
Wolken sind am Himmel aufgezogen. So muss der Solarturm in Jülich eine Pause einlegen. Ohne direktes Sonnenlicht lässt sich ein solarthermisches Kraftwerk nicht betreiben. Ohne Pause wäre aber kein Rundgang durch das Herz des Turms möglich.
Dutzende von Spiegeln fangen Licht ein
"Weil wir natürlich im Betrieb nicht da reindürfen - wegen der Gefährdung durch die konzentrierte Solarstrahlung, durch die Hitze und die rotierenden Teile."
Erklärt Forscher Lars Amsbeck. Hier, auf einer Plattform in 26 Metern Höhe, steht der sogenannte Receiver. Er fängt das Sonnenlicht ein, das Dutzende schwenkbare Spiegel am Boden nach oben reflektieren und dabei konzentrieren. Amsbeck und seine Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben den neuen Receiver entwickelt und mit mehreren Lieferanten zusammen auch gebaut. Ursprünglich sollte er 2015 am Solarturm in Jülich erprobt werden. Doch der Bau des drei Meter langen Stahlzylinders verzögerte sich - die Forscher veränderten noch einzelne Komponenten, ehe sie den Receiver 2017 in Jülich installierten. Seit September läuft der Testbetrieb. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
"Die Modellrechnungen zeigen, dass wir mehr als 90 Prozent Wirkungsgrad erreichen sollten. Und die ersten Messungen geben zumindest mal einen ersten Hinweis darauf, dass wir davon nicht ganz weit entfernt sind."
Keramikpartikel als Wärmeträger
Dass 90 Prozent der Sonnenenergie, die an der Turmspitze ankommt, tatsächlich geerntet wird, schaffen kommerzielle Solartürme bei Weitem nicht. In deren Hitzeabsorbern zirkuliert Luft, die die Wärme abführt und auf Wasser oder flüssiges Salz überträgt. In Jülich dagegen erhitzen die in den Receiver gelenkten Sonnenstrahlen den Wärmeträger direkt. Es handelt sich um Keramikpartikel aus gesintertem Bauxit, so groß wie Rapskörner. Damit sie sich gleichmäßig erwärmen, dreht sich der Stahlzylinder permanent um seine Achse - mit rund 43 Umdrehungen pro Minute.
Aus einem Vorratsbehälter rieseln kalte Keramikkörner in den Zylinder. Wie Wäsche beim Schleudern drückt sie die Zentrifugalkraft an die Außenwand, wo die Körner die Sonnenwärme absorbieren. Aufgrund der Schwerkraft rutschen sie aber mit jeder Umdrehung auch ein Stückchen abwärts, bis sie unten durch ein Loch aus dem Receiver herausfallen. Wie lange die Kügelchen im Kreis flitzen, wieviel Wärme sie aufnehmen und wie heiß es in der Anlage wird - all das können die Forscher über die Umdrehungszahl steuern.
"Dieser Receiver, den wir hier haben, der verträgt jegliche Solarleistung, die vom Solarfeld kommt. Das heißt, ich muss dort keine besondere Vorsicht walten lassen wie bei den Receivern, die im kommerziellen Betrieb sind. Da muss man vorsichtig sein, dass man den Receiver nicht durchbrennt. Das kann hier, solange man den Receiver richtig betreibt, nicht passieren."
Energieverluste werden verringert
Auf fast 1.000 Grad ist die Temperatur bei Tests schon gestiegen. Wenn die Keramikkörner aus dem Receiver rieseln, sind sie noch 840 Grad heiß - das sind 300 Grad mehr als in konventionellen Anlagen. Ihre Energie können die Partikel über einen Wärmetauscher an Luft oder Wasser abgeben, um Strom zu erzeugen oder Wärme bereitzustellen. Die Körner können aber auch direkt in einen Speicher wandern und nach Sonnenuntergang zum Einsatz kommen. Die Kügelchen fungieren nämlich nicht nur als Wärmeträger - sie sind zugleich auch das Speichermedium. Das verringert Energieverluste und spart Kosten.
"Weil man einfach diese Wärmetauscher, die man sonst zwischen dem Wärmeträger im Receiver und dem Speichermedium braucht, dadurch wegfallen lassen kann. Und da bei uns immer das wichtigste Ziel ist, die Kosten zu reduzieren, sind Bauteile, die ich weglassen kann, die muss ich nicht bezahlen. Das reduziert meine Kosten."
Ziel: Wärmeenergie, so billig wie Kohle
Wie teuer Strom und Wärme aus dem Zentrifugal-Receiver sind, wollen die Forscher mit einer Demonstrationsanlage noch zeigen. Denn im Testbetrieb rutschen pro Sekunde nur 150 Gramm der Keramikkörner durch den Zylinder. Ausgelegt ist er aber für das Zwanzigfache - drei Kilogramm pro Sekunde. Das entspricht einer Leistung von 2,5 Megawatt. Unter Volllast sollten sich zudem die Wärmeverluste am Ausgang des Receivers deutlich verringern. Ziel ist es, dass die Keramikkörner bis zu 1.000 Grad heiß sind, wenn sie ihre Wärme übertragen oder in den Speicher fallen. Dann ließe sich ein solches Kraftwerk in sonnenreichen Ländern wie Chile, Spanien oder Australien wirtschaftlich betreiben.
"Ich denke, dass man bei der Stromerzeugung auf unter vier Cent kommen wird - an sehr, sehr guten Standorten sogar schon innerhalb von fünf Jahren. Wenn wir jetzt die reinen Wärmekosten angucken, das heißt, wenn ich mich mit einer Prozesswärmeanwendung vergleiche, denke ich, dass wir im Fünf-Jahres-Horizont in einen Bereich kommen können wie Kohle - dass wir so billig die Wärmeenergie erstmal bereitstellen, wie Kohle auf dem Weltmarkt kostet."
Bislang treiben Solarkraftwerke vor allem Dampfturbinen an und erzeugen Strom. Mit den hohen Temperaturen, die in Jülich erreicht wurden, lassen sich neue Einsatzfelder erschließen: In Gießereien, Zementwerken und anderen Fabriken, in denen Hochtemperaturprozesse ablaufen. Um diese zu befeuern, werden bislang vor allem fossile Energieträger verbrannt.