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Rechte Wahlerfolge in Italien
"Die Wähler sind einer getrennten Mitte-Links-Koalition müde"

In Italien feiern Rechte und auch Faschisten mit Berlusconi als Strippenzieher wieder Wahlerfolge, zum Beispiel auf Sizilien. Viele Italiener seien einer gespaltenen Mitte-Links-Koalition überdrüssig und seien am Wahltag zu Hause geblieben, erklärte Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando im Dlf.

Leoluca Orlando im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 25.11.2017
    Ehrenpreisträger Leoluca Orlando, Bürgermeister der sizilianischen Stadt Palermo, spricht bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreis am 21.11.2013 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).Er erhält den Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2013 für seine Zivilcourage im mutigen Kampf gegen mafiöse Strukturen und seine Verdienste für die Stadt Palermo.
    Rund 60 Prozent der Wähler seien zu Hause geblieben, weil sie einer gespaltenen Mitte-Links-Koalition müde seien, erklärt Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando den jüngsten Wahlerfolg der Rechten auf Sizilien (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)
    Jürgen Zurheide: Wie wir gerade gehört haben, hat natürlich genau diese Flüchtlingskrise auf Sizilien auch eine starke Rolle im Wahlkampf gespielt. Und über all das und die Auswirkungen des Populismus wollen wir jetzt eben mit Leoluca Orlando reden, dem Bürgermeister von Palermo, den ich herzlich begrüße.
    Leoluca Orlando: Guten Morgen!
    Zurheide: Wie erklären Sie denn, Herr Orlando, den Erfolg der Rechten bei den Wahlen?
    Orlando: Ich denke, das, was passiert ist, ist die Konsequenz von unserer Parteikrise in Italien. Ich denke, das sind viele, viele europäische Länder. Wir haben eine große Krise für die Parteien, in Frankreich, ist eine Krise der Parteien in Deutschland, und diese Krise ist auch in Italien, aber was besonders in Sizilien passiert ist, ist, die mittlere linke Koalition ist getrennt. Das heißt also, die rechte Koalition ist eine große rechte Koalition, eine Mitte-Rechts-Koalition, und Mitte-Links ist getrennt.
    Zurheide: Ist das eine neue Entwicklung – wenn ich dazwischenfragen darf –, dass gerade die Rechten auf der einen Seite arbeiten, und, ich glaube, Sie haben mal gesagt, die Klientelisten, die arbeiten zusammen. Das hat es so früher nicht gegeben, oder?
    Orlando: Ja. Unsere Koalition ist eine Koalition, wo eine Mischung ist von Intoleranz, von Lega Nord und Klientelismus. Zunächst einmal, in Sizilien haben wir diese Mischung zwischen Klientelismus – das heißt manchmal auch Korruption, das heißt manchmal auch Mafia – und Intoleranz – das heißt auch Rassismus. Das ist schon mal passiert in der Vergangenheit, denn wir hatten viele, viele Fälle von Rassismus, aber ohne Klientelismus, und viele, viele Fälle von Klientelismus ohne Rassismus.
    "Der große Bereich, ungefähr 60 Prozent, hat nicht gewählt"
    Zurheide: Welche Rolle spielt Berlusconi dabei? Er ist derjenige, der im Hintergrund die Strippen zieht und diesen Klientelismus, den er repräsentiert, mit den Faschisten möglicherweise zusammenführt?
    Orlando: Berlusconi scheint ein Mittelpunkt zu sein zwischen Intoleranz und Rassismus und Geschäfte.
    Zurheide: Wie kommt es oder wie kann es passieren, dass die Menschen wieder auf Berlusconi hören? Er verspricht das gleiche, was er vor 20 Jahren versprochen hat, was er nie gehalten hat. Die Leute klatschen aber. Wie erklären Sie dieses Phänomen?
    Orlando: Der große Bereich, das heißt ungefähr 60 Prozent, hat nicht gewählt. Sie sind zu Hause geblieben. Als die Gespräche über Erfolge von Berlusconi in eine Minderheit von Wähler, weil die Wähler sind müde von einer getrennten Mitte-Links-Koalition.
    Zurheide: Wie sehen Sie denn, dass diese Parteien wieder zusammenfinden und zusammenarbeiten für die Wahlen, die auf nationaler Ebene stattfinden?
    Orlando: Ich bin mir sicher, wir werden wieder eine große Einheit von Mitte-Links haben. Ich denke, das wäre diese echte Koalition in Italien sein, weil viele Leute, die mögen nicht wählen, ich bin sicher, das werden Wähler sein, die sagen, wir wollen eine klare Alternative haben.
    "Wir waren Stadt der Mafia, jetzt sind wir Stadt der Kultur"
    Zurheide: Sie haben in den zurückliegenden Jahren – da wollen wir zum Schluss kurz drüber reden – Palermo sicherlich ja entwickelt. Sie haben die Mafia zurückgedrängt, die Stadt umgebaut – gibt es sozusagen ein Rezept gegen diesen Populismus? Haben Sie das gefunden?
    Orlando: Ich war am Anfang Stadtsohn, danach war ich Stadtbruder und jetzt bin ich Stadtvater. Ich habe keine Partei. Meine Partei heißt Palermo, und ich habe allen gesagt, meine Partei ist Palermo. Im Namen unserer Partei habe ich immer bereit bekommen [sic] und ich bin immer gewählt worden, weil die Leute verstanden haben, dass Palermo unterwegs ist.
    Wir waren eine Stadt der Mafia, und jetzt sind wir eine Stadt der Kultur geworden. Wir sind eine touristische Stadt geworden. Wir werden die nächsten die Hauptstadt der Kultur in Italien sein, wir werden die nächsten Jahre in Palermo Manifesta willkommen heißen, das heißt eine große internationale Reputation, und jetzt kann ich sagen, dass die Mafia nicht mehr Palermo regiert. Ich erinnere daran, dass die Bürgermeister von Palermo waren normalerweise Freunde vom Mafiaboss.
    Jetzt ist der Mafiaboss im Gefängnis, und jetzt regiert er nicht mehr Palermo, jetzt kann Palermo sagen, dass wir eine Zukunft haben. Wir wollen heute gleichzeitig Innovation und Kultur bessere Rechte fördern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.