Christian Schütte: Neben der Grünen-Chefin Claudia Roth wird ein Stuhl frei. Reinhard Bütikofer hatte vor längerer Zeit bekannt gegeben, dass er ausscheiden wird als Parteivorsitzender. Auf einem Parteitag im November in Erfurt will die Partei über dessen Nachfolger entscheiden. Wer das Amt innerhalb der Doppelspitze bei den Grünen übernehmen wird, das wird sich wohl im Juni herausstellen. Der Flügel der Realos oder Reformer darf den Kandidaten benennen. Von einem Führungsstreit ist inzwischen die Rede.
Einer der Kandidaten ist der Europaabgeordnete Cem Özdemir. Ein anderer möglicher Bewerber der Fraktionschef der Berliner Grünen Volker Ratzmann und er ist nun am Telefon. Schönen guten Morgen!
Volker Ratzmann: Schönen guten Morgen!
Schütte: Herr Ratzmann, ich vermute Sie kennen das Kinderspiel "mein rechter, rechter Platz ist frei". Was meinen Sie, wen wünscht sich wohl Frau Roth herbei? Sie oder Herrn Özdemir?
Ratzmann: Ich glaube das müssten Sie schon mit Frau Roth selbst klären, wen sie denn am liebsten an ihrer Seite hat. Aber ich glaube es geht auch gar nicht darum, wen Claudia Roth sich auf diesen Stuhl wünscht, sondern es geht darum, denjenigen zu finden, der im Interesse der Partei diese Position am besten ausfüllt.
Schütte: Treten Sie denn an als Kandidat?
Ratzmann: Ich habe mir vorgenommen, noch einige Gespräche im Juni zu führen, weil diese Position wirklich nur gut und im Sinne der Partei ausgeführt werden kann, wenn diejenigen, die bisher und weiterhin die Geschicke der Partei mit lenken, auch hinter dem Kandidaten stehen, der das machen soll. Dazu bedarf es noch einiger Gespräche. Die werde ich führen und werde dann im Laufe des Monats entscheiden und bekannt geben, ob ich kandidiere oder nicht.
Schütte: Sie sind gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene. In Berlin arbeiten Sie eng mit CDU und FDP zusammen. Und trotzdem haben Sie in Ihrem Realo-Parteiflügel wenig Rückhalt. Warum?
Ratzmann: Ich glaube das hat ein bisschen was mit der Ebene zu tun, auf der ich bisher Politik gemacht habe, nämlich auf der Landesebene. Diejenigen, die da jetzt mit im Rennen sind, also Cem, und auch diejenigen, die im Gespräch waren, waren in diesem Kreis, in dem Reformerkreis auf Bundesebene mehr verankert als ich. Daher kommt glaube ich die Unsicherheit und das, was jetzt zu den Diskussionen führt, wer das am besten ausfüllen kann.
Schütte: Einen guten Draht haben Sie zur Bundestagsfraktionschefin Renate Künast. Die hat sich für Ihre Kandidatur ausgesprochen. Nur in der Partei fürchten nun manche, Frau Künast unterstützt Sie nur deshalb, um den eigenen Einfluss zu vergrößern. Hätte Frau Künast also besser geschwiegen?
Ratzmann: Ich habe das als eine sehr wohlwollende und eine sehr aufmunternde Unterstützung empfunden und ich glaube es ist legitim, dass diejenigen, die in der Führung der Partei weiterhin Verantwortung übernehmen, sich auch äußern zu dieser Frage, und es ist glaube ich ein legitimes Interesse von jemand, der die Partei führt - egal an welcher Stelle -, auch mit zu äußern, wen er sich auf dieser Position wünscht.
Schütte: Bündnis 90/Die Grünen sind nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung programmatisch eher nach links gerutscht. Lässt sich das anders deuten als ein Zeichen für die Schwäche Ihres reformpolitischen Flügels?
Ratzmann: Nein, das glaube ich nicht. Es wird in der nächsten Zeit darauf ankommen - und da sage ich mal auch flügelübergreifend -, grüne Politik zu machen, ein Stückchen weit auch das aufzubrechen, was sich bisher in den Flügeln strukturiert hat. Es wird darum gehen, unsere Position in der bundesdeutschen politischen Landschaft zu festigen. Diese Republik braucht die Grünen. Das haben wir auch in den letzten 25 Jahren gesehen. Wir müssen unser Politikangebot klar formulieren, damit die Menschen auch wissen: es muss Veränderung geben. Und wir sind auch die Partei, die dieser Veränderung eine Richtung geben kann, die soziale Gerechtigkeit nicht aus den Augen verliert und die diese Republik auf die Herausforderungen, die jetzt weiter auf uns zukommen, gerade im Energiebereich, auch aufstellt und Antworten gibt auf die Fragen, die da kommen.
Schütte: Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Zum Beispiel den Beschluss aus der Basis, das ISAF-Mandat für Afghanistan zu beenden. Ein weiteres Beispiel: die Idee eines Grundeinkommens für jeden Bürger. Das ist nur knapp abgelehnt worden in der Partei. Wie geht das alles zusammen mit dem Willen, den Sie ja auch gerade bekundet haben, eine realistische Bundespolitik zu gestalten?
Ratzmann: Die Fragen sind doch die Fragen, die auch in der Gesellschaft da sind. Die Verunsicherung ist groß und ich glaube das spiegelt sich auch ein Stückchen weit natürlich in einer Partei wie der Grünen wieder. Aber wir haben auf dem Nürnberger Parteitag eine klare Position bezogen, dass wir die Grundsicherung favorisieren, dass wir die Institutionen, die dieses Land hat, stärken wollen, damit sie soziale Sicherheit garantieren. Das ist die Ausrichtung, die wir genommen haben. Die gilt es weiter zu entwickeln und ich bin da zuversichtlich, dass wir in diesem sich etablierenden Fünf-Parteien-System auch weiterhin die Stimme sein werden, die die Veränderung nach vorne bringt und die die Menschen auch ermuntert, diese Veränderung mitzugehen, weil das der einzige Weg ist, den wir gehen können, um uns den Herausforderungen der Globalisierung, dessen, was da auf uns zukommt, auch wirklich stellen zu können.
Schütte: Sie haben das Stichwort "flügelübergreifend" ins Spiel gebracht. Bleiben wir einfach ein bisschen dabei und nehmen noch mal das Bild vom Anfang auf: ein Stuhl für das linke, einer für das rechte Lager. Sind das noch zeitgemäße Unterscheidungen? Welchen Sinn hat eine Doppelspitze überhaupt noch bei den Grünen?
Ratzmann: Wir sind mit der Doppelspitze immer wirklich gut gefahren, und zwar nicht nur in der Repräsentanz unterschiedlicher inhaltlicher Positionen, sondern wir haben ja auch immer dafür gesorgt damit, dass mindestens eine Frau an der Spitze der Partei ist. Das ist gut! Wir sind diejenige Partei, die auch deutlich gemacht hat, dass wir die Frauen in der Politik fördern wollen, dass das auch gut ist für das politische Klima in diesem Land. Das repräsentieren wir weiter mit der Doppelspitze. Ich halte da sehr viel von, weil sie auch die Lebendigkeit eines Parteiorganismus zeigt, und das brauchen wir, um auch in dieser Situation weiter nach vorne gehen zu können.
Schütte: Aber wäre es im Sinne einer überzeugenden Außenwirkung nicht sinnvoller, wenn die Grünen sich mit einer Stimme profilierten und dann vielleicht mit der Stimme einer Frau?
Ratzmann: Ich glaube, dass die Außenwirkung immer von den Personen abhängt, die das Amt repräsentieren, und nicht so sehr davon, wie das Amt oder die Spitze selbst strukturiert ist.
Schütte: Herr Ratzmann, Deutschland und Frankreich haben sich gestern darauf verständigt, den Schadstoffausstoß bei Neuwagen ab 2012 auf 120 Gramm Kohlendioxid zu begrenzen. Ist das aus realpolitischer Sicht der Grünen ein akzeptabler Kompromiss?
Ratzmann: Es ist ein Anfang, würde ich sagen. Wir sehen doch jetzt gerade an der aktuellen Diskussion um die Energiepreise, dass wir endlich Riesen-, Riesenschritte machen müssen, um von den fossilen Brennstoffen wegzukommen, die Innovation nach vorne zu treiben und den Menschen die Möglichkeit anzubieten, dass sie mit Energie einsparenden Modellen das, was sie im Alltag leisten müssen, Mobilität, Flexibilität, auch weiter hinkriegen. Und das wird nur gehen, wenn wir weiter ehrgeizige Ziele haben und auf diesem Weg nach vorne gehen. Da ist die Industrie gefragt und die Politik, ihr auch Grenzen zu setzen, das was an technologischen Möglichkeiten vorhanden ist auszuprobieren, anzubieten, um weiter nach vorne zu gehen. Das brauchen wir alle!
Schütte: Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und wo möglich Kandidat für das Amt des Parteichefs. Ich danke für das Gespräch.
Ratzmann: Gerne!
Einer der Kandidaten ist der Europaabgeordnete Cem Özdemir. Ein anderer möglicher Bewerber der Fraktionschef der Berliner Grünen Volker Ratzmann und er ist nun am Telefon. Schönen guten Morgen!
Volker Ratzmann: Schönen guten Morgen!
Schütte: Herr Ratzmann, ich vermute Sie kennen das Kinderspiel "mein rechter, rechter Platz ist frei". Was meinen Sie, wen wünscht sich wohl Frau Roth herbei? Sie oder Herrn Özdemir?
Ratzmann: Ich glaube das müssten Sie schon mit Frau Roth selbst klären, wen sie denn am liebsten an ihrer Seite hat. Aber ich glaube es geht auch gar nicht darum, wen Claudia Roth sich auf diesen Stuhl wünscht, sondern es geht darum, denjenigen zu finden, der im Interesse der Partei diese Position am besten ausfüllt.
Schütte: Treten Sie denn an als Kandidat?
Ratzmann: Ich habe mir vorgenommen, noch einige Gespräche im Juni zu führen, weil diese Position wirklich nur gut und im Sinne der Partei ausgeführt werden kann, wenn diejenigen, die bisher und weiterhin die Geschicke der Partei mit lenken, auch hinter dem Kandidaten stehen, der das machen soll. Dazu bedarf es noch einiger Gespräche. Die werde ich führen und werde dann im Laufe des Monats entscheiden und bekannt geben, ob ich kandidiere oder nicht.
Schütte: Sie sind gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene. In Berlin arbeiten Sie eng mit CDU und FDP zusammen. Und trotzdem haben Sie in Ihrem Realo-Parteiflügel wenig Rückhalt. Warum?
Ratzmann: Ich glaube das hat ein bisschen was mit der Ebene zu tun, auf der ich bisher Politik gemacht habe, nämlich auf der Landesebene. Diejenigen, die da jetzt mit im Rennen sind, also Cem, und auch diejenigen, die im Gespräch waren, waren in diesem Kreis, in dem Reformerkreis auf Bundesebene mehr verankert als ich. Daher kommt glaube ich die Unsicherheit und das, was jetzt zu den Diskussionen führt, wer das am besten ausfüllen kann.
Schütte: Einen guten Draht haben Sie zur Bundestagsfraktionschefin Renate Künast. Die hat sich für Ihre Kandidatur ausgesprochen. Nur in der Partei fürchten nun manche, Frau Künast unterstützt Sie nur deshalb, um den eigenen Einfluss zu vergrößern. Hätte Frau Künast also besser geschwiegen?
Ratzmann: Ich habe das als eine sehr wohlwollende und eine sehr aufmunternde Unterstützung empfunden und ich glaube es ist legitim, dass diejenigen, die in der Führung der Partei weiterhin Verantwortung übernehmen, sich auch äußern zu dieser Frage, und es ist glaube ich ein legitimes Interesse von jemand, der die Partei führt - egal an welcher Stelle -, auch mit zu äußern, wen er sich auf dieser Position wünscht.
Schütte: Bündnis 90/Die Grünen sind nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung programmatisch eher nach links gerutscht. Lässt sich das anders deuten als ein Zeichen für die Schwäche Ihres reformpolitischen Flügels?
Ratzmann: Nein, das glaube ich nicht. Es wird in der nächsten Zeit darauf ankommen - und da sage ich mal auch flügelübergreifend -, grüne Politik zu machen, ein Stückchen weit auch das aufzubrechen, was sich bisher in den Flügeln strukturiert hat. Es wird darum gehen, unsere Position in der bundesdeutschen politischen Landschaft zu festigen. Diese Republik braucht die Grünen. Das haben wir auch in den letzten 25 Jahren gesehen. Wir müssen unser Politikangebot klar formulieren, damit die Menschen auch wissen: es muss Veränderung geben. Und wir sind auch die Partei, die dieser Veränderung eine Richtung geben kann, die soziale Gerechtigkeit nicht aus den Augen verliert und die diese Republik auf die Herausforderungen, die jetzt weiter auf uns zukommen, gerade im Energiebereich, auch aufstellt und Antworten gibt auf die Fragen, die da kommen.
Schütte: Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Zum Beispiel den Beschluss aus der Basis, das ISAF-Mandat für Afghanistan zu beenden. Ein weiteres Beispiel: die Idee eines Grundeinkommens für jeden Bürger. Das ist nur knapp abgelehnt worden in der Partei. Wie geht das alles zusammen mit dem Willen, den Sie ja auch gerade bekundet haben, eine realistische Bundespolitik zu gestalten?
Ratzmann: Die Fragen sind doch die Fragen, die auch in der Gesellschaft da sind. Die Verunsicherung ist groß und ich glaube das spiegelt sich auch ein Stückchen weit natürlich in einer Partei wie der Grünen wieder. Aber wir haben auf dem Nürnberger Parteitag eine klare Position bezogen, dass wir die Grundsicherung favorisieren, dass wir die Institutionen, die dieses Land hat, stärken wollen, damit sie soziale Sicherheit garantieren. Das ist die Ausrichtung, die wir genommen haben. Die gilt es weiter zu entwickeln und ich bin da zuversichtlich, dass wir in diesem sich etablierenden Fünf-Parteien-System auch weiterhin die Stimme sein werden, die die Veränderung nach vorne bringt und die die Menschen auch ermuntert, diese Veränderung mitzugehen, weil das der einzige Weg ist, den wir gehen können, um uns den Herausforderungen der Globalisierung, dessen, was da auf uns zukommt, auch wirklich stellen zu können.
Schütte: Sie haben das Stichwort "flügelübergreifend" ins Spiel gebracht. Bleiben wir einfach ein bisschen dabei und nehmen noch mal das Bild vom Anfang auf: ein Stuhl für das linke, einer für das rechte Lager. Sind das noch zeitgemäße Unterscheidungen? Welchen Sinn hat eine Doppelspitze überhaupt noch bei den Grünen?
Ratzmann: Wir sind mit der Doppelspitze immer wirklich gut gefahren, und zwar nicht nur in der Repräsentanz unterschiedlicher inhaltlicher Positionen, sondern wir haben ja auch immer dafür gesorgt damit, dass mindestens eine Frau an der Spitze der Partei ist. Das ist gut! Wir sind diejenige Partei, die auch deutlich gemacht hat, dass wir die Frauen in der Politik fördern wollen, dass das auch gut ist für das politische Klima in diesem Land. Das repräsentieren wir weiter mit der Doppelspitze. Ich halte da sehr viel von, weil sie auch die Lebendigkeit eines Parteiorganismus zeigt, und das brauchen wir, um auch in dieser Situation weiter nach vorne gehen zu können.
Schütte: Aber wäre es im Sinne einer überzeugenden Außenwirkung nicht sinnvoller, wenn die Grünen sich mit einer Stimme profilierten und dann vielleicht mit der Stimme einer Frau?
Ratzmann: Ich glaube, dass die Außenwirkung immer von den Personen abhängt, die das Amt repräsentieren, und nicht so sehr davon, wie das Amt oder die Spitze selbst strukturiert ist.
Schütte: Herr Ratzmann, Deutschland und Frankreich haben sich gestern darauf verständigt, den Schadstoffausstoß bei Neuwagen ab 2012 auf 120 Gramm Kohlendioxid zu begrenzen. Ist das aus realpolitischer Sicht der Grünen ein akzeptabler Kompromiss?
Ratzmann: Es ist ein Anfang, würde ich sagen. Wir sehen doch jetzt gerade an der aktuellen Diskussion um die Energiepreise, dass wir endlich Riesen-, Riesenschritte machen müssen, um von den fossilen Brennstoffen wegzukommen, die Innovation nach vorne zu treiben und den Menschen die Möglichkeit anzubieten, dass sie mit Energie einsparenden Modellen das, was sie im Alltag leisten müssen, Mobilität, Flexibilität, auch weiter hinkriegen. Und das wird nur gehen, wenn wir weiter ehrgeizige Ziele haben und auf diesem Weg nach vorne gehen. Da ist die Industrie gefragt und die Politik, ihr auch Grenzen zu setzen, das was an technologischen Möglichkeiten vorhanden ist auszuprobieren, anzubieten, um weiter nach vorne zu gehen. Das brauchen wir alle!
Schütte: Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und wo möglich Kandidat für das Amt des Parteichefs. Ich danke für das Gespräch.
Ratzmann: Gerne!