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Raumfahrtexperte bezeichnet Shuttle-Flug als Erfolg

Der Raumfahrtexperte Harro Zimmer hat den Flug des Space Shuttles "Discovery" als Erfolg gewertet. Allerdings bleibe der NASA bis zum nächsten Shuttle-Flug am 23. September nicht mehr genug Zeit, um die offenbar noch vorhandenen Probleme mit dem externen Tank in den Griff zu bekommen. Man könne die Shuttle-Flotte allerdings auch nicht einfach still legen, da die Internationale Raumstation ISS auf die Versorgung durch die Space Shuttles angewiesen sei.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Freude also über die Rückkehr der Astronauten, aber noch viele Fragen. Einige davon möchte ich jetzt Harro Zimmer stellen. Er ist Raumfahrtexperte, Journalist. Er hat alle Höhen und Tiefen der Shuttle-Geschichte hautnah erlebt, auch die Katastrophen von Challenger und zuletzt Columbia. Ja, Herr Zimmer hatten Sie denn gestern große Sorge, dass die Landung der Discovery schief gehen konnte?

    Harro Zimmer: Eigentlich nicht. Denn die Discovery war ja das im Flug am Besten inspizierte Fahrzeug aller Shuttle-Missionen, und da ja nach dem Abdocken und auch schon vorher keinerlei Beschädigung an der Hülle der Discovery sichtbar war, nicht an den Hitzeschildern und dergleichen mehr, bis auf ein kleines Fetzchen unterhalb eines Kabinenfensters, konnte man eigentlich von einer sicheren Landung ausgehen. Aber man hatte natürlich trotzdem immer ein ungutes Gefühl. Denn in Gedanken flog die Columbia-Katastrophe vom 1. Februar 2003 immer mit.

    Thoma: Gestern haben ja alle von einer Bilderbuchlandung gesprochen, sogar die Journalisten, die ja sonst vor allem von den vielen Pannen und Problemen berichtet haben. Während ja die NASA den Discovery-Flug als Riesenerfolg gefeiert hat. Wer hat denn da eigentlich ein Wahrnehmungsproblem?

    Zimmer: Naja, es ist ja tatsächlich so, dass die NASA diese Mission natürlich bewusst etwas hochgezogen hat. Sie stand ja unter mächtigem Druck. Da gab es einmal die Untersuchungskommission, die die Columbia-Katastrophe im Detail analysiert hat und der NASA an und für sich genaue Vorgaben gegeben hat, was denn alles zu modifizieren sei. Zum anderen konnte die NASA aber nicht alle Forderungen erfüllen, und hat gesagt: mit dem was wir erreicht haben, können wir einen sicheren Flug garantieren. Es ist klar, der Fokus der Öffentlichkeit lag natürlich auf dieser Mission. Die Medien sind entsprechend mitgezogen. Und eigentlich hat für meine Begriffe die NASA auch nicht viel dazu getan die Stimmung etwas zu dämpfen, sie etwas zu kanalisieren. Das haben dann doch nur einzelne Leute vom Fach gemacht, die davon etwas verstanden, seien es Astronauten oder Kenner der Szene. Die NASA selbst hat für meine Begriffe die Spannung auch ein bisschen künstlich hoch gehalten.

    Thoma: Was würden Sie denn sagen: War es ein Erfolg oder eine Pleite, oder irgendwas mitten drin?

    Zimmer: Nein, ich würde schon sagen, es war ein Erfolg. Das kann man schon sagen. Einmal hat man gezeigt, dass diese nachträglichen Einbauten in der Discovery, die ja auch alle anderen Raumfähren bekommen werden, die Möglichkeit also mit Außenbordkameras mit einem speziellen Greifarm ein solches Raumschiff im Detail zu inspizieren, was ja vorher nicht möglich war. Das ist eine signifikante Verbesserung. Auch die improvisierte Aktion des Astronauten Steve Robinson - unten am Bauch gewissermaßen der Discovery - diese beiden Stückchen Dichtungsfuge zu entfernen, auch das zeigt, dass man bei Außenbordaktivitäten sehr flexibel sein kann. Ich würde sagen die NASA kann diesen Flug schon als Erfolg verbuchen, aber eben als Erfolg nur bis zur Landung, denn jetzt beginnen die eigentlichen Probleme.

    Thoma: Ja, und auf der anderen Seite hat die NASA ja auch gesagt: keine Starts mehr, bevor nicht sichergestellt ist, dass dabei nicht wieder irgendwelche Teile abfallen oder schwer beschädigt werden. Ist denn das zu klären, bis zum 22. September wo Atlantis mit dem deutschen Thomas Reiter starten soll?

    Zimmer: Das meinte ich gerade. Die Probleme fangen jetzt tatsächlich ja erst an, denn die NASA hat sich - ich will nicht sagen selbst ein Bein gestellt - aber sie hat ja selbst gesagt: Es fällt nichts mehr von dem externen Tank ab. Man hat gesagt so ein paar Gramm, man hat das sogar quantifiziert, genau in Zahlen, wie groß so ein Stück ist, was dann noch abbröckelt. Aber was wir gesehen haben, war natürlich ganz was anderes, es war ein relativ großer Flatschen, und daraufhin haben natürlich alle den Finger gehoben und haben gesagt: Bis dieses Problem nicht geklärt ist, bleiben die Shuttle am Boden. Gut, was will man eigentlich jetzt in der Zeit noch bis zum 23. September mit diesem Tank machen? Man hat ja diverses ausprobiert. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man eine elegante Lösung aus dem Hut zieht, die also alle letztlich zufrieden stellt. Es gibt so ein bisschen so einen kleinen Hinweis darauf, man hat jetzt auf Bildern des Tanks vor dem Start gesehen, dass es in der Lackierung möglicherweise kleine Risse gegeben hat, dass die das auslösende Moment gewesen sein können. Nun sagt man sich, vielleicht müssen wir ein bisschen besser auf die Lackierung vor dem Start achten, und da vielleicht ein bisschen nachspachteln. Aber Sie haben völlig Recht. Das Problem ist jetzt da, und ich bezweifle, dass man bis zum 23. September eine befriedigende Lösung finden wird.

    Thoma: Muss man nicht vielleicht sowieso sagen: Die Shuttles gehören jetzt in die Mottenkiste und man sollte schnell sehen, dass man die neue Generation irgendwie auf den Weg bringt?

    Zimmer: Ich meine man kann das schon sagen, aber man darf es nicht tun! Denn die Internationale Raumstation ISS und die Shuttle-Flotte sind eigentlich siamesische Zwillinge. Sehen Sie, wenn Sie die Flotte still legen, können Sie auch gleich die Baustelle Internationale Raumstation so lassen wie sie ist oder langsam einmotten. Denn sie ist ja tatsächlich noch eine Baustelle und alles was nach oben befördert werden muss, das kann nur ein Shuttle machen. Denken Sie an das europäische Columbus-Labor, die Japaner haben ein ähnliches Labor bereits fertig gestellt, haben Zusagen von den Amerikanern, dass diese Dinger nach oben kommen. Tja, was will man tun? Wir brauchen noch etwa 25 Shuttle-Flüge, mindestens 25, um die Station fertig zustellen und das zu erfüllen was man bereits mit 100 Milliarden Dollar subventioniert hat.

    Thoma: Sie haben die ehrgeizigen Projekte der Europäer angesprochen, haben die sich zu abhängig gemacht, von den Amerikanern vor allem?

    Zimmer: Das ist natürlich die große Frage! Sehen Sie es blieb ja nichts anderes übrig. Die Russen waren also nicht in der Lage sofort zuzusagen, ein solches Modul zu befördern. Das ganze Konzept der Internationalen Raumstation war ja von Anfang an zugeschnitten auf den Shuttle. Natürlich hätte man ein Modul bauen könne, dass mit einer russischen Proton-Rakete dort oben angedockt werden kann. Aber man hat nun mal alles konzipiert für den Frachtraum des Shuttles und da hängt man nun dran und kann also nicht mehr umstricken, kann nicht mehr auf eine neue Technologie so schnell ausweichen.

    Thoma: Die NASA startet das nächste Projekt im All, diesmal noch unbemannt zum Mars. Aber schon auf der Suche nach geeigneten Landeplätzen für Menschen. Ist das eigentlich realistisch? Oder sollte man dieses Projekt auch noch mal überdenken insgesamt?

    Zimmer: Ja, es ist natürlich so, was wir jetzt sehen: der Start des so genannten Mars Reconnaissance Orbiter, wenn Sie so wollen: ein perfekter Aufklärungssatellit, der mit der derzeit schub-stärksten zivilen Rakete der Amerikaner, der Atlas V, in den Orbit und dann in Richtung Mars gelangen soll, ist an und für sich sozusagen das technologische Non-plus-Ultra. Denn es hat Kamera-Systeme an Bord, wie sie sonst früher nur Spionage-Satelliten hatten. Man kann dann auf dem Mars Details von einem Meter Größe erkennen. Das ist also nicht nur ein Gerät, sondern eine ganze Reihe, eine ganze Kombination von Experimenten. Und man kann tatsächlich hiermit die Voraussetzung für die Landung von Menschen schaffen, aber da geht ja nun mindestens noch ein Jahrzehnt, wenn es nach dem amerikanischen Präsidenten und nach der vorläufigen NASA-Planung geht mehr als zwei Jahrzehnte ins Land. Aber immerhin kann man jetzt solche hübschen Dinge machen wie den verlorengegangenen Beagle oder andere Dinge aufzusuchen. Und natürlich von oben einzelne Details sehr, sehr genau inspizieren und komplementär zum europäischen Mars-Express auch danach forschen ob es Eis unter der Oberfläche gibt, und dergleichen mehr. Aber das hat noch eine Weile Zeit, der Mars Reconnaissance Orbiter kommt erst im März kommenden Jahres dort an. Wird erst mal 5 Monate den Mars umkreisen, dabei seine Höhe verringern und erst im November nächsten Jahres seine eigentliche Aufgabe aufnehmen.

    Thoma: Wo steht die NASA nach dem Discovery-Flug? Das war die Einschätzung des Raumfahrtexperten Harro Zimmer. Vielen Dank!