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Raumsonde in der Waschstraße
Cassini fliegt durch die Wasserfontänen von Enceladus

Es gibt Wasser auf Enceladus, einem der 62 Monde des Ringplaneten Saturn: Unter seiner Oberfläche haben Wissenschaftler den ersten außerirdischen Ozean unseres Sonnensystems nachgewiesen. Er dürfte auch die Quelle für die beobachteten Wasserfontänen am Südpol des Mondes sein. Um dies zu klären, fliegt die Raumsonde Cassini erstmals durch diese Wasserfontänen hindurch.

Von Guido Meyer | 28.10.2015
    Unter der Eiskruste von Enceladus könnte es einen tiefen Ozean geben (Zeichnung).
    Ein Ozean unter der Eiskruste von Enceladus ist wohl der Ursprung der Wasserfontänen auf dem Saturnmond (NASA/Caltech)
    Seit mehr als einem Jahrzehnt durchfliegt die amerikanische Raumsonde Cassini das Saturn-System. Das heißt: Sie umkreist den Ringplaneten, kommt aber immer mal wieder an dem einen oder anderen seiner Monde vorbei. Seit 2005 war sie mehrmals auf Stippvisite bei Enceladus. Bei diesen Vorbeiflügen hat sie unter anderem Risse am Südpol des Mondes entdeckt, die Tigerstreifen getauft wurden. Aus ihnen sprühen Fontänen aus Wassereis und Wasserdampf in den Weltraum. Bislang war offen, was diese Geysire speist, ob es also womöglich flüssiges Wasser unter der äußeren Eishülle von Enceladus gibt. Und ob!, sagt nun ein Team amerikanischer Astronomen.
    "Wir haben uns Daten aus den vergangenen zehn Jahren angesehen, Hunderte von Bildern, die Cassini zu verschiedenen Zeiten aus verschiedenen Winkeln aufgenommen hat. Dann haben wir die Positionen verschiedener Oberflächenmerkmale verglichen, vor allem die von Kratern. So erhielten wir ein Modell des Mondes, seiner Form und seiner Bewegung an unterschiedlichen Positionen auf seiner Bahn um Saturn."
    Enceladus eiert
    Matthew Tiscareno vom SETI-Institut im kalifornischen Mountain View ist einer der Wissenschaftler, denen aufgefallen war, dass sich die Lage der Krater im Laufe eines Orbits verschiebt. Die Positionen der Krater bleiben im Verhältnis zueinander unverändert. Vielmehr schwankt der gesamte Mond leicht hin und her. Enceladus eiert.
    "Es handelt sich dabei nur um eine Abweichung von einem Zehntel eines Grades. Das ist sehr, sehr wenig. Aber es ist genug, um zu beweisen, dass die Eisdecke des Mondes nicht mit seinem Kern verbunden sein kann. Andernfalls würde die schwere Masse des massiven Gesteinskerns das Schwanken des Mondes nämlich abschwächen, und die Abweichung wäre noch weniger als ein Zehntel Grad. Es muss daher einen flüssigen, globalen Wasserozean unter der Eisschicht geben."
    Weder konnten die Forscher aus dem Schwanken des Mondes auf die Dicke der Eisdecke noch auf die Tiefe des Ozeans schließen. Er scheint es jedoch zu sein, der die Wasserfontänen am Südpol speist. Saturn knetet durch seine Anziehungskraft den kleinen Enceladus regelrecht durch, streckt und staucht seine Gesteinsmassen. Das lässt Hitze in seinem Innern entstehen, die das Wasser flüssig hält und dafür sorgt, dass es sich ausdehnt. Es schießt durch die Risse in der Eisdecke nach oben und wird im Vakuum des Weltraums zu Wasserdampf und Wassereis. Diesen Fontänen nähert sich Cassini in diesen Minuten auf nur neun-und-vierzig Kilometer Entfernung, wie die Cassini-Projektwissenschaftlerin Linda Spilker erläutert.
    "Wir fliegen erstmals durch diese Fontänen hindurch. Dabei entnimmt Cassini auch Proben und untersucht sie sofort. Die Spektrometer waren eigentlich zur Untersuchung der Atmosphäre des Saturn-Mondes Titan gedacht. Denn beim Start wussten wir noch gar nicht, dass wir auf Enceladus auf Wasserfontänen stoßen werden. Das wird ungefähr so sein, als ob wir die Sonde einmal durch die Waschstraße schicken."
    Riskanter Durchflug
    Dabei wird Cassini aber weder nass noch sauber werden, sondern möglicherweise beschädigt durch die winzigen Eiskristalle, die von den Geysiren ins All geschleudert werden. Mögliche Erkenntnisse über deren Zusammensetzung und Ursprung seien dieses Risiko jedoch wert, findet Carolyn Porco von der Universität von Colorado, die Chef-Wissenschaftlerin des Cassini Imaging Teams.
    "Wir glauben, dass 90 Prozent dieser Eiskristalle wieder zurückfallen auf die Oberfläche. Um die Geysire herum dürfte es also schneien. Sollte es in dem Ozean unter dem Eis lebende Organismen geben, ist es nicht ausgeschlossen, dass es Mikroben schneit, hinunter auf die Oberfläche von Enceladus."
    Nach dem "Flug durch die Fontänen" wird sich Cassini wieder zurückziehen auf ihre Umlaufbahn um Saturn, bevor sie sich Enceladus im Dezember ein letztes Mal annähern wird, dann aber in 5000 Kilometern Entfernung.