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Rasendes Zusammenspiel

Auf ihrem ersten Album nimmt sich das schwäbische Ensemble l'Ornamento Triosonaten von Telemann, Händel und Fasch vor. Die Musiker, die sich vor zehn Jahren bei dem Wettbewerb "Jugend musiziert" zusammenfanden, sind zu einer eingespielten Gruppe geworden..

Von Rainer Baumgärtner | 01.04.2013
    Vor Kurzem ist bei der Ars Produktion die erste CD des ‚Ensemble l’Ornamento’ erschienen, das bereits seit dem Jahr 2001 existiert und schon kurz nach seiner Gründung über die Landesgrenzen hinaus auf sich aufmerksam machte. Die CD kommt schlicht und mit einer Prise Understatement daher: Auf dem Coverfoto stehen die vier l’Ornamento-Musikerinnen und -Musiker schwarz gekleidet im farbigen Laub eines Herbstwaldes. Die Veröffentlichung trägt keinen Titel, lediglich die Komponistennamen ‚Telemann / Händel / Fasch’ deuten auf ihren Inhalt hin. Zu hören sind mehrheitlich Triosonaten dieser Barockkomponisten mit Blockflöte und Violine als Hauptinstrumente.

    Georg Philipp Telemann: Triosonate für Blockflöte, Diskantgambe und Basso continuo g-Moll, TWV 42:g9: 4. Allegro

    Noch als Teenager taten sich 2001 vier Musiker aus der schwäbischen Provinz zusammen, um beim Wettbewerb "Jugend musiziert" Barockmusik aufzuführen. Die Geigerin Katharina Heutjer, der Cellist Jonathan Pešek und der Pianist und Cembalist Sebastian Wienand hatten bereits als Klaviertrio Erfolge gefeiert, nun kam noch Katharinas jüngere Schwester Juliane mit ihrer Blockflöte hinzu. Der Name, den sie ihrem Ensemble gaben, sollte Programm sein: l’Ornamento, die Verzierung, sollte die Lust der Musiker am musikalischen Experimentieren symbolisieren, aber auch ihre neu gewonnene Freiheit vom Diktat des Notentextes ausdrücken, wie sie es im romantischen Repertoire empfanden.
    Nachdem sich das Quartett beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" (mit Höchstpunktzahl) sowie auch beim ‚Deutschen Musikwettbewerb’ durchgesetzt hatte, folgte 2003 ein Paukenschlag auf internationaler Bühne: Beim renommierten Alte-Musik-Wettbewerb im flämischen Brügge gewann l’Ornamento den ersten Preis sowie den Publikumspreis. Nicht nur hier waren die Zuhörer begeistert von der enormen Spielfreude und der Ausstrahlung der jungen Musiker, die so blendend miteinander harmonierten.

    In der Folgezeit absolvierten sie eine große Anzahl an Konzerten und häufig wurden sie dabei von Veranstaltern wie Besuchern gefragt, ob man eine CD von l’Ornamento kaufen könne. Bis vor Kurzem mussten die Ensemblemitglieder diese Frage stets verneinen. Nach einem missglückten ersten Studiobesuch — die Aufnahme war aus technischen Gründen nicht verwertbar — scheiterten weitere Angebote für eine Produktion vor allem an Terminproblemen. Die Musiker studierten und versuchten sich danach individuell in der Alte-Musik-Szene zu etablieren — was inzwischen allen gelungen ist. Nun, fast zehn Jahre nach dem denkwürdigen Auftritt in Brügge, haben sie mit ihrem Ensemble doch noch eine kommerzielle Aufnahme vorgelegt — und weitere sollen folgen. Viele der Stücke auf der CD kennen die Musiker in- und auswendig, denn l’Ornamento hat sie von Anfang an im Repertoire. Dazu zählt auch eine a-Moll-Triosonate von Georg Philipp Telemann.

    Georg Philipp Telemann: Triosonate für Blockflöte, Violine und Basso continuo a-Moll, TWV 42:a4: 4. Allegro

    Das Ensemble l’Ornamento ist stets zweigleisig gefahren. Einerseits führt es Originalkompositionen auf, wobei das Repertoire für die Instrumentenkombination Violine und Blockflöte mit Continuo begrenzt ist, andererseits stehen Bearbeitungen auf dem Programm bzw. Werke, für die keine Besetzung vorgeschrieben ist. Hier sind es vor allem frühbarocke Stücke, gerne mit Basso ostinato, die l’Ornamento in feurig-virtuoser Weise darbietet. Eine derartige Stilmischung hielten die Musiker aber auf einer CD für ungeeignet und deshalb beschränkten sie sich beim Programm ihrer Debüt-CD auf hochbarocke Werke von Händel, Telemann und Johann Friedrich Fasch. Das sind zwar bekannte Namen, aber beim Faktor Originalität schneidet die Platte dennoch ganz gut ab — die Zahl konkurrierender Einspielungen ist schon deshalb nicht sehr hoch, weil Interpreten speziell bei Telemann aus vielen Kammermusikwerken auswählen können.

    Die CD wird eindeutig vom Klang der Blockflöte beherrscht, wobei die schnellen Sätze beim ersten Hören herausragen. Es gibt aber auch die andere Seite, denn bei einigen Stücken sind drei Oboe, Diskantgambe und Fagott spielende Freundinnen des Ensembles als Gäste mit dabei. Und zu den besonders gut gelungenen Sätzen der Aufnahme zählt auch der von Katharina Heutjer interpretierte langsame Kopfsatz von Georg Friedrich Händels Violinsonate op. 1 No. 13.

    Georg Friedrich Händel: Sonate für Violine und Basso continuo D-Dur, op. 1 No. 13 (HWV 371): 1. Affettuoso

    Man hört der Debüt-CD des Ensemble l’Ornamento an, wie vertraut die Mitglieder miteinander sind. Auch wird deutlich, dass aus den begeisterten Teenagern, die sich einst der Alten Musik zuwandten, nach gut zehn Jahren gestandene Musikerprofis geworden sind. Die schwäbischen Musiker, die inzwischen in der Mehrzahl in der Schweiz wohnen, spielen akkurat und machen sich die Sonaten, die sie eingespielt haben, ganz zueigen. An der einen oder anderen Stelle könnte man sich durchaus noch ein wenig mehr Lust am Experimentieren vorstellen, das sich das Ensemble ja mit seinem Namen auf die Fahnen geschrieben hat. Dennoch schimmert immer wieder die Spielfreude durch, mit der l’Ornamento in seinen Konzertauftritten oft zu begeistern weiß — beispielsweise in Telemanns Triosonate F-Dur für zwei Blockflöten und Basso continuo. Katharina Heutjer hat hier ihre Geige gegen eine Altblockflöte getauscht und spielt im Duo mit ihrer Schwester Juliane. Im Basso continuo übernimmt die Gast-Fagottistin Mélanie Flahaut eine tragende Rolle.

    Georg Philipp Telemann: Triosonate für zwei Blockflöten und Basso continuo F-Dur, TWV 42:F7: 2. Allegro

    Für eine Aufnahme vornehmlich mit Kammermusik weist die in einer kleinen Pfarrkirche im Schweizer Kanton Solothurn aufgenommene CD des Ensembles l’Ornamento vielleicht etwas viel Raumakustik auf. Unbeschadet davon haben die Musiker mit ihrem so lange erwarteten Platten-Debüt eine eindrucksvolle Visitenkarte ihres Könnens abgeliefert.

    Im Anschluss an ein kleines Konzert und fünf Sonaten haben sie am Ende der CD als ‚Rausschmeißer’ ein ganz ungewöhnliches Stück platziert. Es handelt sich dabei um die Arie der Armida "Vo’ far guerra—Ich werde den Kampf beginnen" aus der Oper ‚Rinaldo’ von Georg Friedrich Händel. Händels Kollege William Babell arrangierte diese Arie für Cembalo, wobei er auch die Cembalo-Zwischenspiele berücksichtigt hat, die Händel dazu improvisierte. Ursprünglich war es also eine Kombination aus Arie und Cembalokonzert! L’Ornamento hat die Bearbeitung und das Original miteinander verknüpft, wobei die Blockflöte die Rolle der Sängerin übernimmt…

    Georg Friedrich Händel/William Babell/l’Ornamento: Vo’ far guerra (Aria der Armida aus: Rinaldo HWV 7, 2. Akt) in Instrumentalbearbeitung

    Mit einem Ausschnitt aus der Instrumentalbearbeitung der Arie "Vo’ far guerra" von Georg Friedrich Händel ging die Sendung ‚Die Neue Platte’ im Deutschlandfunk zu Ende. Das Ensemble l’Ornamento hat dieses Arrangement an das Ende seiner Debüt-CD gesetzt. Diese Aufnahme mit Werken von Telemann, Händel und Fasch ist vor kurzem bei der Ars Produktion erschienen, die in Deutschland von NOTE 1 vertrieben wird.

    Musik:
    Ensemble l’Ornamento: Telemann│Händel│Fasch
    Ars Produktion ARS 38 136 (LC 06900)

    Mehr zum Thema:
    Das Ensemble l'Ornamento zum Anhören