Donnerstag, 25. April 2024

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Reaktion auf Weltklimabericht
"Klimaziele wirtschaftlich vernünftig erreichen"

Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Marie-Luise Dött, hat mehr Geduld bei der Umsetzung der Klimaschutzziele gefordert. Bis 2030 werde Deutschland das meiste erreicht haben, sagte sie im Dlf. Veränderungen auf Knopfdruck aber kosteten Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum.

Marie-Luise Dött im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 09.10.2018
    Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag Marie-Luise Dött (CDU) - Archivbild
    Marie-Luise Dött (CDU) (dpa / Bernd von Jutrczenka/)
    Tobias Armbrüster: Die Regierungen sind jetzt am Zug – so könnte man die Botschaft gestern aus dem aktuellen Weltklimabericht zusammenfassen. Die Klimaforscher sagen, alle Länder müssen jetzt noch einmal nachlegen, ihre Anstrengungen in Sachen Klimaschutz noch einmal deutlich erhöhen. Sonst könnte das Überleben auf dem Planeten schon in wenigen Jahren schwierig werden. Die EU-Umweltminister treffen sich nun heute, einen Tag nach Veröffentlichung dieses Berichts in Luxemburg. Auf der Tagesordnung unter anderem strengere CO2-Grenzwerte für Autos. Aber wie streng das wird, das steht noch in den Sternen. Am Telefon ist jetzt Marie-Luise Dött, die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Frau Dött.
    Marie-Luise Dött: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    "Zuerst einmal war der Bericht des IPCC ein Aufrüttler"
    Armbrüster: Frau Dött, wie lange wird Ihre Partei, wie lange wird die CDU beim Klimaschutz noch auf die Bremse treten?
    Dött: Ich glaube nicht, dass wir auf die Bremse treten. Zuerst einmal war der Bericht des IPCC ein Aufrüttler, der uns natürlich wieder gezeigt hat, dass einmal mehr Handlungsbedarf beim globalen Klimaschutz aufgerufen ist. Aber wir haben in Deutschland unsere Ziele. Leider schaffen wir die Ziele bis 2020 wahrscheinlich nicht, aber bis 2030 sind wir ganz zuversichtlich und bis 2050 werden wir sie auch schaffen. Wir haben jetzt eine Kommission eingerichtet, die den Kohleausstieg begleiten wird und Vorschläge machen wird, wie wir das gut schaffen können, und somit sind wir sehr, sehr handelnd in allen Bereichen.
    Armbrüster: Aber die CO2-Grenzwerte für Autos, um mal bei einem aktuellen Beispiel zu bleiben, die wollen Sie in Brüssel gerne weiter hochhalten für die deutsche Autoindustrie.
    Dött: Wir haben ja jetzt erlebt bei der NOX-Problematik beim Diesel, dass wir Ziele erreichen wollen und auch können, aber dass wir dafür auch eine gewisse Zeit brauchen. Die Sachen müssen umgestellt werden und deswegen bin ich der Überzeugung, dass dieses 30-Prozent-Ziel CO2-Minderung bis 2030 ein guter Vorschlag, aber auch ein ambitionierter Vorschlag der Kommission ist, und das werden wir schon hinbekommen.
    Armbrüster: Frau Dött, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie kurz unterbreche. Sie haben gerade gesagt, Sie haben bei der Dieselkrise gesehen, dass Sie die Grenzwerte einhalten können oder senken können.
    Dött: Ja.
    "Man kann nicht alles immer von heute auf morgen machen"
    Armbrüster: Ich glaube, da schütteln jetzt viele den Kopf. Dafür sehen wir, ehrlich gesagt, wenige Anzeichen. Die Botschaft war doch eher, dass es überhaupt nicht möglich war, diese Ziele einzudämmen. Deshalb drohen ja jetzt Fahrverbote in vielen deutschen Städten.
    Dött: Ja, das stimmt. Das wollen wir eigentlich verhindern, aber es wird in einigen Bereichen und in einigen Straßen wahrscheinlich so kommen. Aber perspektivisch die nächsten Jahre wird sich das, ich sage jetzt mal, einfach auswachsen. Wir haben eine gute Nachricht nämlich zu verkünden, dass die NOX-Belastung von 1990 bis 2017 um 60 Prozent gesenkt worden ist. Das höre ich allerdings in den Nachrichten nie. Also sind wir doch eigentlich auf einem guten Weg. Es kommt immer darauf an, wie schnell sich die Flotten insgesamt ändern, wie schnell die alten Autos aus dem Verkehr rausgezogen werden und wie schnell neue angeschafft werden. Ich gehe davon aus, dass wir da ganz gut aufgestellt sind. Wir haben ein riesen Programm aufgestellt, dass wir die kommunalen Fahrzeuge umrüsten. Das läuft langsam an, könnte schneller anlaufen. Da sind aber die Kommunen auch gefragt. Aber das Programm ist doch da und läuft an. Man kann nicht alles immer von heute auf morgen machen.
    Armbrüster: Frau Dött, ich will jetzt nicht noch einmal mit Ihnen über den Dieselkompromiss der vergangenen Woche sprechen. Da gibt es sicher noch einiges zu besprechen. Aber kann man nicht zumindest die Frage festhalten: Hat die Bundesregierung nicht gelernt aus dieser ganzen Dieselkrise, dass es extrem problematisch ist, in Brüssel, aber auch in der deutschen Wirtschaft immer wieder als Beschützer der deutschen Autoindustrie dazustehen? Muss dieses Band nicht endlich durchschnitten werden? Muss man nicht sagen, eigentlich ist die Autoindustrie, so wie wir sie bisher hatten, schädlich für das Klima und wir brauchen dort ein Umsteuern?
    "Nicht nur im Verkehrssektor gucken"
    Dött: Der Bericht des IPCC zeigt doch eindeutig auf, dass wir nicht nur im Verkehrssektor gucken müssen. Wir müssen in der Landwirtschaft gucken, wir müssen bei den Gebäuden gucken, wir müssen im Energiemarkt gucken und wir müssen letztendlich auch in der Industrie gucken. All das ist doch eine Gesamtgeschichte.
    Armbrüster: Aber der Verkehr ist einer der ganz großen Treiber, steht in diesem Bericht.
    Dött: Nein, ist nicht der ganz große Treiber, sondern ist ein Treiber. Ganz großer Treiber ist die Energiewirtschaft und die Industrie, und da haben wir schon eine Menge geschafft. Beim Verkehr schaffen wir auch eine ganze Menge, aber wir können doch nicht jeden Menschen verpflichten, auf etwas anderes umzusteigen, wenn er auf der einen Seite nicht das Geld dafür hat, sich ein neues Auto zu kaufen, auf der anderen Seite der ÖPNV noch nicht richtig ist, auf der anderen Seite wir in der Bahn noch eine ganze Menge Investitionen brauchen, um letztendlich auch Fracht auf Bahn umzulagern. Es ist doch ein Blumenstrauß von unterschiedlichen Ansätzen, die wir gleichzeitig betrachten müssen.
    Armbrüster: Und die Bundesregierung kriegt das nicht hin?
    Dött: Ich bin überzeugt, wir kriegen das hin.
    Armbrüster: Was schätzen Sie denn, was müsste jetzt eigentlich direkt passieren, um auf diesen Klimareport zu antworten? Oder kann man sagen, läuft bisher alles wunderbar, wir können eigentlich weiter so machen, die Bundesregierung kann weiter so machen wie bisher, eigentlich braucht es überhaupt keine spezifische deutsche Reaktion auf dieses Papier?
    Dött: Wir haben ambitionierte europäische Klimaziele und wir haben Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz und wir gehen jetzt nach Kattowitz und schauen, was aus diesen Beschlüssen der Pariser Klimakonferenz genau strukturmäßig gemacht werden muss in jedem einzelnen Land. Lassen Sie uns doch einfach auch mal arbeiten. Wir können doch nicht bei jedem Bericht, der stattfindet, auf einmal unsere ganze Position wieder umschalten. Wir brauchen doch in diesen Bereichen auch Planungssicherheit. Wenn wir diese Sachen bewältigen wollen, wenn wir die Ziele erreichen wollen, die wir uns auch selber gesteckt haben, dann brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens. Diese Ziele müssen sozial gerecht umgesetzt werden. Die müssen wir wirtschaftlich vernünftig erreichen. Wenn wir Investitionen haben, dann können wir nicht zwei Jahre später sagen, jetzt sind diese Investitionen für die Katz und jetzt müssen wir anders investieren. Das geht nicht. Dann verbrennen wir etwas. Sondern wir müssen gucken, wann sind Investitionszyklen da, und das ist ein Prozess, der bis 2050 läuft, und bis 2030 müssen wir das meiste davon erreicht haben. Da sind wir uns einig.
    "Wirtschaftswachstum bedeutet mehr CO2-Ausstoß"
    Armbrüster: Aber die Emissionen – auch das haben wir jetzt gelernt – sind in Deutschland nicht gesunken in den vergangenen Jahren, und da kommt jetzt noch einmal der Bericht zum Tragen, der sagt, die kommenden zehn Jahre sind, was die Senkung der CO2-Emissionen angeht, zentral, die sind extrem wichtig. Deshalb noch mal die Frage: Haben wir diese Zeit noch, um abzuwarten, um lange zu diskutieren, wie der gesellschaftliche Konsens aussieht?
    Dött: Herr Armbrüster, wir haben doch gelernt, als wir unsere 2020-Ziele gemacht haben, und wir haben gelernt, dass wir diese wahrscheinlich nicht erreichen. Wir strengen uns noch sehr, sehr an, aber wir werden sie vielleicht nicht erreichen 2020, aber dann vielleicht 2021. Wir haben gelernt, dass in der Zeit, wo wir diese Ziele gesetzt haben, wir in einer Wirtschafts- und Finanzkrise waren. Wir haben nicht erwartet, dass Deutschland so schnell da rauskommt. Wirtschaftswachstum ist immer CO2-mäßig mehr Ausstoß. Wir haben gelernt, dass wir in dieser Zeit eine Million Menschen mehr in Deutschland haben. Mehr Menschen machen mehr CO2. Wir sind in dieser Zeit aus der Kernkraft ausgestiegen, eine CO2-freie Energie, die ersetzt werden muss durch Gas, durch Kohle und andere Energieträger, die nicht CO2-neutral sind. Trotz all dieser Geschichten sind wir diesem Ziel sehr, sehr nahe gekommen. Das zeigt doch, dass wir da dran sind, dass wir das aber genau betrachten müssen, wann und wo.
    Wenn wir jetzt wissen, dass die Voraussetzungen sich geändert haben, dann müssen wir vielleicht nachschärfen, aber dann müssen wir natürlich auch überlegen, in welchen Bereichen und in welcher Zeit kann man das. Nicht auf den Knopfdruck. Da verlieren wir Arbeitsplätze, da verlieren wir Wirtschaftswachstum. Wenn wir einfach weniger dort haben, dann können wir auch weniger für diese Projekte einsetzen, und das kann nicht richtig sein. Deswegen gibt es ja diese Strukturkommission, die im Volksmund Kohlekommission genannt wird. Aber es geht darum, dass wir aus der Kohle perspektivisch aussteigen wollen. Es geht jetzt darum, wann, wo, an welchem Platz, wie betrifft das die Arbeitnehmer dort, haben die die Möglichkeit, in andere Berufe reinzukommen, oder sind die dann arbeitslos, wie sieht die Struktur in der jeweiligen Region aus, und das ist in Nordrhein-Westfalen anders als in Mitteldeutschland oder als in der Lausitz. Sehr differenziert müssen wir das angucken und das kann nicht sein, dass wir jetzt zack aus der Kohle von heute auf morgen rausgehen. Das wäre die einfachste Geschichte. Aber was machen wir mit den Arbeitnehmern? Was machen wir mit den …
    "Ich mache mir mehr Sorgen um andere Länder in der Welt"
    Armbrüster: Frau Dött! Was wollen Sie mit den Kosten machen, die möglicherweise auf Deutschland auch zukommen durch steigende Erderwärmung, durch größere Unwetter, durch Überschwemmungen, durch Klimakatastrophen, die möglicherweise auch hierzulande drohen? Wie will die Bundesregierung da vorsorgen?
    Dött: Wir müssen auch vorbeugende Maßnahmen machen. Wir müssen Maßnahmen machen, wenn etwas passiert oder so, dass wir dort eingreifen können, bei Hochwasser, bei Wind und so weiter. Das haben wir ja diskutiert. Aber Deutschland wird es nicht so sehr betreffen wie andere Länder. Ich mache mir mehr Sorgen um andere Länder in der Welt, die an Küsten liegen, die in Asien oder in Afrika liegen, die auf Inseln liegen oder so. Das ist eine globale Geschichte und nicht hauptsächlich eine deutsche Geschichte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.