Donnerstag, 02. Mai 2024

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Raubkunst zu den Akten?

Die deutsch-russische Beutekunstfrage schläft seit Wochen und Monaten einen Dornröschen-Schlaf . Nichts tut sich mehr: Die Bundesrepublik scheint stillschweigend jenes nach internationalem Völkerrecht rechtswidrige Gesetz der Moskauer Duma akzeptiert zu haben, nach dem alle Kulturgüter, die nach dem Krieg in Richtung Osten verschleppt wurden, rechtmäßiges russisches Eigentum sind - und für immer bleiben werden. Der Prinz, der diesen Dornröschen-Schlaf gern beenden würde, soll nun nicht zu Wort kommen: Eine für das kommende Wochenende geplante Fachtagung in Weimar wurde abgesetzt - möglicherweise auf Druck von ziemlich weit oben.

Olaf Werner, Juraprofessor in Jena im Gespräch | 11.10.2004
    Stefan Koldehoff: Eigentlich wollte der in Jena lehrende Juraprofessor Olaf Werner am kommenden Wochenende auf einer Tagung der Friedrich Naumann-Stiftung eine Idee diskutieren lassen, die die deutsch-russische Beutekunstfrage wenn nicht lösen, so doch ein entscheidendes Stück weiterbringen könnte. Im Streit um jene Kulturgüter, die am Kriegsende von sowjetischen Soldaten in ihre Heimat verschleppt wurden, bewegt sich nämlich schon seit Monaten gar nichts mehr. Das russische Parlament hat die Kunstwerke zu russischem Eigentum erklärt und Deutschland vermag dagegen nichts auszurichten. Die Tagung allerdings wurde jetzt abgesagt, weil plötzlich viele Referenten ihre Teilnahme zurückgezogen haben. Was für eine Idee hätten Sie vorstellen wollen?

    Olaf Werner: Wir sind festgefahren mit der Rückführung der Beutekunst und hier haben wir am Wochenende mal all die Institutionen, die sich damit beschäftigen, sowohl vom Bund wie Betroffene von Museen, wollten uns zusammensetzen und jeder sollte vortragen, was seine Aufgaben sind - wir haben ja eine vom Bund eingesetzte Institution - was ist bisher erreicht, wo sind Defizite und das eben auch sehen von den Nutznießern, wo wir die Defizite erfahren haben. Dann hatten wir Anwälte, die bei der Rückführung ihre Probleme hatten und dort Defizite sahen, um dann zu überlegen, wie wir diese Defizite ausgleichen können, damit wir dieses Problem zeitnah lösen können. Und da wäre eben auch das von mir vorgeschlagene Stiftungsmodell zur Debatte gekommen. Ob das eine Lösung ist, die sich genauso der Kritik gestellt hätte und es wäre mir ganz lieb gewesen, wenn man etwas besseres gefunden hätte, um dann zu wissen, wie wir weitergehen.

    Koldehoff: Stiftungsmodell bedeutet, beide Länder einigen sich auf eine gemeinsame Stiftung, die dann was hätte tun sollen?

    Werner: Die Russen sagen, wir sind Eigentümer, die Deutschen auch. Damit ist es festgefahren und da habe ich vorgeschlagen, wir nehmen eine deutsch-russische Stiftung, wo beide sozusagen es vereinigen, ohne das Gesicht zu verlieren. Denn beide können ja sagen: wir geben unser Eigentum da rein und diese Stiftung wäre paritätisch besetzt von russischer und deutscher Seite und man würde zunächst mal auflisten, was da ist, ist noch was echt, wie ist es gelagert. Dann hätte es soweit möglich die Rückführung an die Eigentümer herbeigeführt. Also kein eigenes Museum, nur bei einigen Gegenständen. Die Russen sagten also, das Schliemanngold ist zu spektakulär, das hätten wir nicht so ohne weiteres zurückgeben können, das würde dann an Ort und Stelle stehen, dann stünde nur dran, Dauerleihgabe der deutsch-russischen Stiftung für Kultur, bis man da auch eine Einigung gefunden hat.

    Koldehoff: Interessanterweise hatte ja für die Tagung auch ein Vertreter der russischen Regierung zugesagt. Heißt das, man wäre bereit gewesen?

    Werner: Ja, sogar mit offizieller Mitteilung, dass er auch ermächtigt wäre, die russische Sicht offiziell darzustellen. Das ist ja das Eigenartige, dass die Russen mitmachen und die Deutschen nicht.

    Koldehoff: Umso unverständlicher die Tatsache der Absage. Warum ist die Tagung jetzt abgesagt worden?

    Werner: Wir haben abgesagt, nachdem wir zunächst mal… das Ministerium Walch hat ja von vornherein gesagt uns passt das nicht und hat abgesagt. Das ist eine Sache, die wir entscheiden müssen. Es ist zwar traurig, aber es ist so. Die wollen das auf längere Sicht machen, sagen, es eilt nicht so, das sollen spätere Generationen machen. Dann kam jetzt kurzfristig die Absage von den Institutionen, die vom Bund beauftragt sind, die gerade sagen mussten, was haben wir zu tun, was geschafft und wo klemmt es. Die haben abgesagt, so dass wir eigentlich nur noch die Nutzer hatten, aber nicht mehr diejenigen, die im Auftrag des Bundes tätig sind.

    Koldehoff: Vermuten Sie politischen Druck dahinter?

    Werner: Ich habe nur die offizielle Absage aus Termingründen, von Leuten, die den Termin kannten und zugesagt hatten, dann schweige ich. Ich muss mich daran halten, was mir mitgeteilt wird, plötzlich kurzfristig ein anderer Termin und damit war die Veranstaltung eigentlich ihres Zweckes beraubt.

    Koldehoff: Das bedeutet, dass zunächst mal nichts weitergehen wird. Was haben Sie für eine Erklärung dafür, welche Interessen stecken dahinter?

    Werner: Ich habe den Eindruck, dass man nicht möchte, dass es von außen angetrieben wird. Wir erleben das ja sehr oft, wenn Stiftungen oder Privatpersonen tätig werden, dass man doch sehr zurückhaltend ist gegen ein zusätzliches Engagement, das nicht von der offiziellen politischen Seite kommt.

    Koldehoff: Sie haben gerade gesagt, dass nicht mehr diese Generation, sondern möglicherweise eine künftige das Problem lösen soll. Ist das so gesagt worden?

    Werner: Ja.

    Koldehoff: Von wem?

    Werner: Von Mitarbeiten des Ministeriums, mit dem ich gesprochen habe über diese Teilnahme an der Tagung.

    Koldehoff: Es ist also nicht so, dass man nichts machen kann, man will auch im Moment in dieser Frage nichts machen?

    Werner: Man möchte mehr im Stillen. Ich kann das auch verstehen, dass man sagt, wir arbeiten weiter, wollen es aber nicht forcieren. Es ist eine sehr heikle Sache, wir wollen da sehr vorsichtig sein. Habe ich auch Verständnis für, nur - und das ist auch eine Befürchtung, die das Ministerium zurecht hat - wir müssen aufpassen, dass wir keine vollendeten Tatsachen schaffen und das befürchtet man bei diesem Stiftungsmodell, aber dieses will ja gerade die Rechte durchsetzen, während wir zur Zeit mit Rückkauf und wenn man nur mal gelegentlich mit bittebitte etwas zurückbekommt, ist die Anerkennung der russischen Position viel größer, als wenn man sagt, das sind die Rechtslagen und die muss man jetzt klarstellen, dass wir sie irgendwie zusammenführen. So weit sind wir vom Ziel nicht auseinander, nur bei uns ist das Ziel, dass wir sagen, dass wir so diplomatisch den Knoten durchhauen wollen und nicht auf Rechtspositionen verharren und wir wollen es jetzt lösen und es nicht späteren Generationen überlassen, denn, so sagten mir die Russen schon bei der ersten Tagung in Moskau, wir haben nicht mehr viel Zeit, vieles ist dann nicht mehr vorhanden.

    Koldehoff: Was bedeutet das?

    Werner: Teilweise ist es gut gelagert, teilweise aber sehr schlecht und dadurch könnte es verloren gehen. Zweitens ist es kein Geheimnis, dass man auch einen schwarzen Kunstmarkt hat, worüber man vieles erwerben kann.