Randzio-Plath: Guten Tag.
Heinlein: Eine Ohrfeige aus Luxemburg für die Finanzminister. Freut es Sie als Europaabgeordnete oder haben Sie Mitleid mit Hans Eichel für die Ohrfeige aus Brüssel?
Randzio-Plath: Ich war erst mal für eine institutionelle Klarheit und der europäische Gerichtshof hat die Klarheit geschaffen, dass eben das ruhende Defizitverfahren nicht angeordnet werden konnte, weil die Finanzminister nicht auf Empfehlung, eine neue Empfehlung der Kommission beschlossen haben. Im Grunde genommen muss man sagen, der europäische Gerichtshof hat auf der einen Seite der Kommission Recht gegeben, dass ihr Initiativrecht verletzt worden ist, aber auf der anderen Seite hat die Kommission nicht Recht bekommen in dem Fall, dass die Entscheidungen mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbar sind. Insofern muss man wirklich ganz genau das Urteil studieren, um zu wissen, welche Handlungsmöglichkeiten in Zukunft gegeben sind, wenn also die Kommission eine Empfehlung macht und die Finanzminister mit Mehrheit beschließen. Daran gibt es keine Änderungen und keinen Zweifel, dass die Finanzminister mit Mehrheit beschließen müssen auf Empfehlung der Kommission.
Heinlein: Konnten Sie sich schon Klarheit verschaffen, was dieses Urteil jetzt bedeutet für die Zukunft des Stabilitätspaktes?
Randzio-Plath: Das ist jetzt an der Kommission zu handeln, um zu sehen, ob die Kommission die alte Empfehlung abändert im Bezug auf neue Fristen, denn das wäre ja eine Möglichkeit der Handhabung und dabei könnte natürlich auch der Kommission die Debatte in den letzten Monaten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu Hilfe kommen. Zum einen geht es ja darum, dass man den auch innerhalb des Prozesses von Europa sehen muss zu einem nachhaltigen Wachstum und Vollbeschäftigung zu kommen, zum anderen muss man auch sehen: man kann nicht die Grundzüge der Wirtschaftspolitik auf der einen Seite als Instrument haben und einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, der im letzten Teil seinen Namen nicht verdient. Von daher ist es wahrscheinlich richtig, den Weg zu gehen, außergewöhnliche Umstände so zu interpretieren, dass eben eine lange Zeit von wirtschaftlicher Stagnation und schwächster Konjunkturentwicklung dazu genutzt werden können, tatsächlich andere Fristen für Länder auch zu bemessen, als es die Kommission bisher getan hat.
Heinlein: Erwarten Sie, dass es jetzt unmittelbar Konsequenzen geben wird für Berlin oder Paris?
Randzio-Plath: Dass jetzt direkt mit Sanktionen gedroht werden wird, sehe ich nicht, denn dieses Urteil muss wirklich gründlich studiert werden, auch im Verhältnis der Institutionen zusammen und in keiner Weise ist ja die Rolle der Finanzminister berührt, tatsächlich noch entscheiden zu müssen über die Empfehlung der Kommission.
Heinlein: Aber die Kommission muss zumindest den Defizitsündern nun neue Sparvorschläge und Fristen vorschlagen.
Randzio-Plath: Sie könnte jetzt so reagieren und eine solche veränderte Empfehlung auf den Tisch legen.
Heinlein: Unterm Strich: Die Zeit des fröhlichen Schuldenmachens ist vorbei. Es gibt diese Zwangsregelungen der Kommission, die dann letztendlich sagen kann: mehr Schulden geht nicht.
Randzio-Plath: Wissen Sie, 'fröhliches Schuldenmachen' war niemals die Devise der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Wir haben doch immer gesagt, wir wollen nicht nur die Preisstabilität, sondern wir wollen auch solide Finanzen in der EU. Man muss nur auch eine Flexibilität bei der Definition dieser soliden Finanzen haben, denn was nützt mir ein ausgeglichener Haushalt, wenn mir 22 Millionen Arbeitsplätze in der EU fehlen?
Heinlein: Aber die Kommission kann jetzt bestimmen, wie groß diese Flexibilität sein darf und die Finanzminister müssen sich an diese Vorgaben der Kommission halten, verstehe ich das Urteil so richtig?
Randzio-Plath: Sie können die Empfehlung der Kommission ja ablehnen, dann muss die Kommission eine neue vorlegen.
Heinlein: Also das Wechselspiel zwischen Kommission und Ministerrat geht weiter?
Randzio-Plath: Ja.
Heinlein: Da ändert dieses Urteil nichts?
Randzio-Plath: Nein. Weil das Kräfteverhältnis hier ganz klar geklärt ist, aber die Kommission ist bestärkt in ihrer Rolle als Motor der Integration, als Hüterin der Verträge, weil ihr Initiativrecht vom europäischen Rat auch im Bezug auf die Empfehlungen unterstrichen worden ist.
Heinlein: Dieses Urteil fällt ja in eine Zeit, in der grundsätzlich über eine Reform des Stabilitätspakts geredet wird. Können Sie schon erkennen, welche Folgen dieses Urteil für diese Debatte unmittelbar hat?
Randzio-Plath: Es hat keine Folge dafür, weil wirklich politisch entschieden werden muss, welchen Weg man in Zukunft gehen wird und dabei spielt natürlich dann auch eine Rolle, wie weit die EU sich eine Wirtschaftsregierung geben wird und Maßnahmen ergreifen, die eben zu diesem nachhaltigen Wachstum, das beschäftigungswirksam ist, auch ergreift, die über die bisherigen Maßnahmen hinausgehen und wie sich die verschiedenen Akteure in ökonomischen Rahmenbedingungen verhalten und dazu zählt natürlich dann auch die europäische Zentralbank.
Heinlein: Hans Eichel hat bisher heute Vormittag noch nicht reagiert. Was würden Sie ihm aus europäischer Sicht raten, wie sollte er sich jetzt verhalten?
Randzio-Plath: Ich halte es für richtig, dass die niederländische Ratspräsidentschaft dieses Urteil für alle Finanzminister kommentieren muss, weil ja kein einzelnes Land hier verklagt worden ist, kein einzelner Finanzminister dem Streit beigetreten ist, sondern es ist eine Auseinandersetzung zwischen dem europäischen Finanzministerrat und der europäischen Kommission. Das heißt also, die Finanzminister müssen hier auch gemeinschaftlich eine Position finden, über die sie dann mit der Kommission verhandeln.
Heinlein: Die deutsche Opposition sieht das anders und hat nun unmittelbar heute Vormittag gefordert, diese Ohrfeige für Hans Eichel wäre so kräftig, dass er nun zurücktreten müsse.
Randzio-Plath: Dies ist keine Ohrfeige für Herrn Eichel sondern ein Verfahren, das das institutionelle Kräftegleichgewicht zwischen dem Rat und der Kommission herausstellt.
Heinlein: Die bisherige Vorsitzende des Währungs- und Finanzausschusses des europäischen Parlaments, Christa Randzio-Plath, SPD. Ich danke für das Gespräch, auf Wiederhören.
Randzio-Plath: Danke, auf Wiederhören.
Heinlein: Eine Ohrfeige aus Luxemburg für die Finanzminister. Freut es Sie als Europaabgeordnete oder haben Sie Mitleid mit Hans Eichel für die Ohrfeige aus Brüssel?
Randzio-Plath: Ich war erst mal für eine institutionelle Klarheit und der europäische Gerichtshof hat die Klarheit geschaffen, dass eben das ruhende Defizitverfahren nicht angeordnet werden konnte, weil die Finanzminister nicht auf Empfehlung, eine neue Empfehlung der Kommission beschlossen haben. Im Grunde genommen muss man sagen, der europäische Gerichtshof hat auf der einen Seite der Kommission Recht gegeben, dass ihr Initiativrecht verletzt worden ist, aber auf der anderen Seite hat die Kommission nicht Recht bekommen in dem Fall, dass die Entscheidungen mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbar sind. Insofern muss man wirklich ganz genau das Urteil studieren, um zu wissen, welche Handlungsmöglichkeiten in Zukunft gegeben sind, wenn also die Kommission eine Empfehlung macht und die Finanzminister mit Mehrheit beschließen. Daran gibt es keine Änderungen und keinen Zweifel, dass die Finanzminister mit Mehrheit beschließen müssen auf Empfehlung der Kommission.
Heinlein: Konnten Sie sich schon Klarheit verschaffen, was dieses Urteil jetzt bedeutet für die Zukunft des Stabilitätspaktes?
Randzio-Plath: Das ist jetzt an der Kommission zu handeln, um zu sehen, ob die Kommission die alte Empfehlung abändert im Bezug auf neue Fristen, denn das wäre ja eine Möglichkeit der Handhabung und dabei könnte natürlich auch der Kommission die Debatte in den letzten Monaten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu Hilfe kommen. Zum einen geht es ja darum, dass man den auch innerhalb des Prozesses von Europa sehen muss zu einem nachhaltigen Wachstum und Vollbeschäftigung zu kommen, zum anderen muss man auch sehen: man kann nicht die Grundzüge der Wirtschaftspolitik auf der einen Seite als Instrument haben und einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, der im letzten Teil seinen Namen nicht verdient. Von daher ist es wahrscheinlich richtig, den Weg zu gehen, außergewöhnliche Umstände so zu interpretieren, dass eben eine lange Zeit von wirtschaftlicher Stagnation und schwächster Konjunkturentwicklung dazu genutzt werden können, tatsächlich andere Fristen für Länder auch zu bemessen, als es die Kommission bisher getan hat.
Heinlein: Erwarten Sie, dass es jetzt unmittelbar Konsequenzen geben wird für Berlin oder Paris?
Randzio-Plath: Dass jetzt direkt mit Sanktionen gedroht werden wird, sehe ich nicht, denn dieses Urteil muss wirklich gründlich studiert werden, auch im Verhältnis der Institutionen zusammen und in keiner Weise ist ja die Rolle der Finanzminister berührt, tatsächlich noch entscheiden zu müssen über die Empfehlung der Kommission.
Heinlein: Aber die Kommission muss zumindest den Defizitsündern nun neue Sparvorschläge und Fristen vorschlagen.
Randzio-Plath: Sie könnte jetzt so reagieren und eine solche veränderte Empfehlung auf den Tisch legen.
Heinlein: Unterm Strich: Die Zeit des fröhlichen Schuldenmachens ist vorbei. Es gibt diese Zwangsregelungen der Kommission, die dann letztendlich sagen kann: mehr Schulden geht nicht.
Randzio-Plath: Wissen Sie, 'fröhliches Schuldenmachen' war niemals die Devise der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Wir haben doch immer gesagt, wir wollen nicht nur die Preisstabilität, sondern wir wollen auch solide Finanzen in der EU. Man muss nur auch eine Flexibilität bei der Definition dieser soliden Finanzen haben, denn was nützt mir ein ausgeglichener Haushalt, wenn mir 22 Millionen Arbeitsplätze in der EU fehlen?
Heinlein: Aber die Kommission kann jetzt bestimmen, wie groß diese Flexibilität sein darf und die Finanzminister müssen sich an diese Vorgaben der Kommission halten, verstehe ich das Urteil so richtig?
Randzio-Plath: Sie können die Empfehlung der Kommission ja ablehnen, dann muss die Kommission eine neue vorlegen.
Heinlein: Also das Wechselspiel zwischen Kommission und Ministerrat geht weiter?
Randzio-Plath: Ja.
Heinlein: Da ändert dieses Urteil nichts?
Randzio-Plath: Nein. Weil das Kräfteverhältnis hier ganz klar geklärt ist, aber die Kommission ist bestärkt in ihrer Rolle als Motor der Integration, als Hüterin der Verträge, weil ihr Initiativrecht vom europäischen Rat auch im Bezug auf die Empfehlungen unterstrichen worden ist.
Heinlein: Dieses Urteil fällt ja in eine Zeit, in der grundsätzlich über eine Reform des Stabilitätspakts geredet wird. Können Sie schon erkennen, welche Folgen dieses Urteil für diese Debatte unmittelbar hat?
Randzio-Plath: Es hat keine Folge dafür, weil wirklich politisch entschieden werden muss, welchen Weg man in Zukunft gehen wird und dabei spielt natürlich dann auch eine Rolle, wie weit die EU sich eine Wirtschaftsregierung geben wird und Maßnahmen ergreifen, die eben zu diesem nachhaltigen Wachstum, das beschäftigungswirksam ist, auch ergreift, die über die bisherigen Maßnahmen hinausgehen und wie sich die verschiedenen Akteure in ökonomischen Rahmenbedingungen verhalten und dazu zählt natürlich dann auch die europäische Zentralbank.
Heinlein: Hans Eichel hat bisher heute Vormittag noch nicht reagiert. Was würden Sie ihm aus europäischer Sicht raten, wie sollte er sich jetzt verhalten?
Randzio-Plath: Ich halte es für richtig, dass die niederländische Ratspräsidentschaft dieses Urteil für alle Finanzminister kommentieren muss, weil ja kein einzelnes Land hier verklagt worden ist, kein einzelner Finanzminister dem Streit beigetreten ist, sondern es ist eine Auseinandersetzung zwischen dem europäischen Finanzministerrat und der europäischen Kommission. Das heißt also, die Finanzminister müssen hier auch gemeinschaftlich eine Position finden, über die sie dann mit der Kommission verhandeln.
Heinlein: Die deutsche Opposition sieht das anders und hat nun unmittelbar heute Vormittag gefordert, diese Ohrfeige für Hans Eichel wäre so kräftig, dass er nun zurücktreten müsse.
Randzio-Plath: Dies ist keine Ohrfeige für Herrn Eichel sondern ein Verfahren, das das institutionelle Kräftegleichgewicht zwischen dem Rat und der Kommission herausstellt.
Heinlein: Die bisherige Vorsitzende des Währungs- und Finanzausschusses des europäischen Parlaments, Christa Randzio-Plath, SPD. Ich danke für das Gespräch, auf Wiederhören.
Randzio-Plath: Danke, auf Wiederhören.