Klaus Remme: Längst vorbei die Zeiten, in denen eine Fußball-Weltmeisterschaft eine ausschließlich sportliche Veranstaltung war. Im Vorfeld der WM 2006 stellt sich vielen gar die Frage, ob der sportliche Wettbewerb inzwischen Mittel zum Zweck geworden ist. Die WM ist ein Riesengeschäft mit den allfälligen Begleiterscheinungen: Gerichtsverfahren um den Ticket-Verkauf, Streit um die Berichterstattung, höchstrichterliche Urteile rund um Marken und Lizenzen. Der Bundesgerichtshof verhandelt heute darüber, inwieweit sich der Weltfußballverband FIFA die Begriffe "WM 2006" und "Fußball WM 2006" rechtlich schützen lassen kann.
Am Telefon in Düsseldorf ist jetzt Professor Paul Lange, einer der führenden deutschen Markenrechtler. Guten Tag, Herr Lange!
Paul Lange: Guten Tag, Herr Remme!
Remme: Herr Lange, unabhängig von diesem Streit, welcher Grundgedanke verbindet sich mit dem Schutz von Marken?
Lange: Die Marke sichert dem Käufer die Unterscheidbarkeit von Waren oder Dienstleistungen. Er ist dann in der Lage, seine Kaufentscheidung sorgfältig zu treffen, weil er weiß, dieses Produkt stammt nur von einem bestimmten Hersteller.
Remme: Und warum soll jetzt sagen wir mal ein Bäcker, wenn er es denn will, seine Brötchen nicht "WM 2006"-Brötchen nennen dürfen?
Lange: Wenn die Marke, was der Bundesgerichtshof ja entscheiden muss, auf die FIFA hinweist, würde der Verkehr annehmen, diese Marke hätte etwas mit der FIFA zu tun, und das müsste sich die FIFA nicht gefallen lassen, denn die FIFA hat keinerlei Richtlinien in Bezug auf die Brötchen erlassen, keinerlei Qualitätsvorschriften erlassen und die Brötchen stimmen deshalb überhaupt nicht mit irgendwelchen Anforderungen überein, die die FIFA gestellt haben könnte. Dem Bäcker bleibt es aber in diesem Zusammenhang unbenommen, etwa zu sagen "das besondere Brot aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland".
Remme: Das wäre dann korrekt?
Lange: Das wäre möglich.
Remme: Können Sie denn dem Laien erklären, Herr Lange, warum der Begriff "WM 2006" im Sinne der FIFA schutzfähig sein kann, denn wir haben eben gehört, es gibt ja in diesem Jahr auch noch andere Weltmeisterschaften in Deutschland?
Lange: In Bezug auf den Begriff "WM 2006" ist die Rechtslage sicherlich noch wesentlich zweifelhafter als in Bezug auf den Begriff "Fußball WM 2006". Es gibt ja, wie Sie richtig sagen, mehrere Weltmeisterschaften. Das Oberlandesgericht Hamburg hat aber einmal angenommen in einem vergleichbaren Fall, dass der Begriff "WM 2006" auf die FIFA hinweist, weil der Verbraucher gleichwohl unter dem Begriff ausschließlich dieses Fußballereignis versteht.
Remme: Was wären denn die Folgen, wenn der Bundesgerichtshof heute diese Markenrechte löschen würde?
Lange: Dann könnte jeder Wettbewerber der FIFA oder auch der Lizenznehmer diese Marken schlagwortartig auf seinen Produkten einsetzen, und wir wüssten dann, dass der Verkehr diesen Marken keinen Hinweis auf die FIFA entnimmt. Der Verkehr würde dann lediglich davon ausgehen, dass es sich um Produkte handelt, die aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft hergestellt worden sind, oder die zu dem Zweck bestimmt sind, im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft zum Einsatz zu gelangen.
Remme: Was heißt das, wenn Sie sagen "der Verkehr"?
Lange: Der Verkehr, das ist eigentlich der Durchschnittsverbraucher. Die Marken haben ja den Zweck, den Markt zu regulieren, die Freiheit des Marktes zu regulieren, die Waren und Dienstleistungen der Anbieter und Hersteller zu unterscheiden und das im Interesse des Verbrauchers.
Remme: Kann man eigentlich abschätzen, um wie viel Geld es bei diesem Streit geht?
Lange: Es wird wahrscheinlich bei diesem Streit primär erst mal nicht um viel Geld gehen, weil es geht eigentlich darum, ob die Marken auf die FIFA hinweisen oder nicht.
Remme: Wie ist denn das Ganze gewachsen als Thema? Bei der WM '74 hat ja vermutlich noch kein Hahn nach diesen Dingen gekräht, oder war das damals auch schon schwierig?
Lange: Wir haben bei der WM '74 keine vergleichbaren Fälle, aber aus der Fußball-Europameisterschaft 2000 gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, der in einem Verletzungsstreit über die Marke "Euro 2000" gesagt hat, die war für Fußbälle geschützt, dass die Marke lediglich besagt, dass die Fußbälle während der Fußball-Europameisterschaft zum Einsatz gelangen, und deshalb dass die Bezeichnung "Euro 2000"als Marke nicht schutzfähig sei.
Remme: Herr Professor Lange, wagen Sie denn mit Blick auf das zu erwartende Urteil heute eine Prognose?
Lange: Ja. Ich kann dem BGH natürlich nicht vorgreifen, aber im Grundsatz sprechen schon einige Argumente dafür, dass die Bezeichnung jedenfalls "Fußball WM 2006" schutzfähig sein könnte, weil der Verkehr weiß, dass es nur diese eine Fußball-Weltmeisterschaft gibt und dass es sich hierbei um ein Produkt der FIFA handelt, was ein kommerzielles Ereignis darstellt und nach individuellen Regeln gestaltet ist. Wenn dem so ist, dann wird der Verkehr auch einer solchen Wendung, die allgemeiner Natur ist, nämlich "Fußball WM 2006", unter Umständen einen Hinweis auf die FIFA entnehmen. Und dann wäre die Bezeichnung als Marke schutzfähig.
Für die Bezeichnung "WM 2006" wage ich eher fast eine entgegengesetzte Prognose, weil hier ja doch die Bezeichnung so allgemein ist, dass es sich nicht notwendigerweise mit der Fußball-Weltmeisterschaft der FIFA als kommerzielles Produkt in Verbindung bringen lässt. Ich muss aber dazu sagen, in dem Fall "Euro 2000" hat der Bundesgerichtshof ja einen ähnlichen Fall schon mal zur Beurteilung gehabt, und da hat er den Markenschutz abgelehnt.
Remme: Hat der zu erwartende Richterspruch eigentlich grundsätzliche Bedeutung für Turniere in der Zukunft in ganz anderen Ecken dieser Welt?
Lange: Nein, nicht in ganz anderen Ecken dieser Welt, aber er hat konkrete Bedeutung für vergleichbare Marken in Deutschland, die aus Anlass dieser Turniere angemeldet werden. In diesem Zusammenhang könnte dieser Rechtsstreit eine richtungsweisende Wirkung haben.
Remme: Was könnte so ein Beispiel in Zukunft in Deutschland sein?
Lange: Man könnte vielleicht sagen "Fußball-Weltmeisterschaft 2010" oder so etwas. Wenn der Verkehr darunter ebenfalls wiederum ein Produkt der FIFA versteht, dann wäre mit dieser Marke ein Herkunftshinweis verbunden, und diese Marke wäre als Zeichen der FIFA schutzfähig.
Remme: All dies, Herr Lange, hat ja nun eigentlich wenig mit dem Fußballspiel als solchem zu tun. Ich weiß nicht, ob Sie Fan sind, aber nehmen Ihnen diese Begleiterscheinungen rund um das Turnier den Spaß an der Sache?
Lange: Nein, eigentlich nicht. Letzten Endes geht es um die Freiheit im Markt. Man kann auf der einen Seite natürlich der Auffassung sein, so eine Bezeichnung, wenn sie denn geschützt wäre, würde den Wettbewerb einengen in der Vermarktung seiner Produkte, aber der Wettbewerb kann ja ausweichen auf beschreibende Begriffe. Ich habe eben schon eine Wendung gebracht: "Unsere Brötchen sind aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft gebacken." Er kann auf andere elegantere Wendungen umsteigen. Der Verbraucher weiß jedenfalls dann, wenn er solche Marken identifizieren kann als Produktmarken der FIFA, dass es sich bei dem konkreten Produkt um etwas handelt, hinter dem die FIFA steht. Er hat eine Qualitätserwartung und kann dann seine Auswahlentscheidung besser treffen. Aus diesem Grund ist der Markenschutz ja auch eingeführt worden.
Remme: Aber ist das wirklich so? Was macht den Fernseher für den Kunden erkenntlich besser, wenn mit dem Wort "FIFA" für diesen Fernseher geworben wird?
Lange: Wenn es ein Fernseher wäre, auf dem eine Marke der FIFA steht, dann würde der Kunde wissen, dass die FIFA die Anforderungen an die Technik dieses Fernsehers, an die Qualität der Bildübertragung und so weiter, überprüft hat. Ich gebe aber zu: In diesem Fall bei der Einheitlichkeit dieser Produkte insgesamt wird wahrscheinlich der Qualitätsherkunftshinweis nicht besonders hoch sein.
Remme: Herr Lange, ich bedanke mich für das Gespräch. Schönen Tag.
Lange: Danke schön.
Remme: Paul Lange war das von der Kanzlei Siebeke und Partner in Düsseldorf.
Am Telefon in Düsseldorf ist jetzt Professor Paul Lange, einer der führenden deutschen Markenrechtler. Guten Tag, Herr Lange!
Paul Lange: Guten Tag, Herr Remme!
Remme: Herr Lange, unabhängig von diesem Streit, welcher Grundgedanke verbindet sich mit dem Schutz von Marken?
Lange: Die Marke sichert dem Käufer die Unterscheidbarkeit von Waren oder Dienstleistungen. Er ist dann in der Lage, seine Kaufentscheidung sorgfältig zu treffen, weil er weiß, dieses Produkt stammt nur von einem bestimmten Hersteller.
Remme: Und warum soll jetzt sagen wir mal ein Bäcker, wenn er es denn will, seine Brötchen nicht "WM 2006"-Brötchen nennen dürfen?
Lange: Wenn die Marke, was der Bundesgerichtshof ja entscheiden muss, auf die FIFA hinweist, würde der Verkehr annehmen, diese Marke hätte etwas mit der FIFA zu tun, und das müsste sich die FIFA nicht gefallen lassen, denn die FIFA hat keinerlei Richtlinien in Bezug auf die Brötchen erlassen, keinerlei Qualitätsvorschriften erlassen und die Brötchen stimmen deshalb überhaupt nicht mit irgendwelchen Anforderungen überein, die die FIFA gestellt haben könnte. Dem Bäcker bleibt es aber in diesem Zusammenhang unbenommen, etwa zu sagen "das besondere Brot aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland".
Remme: Das wäre dann korrekt?
Lange: Das wäre möglich.
Remme: Können Sie denn dem Laien erklären, Herr Lange, warum der Begriff "WM 2006" im Sinne der FIFA schutzfähig sein kann, denn wir haben eben gehört, es gibt ja in diesem Jahr auch noch andere Weltmeisterschaften in Deutschland?
Lange: In Bezug auf den Begriff "WM 2006" ist die Rechtslage sicherlich noch wesentlich zweifelhafter als in Bezug auf den Begriff "Fußball WM 2006". Es gibt ja, wie Sie richtig sagen, mehrere Weltmeisterschaften. Das Oberlandesgericht Hamburg hat aber einmal angenommen in einem vergleichbaren Fall, dass der Begriff "WM 2006" auf die FIFA hinweist, weil der Verbraucher gleichwohl unter dem Begriff ausschließlich dieses Fußballereignis versteht.
Remme: Was wären denn die Folgen, wenn der Bundesgerichtshof heute diese Markenrechte löschen würde?
Lange: Dann könnte jeder Wettbewerber der FIFA oder auch der Lizenznehmer diese Marken schlagwortartig auf seinen Produkten einsetzen, und wir wüssten dann, dass der Verkehr diesen Marken keinen Hinweis auf die FIFA entnimmt. Der Verkehr würde dann lediglich davon ausgehen, dass es sich um Produkte handelt, die aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft hergestellt worden sind, oder die zu dem Zweck bestimmt sind, im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft zum Einsatz zu gelangen.
Remme: Was heißt das, wenn Sie sagen "der Verkehr"?
Lange: Der Verkehr, das ist eigentlich der Durchschnittsverbraucher. Die Marken haben ja den Zweck, den Markt zu regulieren, die Freiheit des Marktes zu regulieren, die Waren und Dienstleistungen der Anbieter und Hersteller zu unterscheiden und das im Interesse des Verbrauchers.
Remme: Kann man eigentlich abschätzen, um wie viel Geld es bei diesem Streit geht?
Lange: Es wird wahrscheinlich bei diesem Streit primär erst mal nicht um viel Geld gehen, weil es geht eigentlich darum, ob die Marken auf die FIFA hinweisen oder nicht.
Remme: Wie ist denn das Ganze gewachsen als Thema? Bei der WM '74 hat ja vermutlich noch kein Hahn nach diesen Dingen gekräht, oder war das damals auch schon schwierig?
Lange: Wir haben bei der WM '74 keine vergleichbaren Fälle, aber aus der Fußball-Europameisterschaft 2000 gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, der in einem Verletzungsstreit über die Marke "Euro 2000" gesagt hat, die war für Fußbälle geschützt, dass die Marke lediglich besagt, dass die Fußbälle während der Fußball-Europameisterschaft zum Einsatz gelangen, und deshalb dass die Bezeichnung "Euro 2000"als Marke nicht schutzfähig sei.
Remme: Herr Professor Lange, wagen Sie denn mit Blick auf das zu erwartende Urteil heute eine Prognose?
Lange: Ja. Ich kann dem BGH natürlich nicht vorgreifen, aber im Grundsatz sprechen schon einige Argumente dafür, dass die Bezeichnung jedenfalls "Fußball WM 2006" schutzfähig sein könnte, weil der Verkehr weiß, dass es nur diese eine Fußball-Weltmeisterschaft gibt und dass es sich hierbei um ein Produkt der FIFA handelt, was ein kommerzielles Ereignis darstellt und nach individuellen Regeln gestaltet ist. Wenn dem so ist, dann wird der Verkehr auch einer solchen Wendung, die allgemeiner Natur ist, nämlich "Fußball WM 2006", unter Umständen einen Hinweis auf die FIFA entnehmen. Und dann wäre die Bezeichnung als Marke schutzfähig.
Für die Bezeichnung "WM 2006" wage ich eher fast eine entgegengesetzte Prognose, weil hier ja doch die Bezeichnung so allgemein ist, dass es sich nicht notwendigerweise mit der Fußball-Weltmeisterschaft der FIFA als kommerzielles Produkt in Verbindung bringen lässt. Ich muss aber dazu sagen, in dem Fall "Euro 2000" hat der Bundesgerichtshof ja einen ähnlichen Fall schon mal zur Beurteilung gehabt, und da hat er den Markenschutz abgelehnt.
Remme: Hat der zu erwartende Richterspruch eigentlich grundsätzliche Bedeutung für Turniere in der Zukunft in ganz anderen Ecken dieser Welt?
Lange: Nein, nicht in ganz anderen Ecken dieser Welt, aber er hat konkrete Bedeutung für vergleichbare Marken in Deutschland, die aus Anlass dieser Turniere angemeldet werden. In diesem Zusammenhang könnte dieser Rechtsstreit eine richtungsweisende Wirkung haben.
Remme: Was könnte so ein Beispiel in Zukunft in Deutschland sein?
Lange: Man könnte vielleicht sagen "Fußball-Weltmeisterschaft 2010" oder so etwas. Wenn der Verkehr darunter ebenfalls wiederum ein Produkt der FIFA versteht, dann wäre mit dieser Marke ein Herkunftshinweis verbunden, und diese Marke wäre als Zeichen der FIFA schutzfähig.
Remme: All dies, Herr Lange, hat ja nun eigentlich wenig mit dem Fußballspiel als solchem zu tun. Ich weiß nicht, ob Sie Fan sind, aber nehmen Ihnen diese Begleiterscheinungen rund um das Turnier den Spaß an der Sache?
Lange: Nein, eigentlich nicht. Letzten Endes geht es um die Freiheit im Markt. Man kann auf der einen Seite natürlich der Auffassung sein, so eine Bezeichnung, wenn sie denn geschützt wäre, würde den Wettbewerb einengen in der Vermarktung seiner Produkte, aber der Wettbewerb kann ja ausweichen auf beschreibende Begriffe. Ich habe eben schon eine Wendung gebracht: "Unsere Brötchen sind aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft gebacken." Er kann auf andere elegantere Wendungen umsteigen. Der Verbraucher weiß jedenfalls dann, wenn er solche Marken identifizieren kann als Produktmarken der FIFA, dass es sich bei dem konkreten Produkt um etwas handelt, hinter dem die FIFA steht. Er hat eine Qualitätserwartung und kann dann seine Auswahlentscheidung besser treffen. Aus diesem Grund ist der Markenschutz ja auch eingeführt worden.
Remme: Aber ist das wirklich so? Was macht den Fernseher für den Kunden erkenntlich besser, wenn mit dem Wort "FIFA" für diesen Fernseher geworben wird?
Lange: Wenn es ein Fernseher wäre, auf dem eine Marke der FIFA steht, dann würde der Kunde wissen, dass die FIFA die Anforderungen an die Technik dieses Fernsehers, an die Qualität der Bildübertragung und so weiter, überprüft hat. Ich gebe aber zu: In diesem Fall bei der Einheitlichkeit dieser Produkte insgesamt wird wahrscheinlich der Qualitätsherkunftshinweis nicht besonders hoch sein.
Remme: Herr Lange, ich bedanke mich für das Gespräch. Schönen Tag.
Lange: Danke schön.
Remme: Paul Lange war das von der Kanzlei Siebeke und Partner in Düsseldorf.