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Recherchebüro "Addendum"
Provokant gefragt

Seit Jahren baut Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz sein Medienunternehmen aus - vom Fernsehsender "Servus TV" bis zum Recherchebüro "Addendum". Mit dem will er vor allem eine vermeintliche Lücke in der Berichterstattung schließen. Doch ein "Breitbart der Alpen" ist es eher nicht.

Von Susanne Lettenbauer | 24.09.2019
    Eine Hand hält eine in der Mitte geknickte Ausgabe der Zeitschrift "Addendum".
    Die Zeitschrift "Addendum" - ein Medienprojekt von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz (imago/ SKATA)
    Fakten gefällig? Etwas nerdig, bissl hipp? Die schnellen Basics für zwischendurch? Zum Beispiel: "Ist Österreich das Paradies internationaler Geheimdienste?" Das ist "Addendum" heute:
    Ausschnitte aus "Addendum"-Videos:
    "Österreich gilt seit den 1940ern geradezu als Paradies internationaler Geheimdienste..."
    "Jeder und jede zweite glaubt nicht daran, heute noch eine staatliche Pension zu bekommen..."
    "Die CO2-Steuer. Für manche ein Alptraum, für andere unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel..."
    "Addendum" erklärt seit neuestem die Welt - in vier Minuten. Im Youtube-Style. Jugendaffin. Nerdnite für Österreicher. Weg von den langen Textwüsten vor zwei Jahren, hin zu einem multimedialen Online-Lexikon zu Fragen, die man sich teils noch gar nicht gestellt hat: Welche Rolle spielt eigentlich die Postleitzahl bei Krebserkrankungen?
    Aber immer kehrt Addendum zurück an die Anfänge vor zwei Jahren, zum Klickgaranten Asyl/Flüchtlinge: "Seenotrettung. Wie wichtig sind die NGOs?" Oder: "Entwicklungshilfe: Wie wichtig ist Entwicklungshilfe?"
    Provokante Fragen, tendenziöse Fragen, die bei Addendum immer von einem traditionell-konservativen Blickpunkt aus konsequent gegen den Strich gebürstet werden. Ein Breitbart der Alpen? So provokant rechts dann doch nicht.
    Teil eines europaweiten Recherchenetzwerks
    Das investigative Mateschitz-Team versteht sich als vollwertiges Recherchebüro, wie sie weltweit aufploppen und wozu es sich seit 2017 gemausert hat. Seit Februar 2019 offiziell geadelt durch die Mitgliedschaft im europaweiten Recherchenetzwerk "European Data Journalism Network", dem auch Spiegel Online, der belgische EUobserver oder das niederländische NRC Handelsblad angehören.
    98 Themenkomplexe haben die Zehnerteams von "Addendum" seit November 2017 bearbeitet - im Wochenrhythmus. Jetzt vor der Nationalratswahl erhöht sich die Schlagzahl noch einmal, der Blick auf die zur Wahl stehen Parteien wird intensiver, vor allem Richtung links, Sozialdemokraten: "Niemand zahlt so viel an Facebook wie die SPÖ", hat Addendum recherchiert. SPÖ und ÖVP würden von der Plakatwerbung anderer Parteien profitieren, weil der österreichische Außenwerbemarkt lange Zeit sehr staatsnah organisiert war. Die rechtsnationale FPÖ kommt dabei eher glimpflich weg.
    Gute Journalisten - und hohe Fluktuation
    Eine Fülle von Fakten, die seit zwei Jahren im Akkord veröffentlicht werden, weder wahllos noch tagesaktuell, durchweg sauber recherchiert, aber auch nach zwei Jahren qua Auftrag weiterhin nicht neutral, sagt der Wiener Medienwissenschaftler Fritz Hausjell:
    "Wenn Sie gleichzeitig das ergänzen wollen, was in den sogenannten Mainstream-Medien fehlt oder fehlen würde, dann kann das eigentlich nicht neutral sein, weil die Summe würde dann ja wohl dann die Neutralität ergeben."
    Seit Gründung des Magazins 2017 beobachtet Hausjell die Recherchen und Außenwirkung von "Addendum". Sein Fazit: Viele durchaus sehr gute Journalisten hätten - trotz einer hohen Fluktuation - in den vergangenen zwei Jahren für das Mateschitz-Projekt gearbeitet, seien aber doch recht schnell wieder gegangen. Enorm viel Recherchearbeit sei geleistet worden. Neben dem Onlineauftritt auch als Printbeilage für den "Kurier", die "Presse" oder die "Kleine Zeitung".
    Selektive Berichterstattung
    Die Außenwirkung auf Politik und Gesellschaft, sprich öffentliche Meinungsmache, sei aber eher gering, so der Medienexperte. Was bislang fehlt, sind – nicht verwunderlich - Recherchen zu Red Bull selbst: Wie ergeht es eigentlich den Sportlern, die nicht die immer waghalsigeren Extrem-Challenges von Red Bull durchhalten oder sogar dabei sterben? Ebenso fehlt das Thema:
    Hausjell: "Ist bei Mateschitz auch immer alles mit sauberen Mitteln erreicht worden oder gibt es hier auch Leichen im Keller?"
    Addendum - ein Spielplatz für aufwändige Recherchen und wichtiger Faktensammler für ein Red-Bull-Meinungsimperium, das wahrscheinlich noch weiter wachsen wird.
    *Wir haben das Manuskript überarbeitet und das Audio entfernt, weil eine frühere Version Fehler in Bezug auf ein Fernsehformat und dessen Mitentwickler enthielt.