramadans hat, unterbricht er sein Fasten: "Ich habe es bisher so gemacht, dass ich mir den Tag zum Fasten freigenommen und danach einfach nachgefastet habe. Das kann man im Islam."
    Fastende Schülerinnen und Schüler im Ramadan anders behandeln als die anderen – ist das eine ungerechte Bevorzugung der Muslime? Oder schlicht Rücksichtnahme auf die Besonderheiten einer Religion? Für den Bezirk Neukölln mit seinen achtzig verschiedenen Religionsgemeinschaften gilt: Wir können nicht für jeden eine Ausnahme machen, sonst kommt kein geregelter Unterricht zustande. Der Leiter der Friedrich-Bergius-Schule Michael Rudolph sieht das genauso. Er wünscht sich für das nächste Jahr eine landesweite Berliner Regelung.