
Dass die bisherigen Regeln bei einem übermäßigen Defizit eines Euro-Mitgliedslandes zu kompliziert und wenig transparent sind, ist nicht neu. Doch der fast 150 Seiten umfassende Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes dürfte der Debatte über eine Reform des bisherigen Mechanismus neuen Schwung geben.
Zumal die unabhängigen Prüfer zu einem klaren Ergebnis kommen: Die Kommission müsse strenger vor Ort die Angaben der Mitgliedstaaten überprüfen und auch die vorhandenen Befugnisse besser ausschöpfen, um sicherzustellen, dass die Mitgliedsländer die Empfehlungen auch umsetzten. Der Chef der CDU/CSU Gruppe im EU-Parlament, Herbert Reul begrüßte heute die deutlichen Worte des Europäischen Rechnungshofes:
"Ich glaube, die Glaubwürdigkeit Europas hängt schon davon ab, dass wir nachweisen, dass wir Lösungen finden für anstehende Probleme. Aber das wir auch die Regeln, die wir selbst setzen, dass wir die auch einhalten. Und die Glaubwürdigkeit der Kommission bei den Mitgliedsstaaten hängt ganz wesentlich davon ab, ob die auch nachhakt. Und wenn etwas nicht erledigt wird, auch anmahnt. Ich würde die Kommissionen auch ermuntern, dass sie diese Rolle auch wahrnimmt, auch wenn es Ärger gibt."
System funktioniert in der Praxis nur bedingt
Die Luxemburger Prüfer hatten untersucht, wie die Kommission die Haushaltsdefizite von sechs Ländern, nämlich Italien, Frankreich, Zypern, Tschechien, Malta und Deutschland in der Praxis überwacht. Dazu gibt es ein umfassendes Regelwerk durch den Stabilitätspakt. Bei einem exzessiven Defizit gibt es Empfehlungen und Fristen, wie und bis wann ein Defizit korrigiert werden muss.
Doch in der Praxis funktioniert das System nur bedingt: Frankreich wurden von Brüssel trotz regelmäßiger Verstöße gegen den Stabilitätspakt immer wieder neue Fristverlängerungen eingeräumt; und auch Spanien kann in diesen Tagen wohl auf neuerliche Milde durch die EU-Kommission hoffen. Obwohl sich das Land ursprünglich verpflichtet hatte, in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von 2,8 Prozent zu erreichen, dürften es tatsächlich wohl 3,6 Prozent werden. Schon 2015 hatte Madrid seine Verpflichtungen gegenüber der EU nicht einhalten können.
Die Kommission wollte heute Spekulationen über einen neuerlichen Aufschub nicht kommentieren. Entschieden sei noch nichts, hieß es. Doch es ist kein Geheimnis, dass gerade für Jean-Claude Juncker, der sich wiederum als politischer EU-Kommissionschef versteht, politische Erwägungen manchmal wichtiger sind als das Einhalten von Regeln. Doch so einfach dürfe es sich die Kommission nicht machen, warnt Herbert Reul:
"Also wenn viele Kommissare in der Frage Stabilitätspakt kritischer sind als Juncker, dann finde ich muss das gesagt werden. Und muss sich auch widerspiegeln in den Mehrheiten."
Rechnungshof für mehr Transparenz bei Bewertung von Mitgliedstaaten
Auch der Europäische Rechnungshof mahnte heute mehr Transparenz bei der Bewertung der Mitgliedstaaten an. Alle relevanten Daten müssten offengelegt gelegt werden. Zudem, so die Prüfer, sollte die Brüsseler Behörde durchaus auch mal die Option nutzen, härte Maßnahmen bis hin zur Verhängung von Sanktionen zu empfehlen. Die Kommission selbst gab sich eher schmallippig, Sprecherin Annika Breithardt:
"Wir begrüßen den Bericht. Er ist ein wichtiger Beitrag zu unseren eigenen Bemühungen, das Verfahren bei einem exzessiven Defizit zu verbessern. Wir haben bereits Stellung bezogen, wo der Bericht Herausforderungen skizziert und Bedenken formuliert."
Doch das Thema bleibt auf der politischen Agenda. Am Wochenende werden sich damit auch die EU-Finanzminister bei ihrem informellen Treffen in Amsterdam beschäftigen. Die niederländische Ratspräsidentschaft hat bereits ein Arbeitspapier zur Reform des Wachstums- und Stabilitätspaktes vorgelegt.