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Reaktionen aus Brüssel
Szenario eines No-Deal-Brexits

Nach dem dritten "Nein" im britischen Unterhaus zu Mays Brexit-Deal warnte Sabine Weyand, Stellvertreterin von EU-Chefunterhändler Barnier: Ein harter Brexit werde wirklich hart sein. Andere EU-Politiker fordern mehr Zeit für die Briten, Neuwahlen und ein zweites Referendum.

Von Peter Kapern | 29.03.2019
Brexiteers am 29.3.2019 in Parliament Square in Westminster, London. Ssie wollen die EU verlassen.
Brexiteers am 29.3.2019 in London - sie wollen die EU verlassen (dpa / PA Wire / Victoria Jones)
Es dauerte nur Minuten, bis die EU auf das dritte "Nein" des britischen Unterhauses zum Austrittsvertrag reagierte. Zuerst ließ Ratspräsident Donald Tusk wissen, dass er die Staats- und Regierungschef soeben zu einem Krisengipfel am 10. April nach Brüssel eingeladen hat. Dann meldete sich die EU-Kommission auf der anderen Straßenseite im Brüsseler Europaviertel zu Wort. Der No-Deal-Brexit sei nun ein wahrscheinliches Szenario. So hieß es dort.
Sabine Weyand, die Stellvertreterin des EU-Chefunterhändlers Michel Barnier, machte zudem deutlich, dass ein harter Brexit wirklich hart sein würde. Im Falle eines Austritts ohne Abkommen werde es, anders als viele britische Abgeordnete glauben, keine Übergangsphase und keine sektoralen Einzelabkommen geben. Kommission und Rat zeigen nach der Entscheidung im Unterhaus also klare Kante.
Im Europaparlament allerdings klang das ganz anders. Sven Giegold, Spitzenkandidat der deutschen Grünen für die Europawahl: "Gerade nach dieser Entscheidung muss das Tor für die Britinnen und Briten in die EU offen bleiben."
Giegold hofft nämlich, dass auf der Insel doch noch ein zweites Referendum angesetzt wird. "So viele europäische Fahnen hat es in England noch nie gegeben wie bei dieser riesigen Demonstration letzten Samstag in London und noch nie haben so viele Menschen eine Petition ans britische Unterhaus unterschrieben, nämlich den Austritt zurückzunehmen, sechs Millionen. Und deshalb ist wichtig, dass wir den Britinnen und Briten ermöglichen, ein weiteres Referendum durchzuführen."
Wunschlösung zweites Referendum
Udo Bullmann, der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, setzt darauf, dass am kommenden Montag die Unterhausabgeordneten noch einmal versuchen werden, die Regie im Brexit-Drama zu übernehmen. Seine Wunschlösung: "Entweder eine Lösung, die klarer bei der europäischen Union bleibt, oder endlich endlich die Entscheidung, dass das Volk abstimmen darf, damit eine Lösung herbeigeführt wird."
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Referendum, Neuwahlen oder das Ziel eines weicheren Brexits, als Theresa May und die Brexit-Befürworter in ihrer Partei den je akzeptieren wollten: Alle drei Varianten benötigen mehr Zeit, als den Briten bislang eingeräumt ist. Beim EU-Gipfel in der vergangenen Wochen hatten die Staats- und Regierungschefs ja beschlossen, dass die britische Regierung im Falle einer nochmaligen Ablehnung des Austrittsvertrags bis zum 12. April erklären muss, wie es weiter gehen soll.
Elmar Brok, der Brexit-Beauftragte der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, hofft darauf, dass Theresa May nun um eine langfristige Verschiebung des Austrittsdatums bittet: "Und zu diesem Zeitpunkt muss Großbritannien Unterschiedliches diskutieren, sollte Neuwahlen durchführen, ein neues Referendum durchführen, und wenn sie dann ihre Vorstellungen sortiert haben, können sie zurück kommen. Bis dahin sollten sie in der EU verbleiben. Am besten sollte man eine Verlängerung vornehmen von zwei Jahren oder länger."
Dann aber müssten die Briten im Mai auch an den Europawahlen teilnehmen. Das wäre ein schwer verdaulicher Brocken für alle Brexit-Befürworter auf der Insel. Aber auch für die EU-27. Schließlich würden die britischen Abgeordneten, die dann möglicherweise während der laufenden Legislaturperiode die EU-verlassen würden, noch die neue EU-Kommission und den mittelfristigen Finanzrahmen mitbestimmen.
Eine Option, gegen die Kommissionschef Jean-Claude Juncker schon klar Position bezogen hat. Sollte Theresa May aber dennoch um eine langfristige Verschiebung des Brexits bitten, müssten dem die 27 anderen EU-Länder einstimmig zustimmen. Bleibt abzuwarten, ob diese Einstimmigkeit zustande kommt.