Donnerstag, 28. März 2024

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Rechtsextreme in der Polizei
"Das ist schwere Kriminalität"

Sollten sich die Vorwürfe gegen die Polizisten bestätigen, gehe er davon aus, dass "diese Kollegen nicht in der hessischen Polizei verbleiben können", sagte Andreas Grün, Landesvorsitzender der hessischen Gewerkschaft der Polizei im Dlf. Der Drohbrief sei schwere Kriminalität, die geahndet werden müsse.

Andreas Grün im Gespräch mit Stefan Heinlein | 17.12.2018
    Andreas Grün, Vorsitzender des hessischen Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei, GdP, (19.2.2016).
    Wenn das sich bewahrheitet, was hier in Rede steht, dann haben diese Personen in der hessischen Polizei nichts zu suchen, sagte Andreas Grün im Dlf. (dpa / picture alliance / Roland Holschneider )
    Stefan Heinlein: "Im Dienst von Demokratie und Rechtsstaat" – so die Aufgabenbeschreibung unserer Polizei. Keine selbstherrlichen Gesetzeshüter, sondern Staatsbürger in blau-grüner Uniform, zum Schutz der Bürger und zur Wahrung der Gesetze. Eine besondere Aufgabe und Verpflichtung. Wann immer Staatsdiener deshalb in Verdacht geraten, gegen die Pfeiler der Demokratie zu arbeiten, reagiert die Öffentlichkeit besonders sensibel. So auch im aktuellen Fall aus Frankfurt. Dort sollen einzelne Polizisten offenbar ein rechtsradikales Netzwerk gesponnen haben.
    Am Telefon begrüße ich jetzt den hessischen Landesvorsitzenden der GdP, der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Grün. Ich grüße Sie, Herr Grün!
    Andreas Grün: Guten Tag!
    Heinlein: Teilen Sie die öffentliche, die mediale Aufregung über diesen Frankfurter Fall?
    Grün: Natürlich kann man das verstehen, dass die Bevölkerung hier sich aufregt, zurecht aufregt. Das was hier in Rede steht, das ist natürlich mit nichts zu rechtfertigen. Sollten sich diese Vorwürfe dann tatsächlich bestätigen, dann muss es, wie eben schon im Bericht angeklungen, Konsequenzen haben. Dann müssen sich die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft ziehen lassen.
    Heinlein: Welche Konsequenzen hielten Sie für angemessen?
    Grün: Wenn das sich bewahrheitet, was hier in Rede steht, dann haben diese Personen in der hessischen Polizei nichts zu suchen.
    Heinlein: Ist das schon ein Dienstvergehen, wenn sich Polizisten gegenseitig rechte WhatsApp-Parolen schreiben?
    Grün: Das hat zumindest einmal einen disziplinaren Überhang, der geprüft werden muss, und darüber hinaus natürlich auch immer, ob es strafrechtliche Relevanz hat, und da scheinen ganz offensichtlich beide Belange hier erfüllt zu sein in diesem Fall. Von daher gehe ich davon aus, wenn es sich dann am Ende bewahrheiten wird, was diskutiert wird, dass diese Kollegen nicht in der hessischen Polizei verbleiben können.
    "Das ist schwere Kriminalität und muss verfolgt werden"
    Heinlein: Polizisten haben hier eine besondere Verantwortung, müssen aufpassen, was sie schreiben, auch wenn es private Nachrichten sind untereinander?
    Grün: Ja, selbstverständlich! Gerade auch, was den Vorwurf vom dienstlichen Computer aus angeht, dass dort eine geschützte Adresse ermittelt worden ist, die dann benutzt wurde, um diesen Drohbrief zu versenden, das ist schon schwere Kriminalität in meinen Augen und muss verfolgt werden.
    Heinlein: Herr Grün, Polizisten – Sie wissen es besser als ich – gerade in Großstädten haben es ja jeden Tag zu tun mit ausländischer Bandenkriminalität, mit Drogengangs, mit Prostitution, Schutzgeldern. Macht das Polizisten, Herr Grün, vielleicht besonders anfällig für ausländerfeindliches Gedankengut?
    Grün: Das hoffe ich nicht. Dass das in dem einen oder anderen Fall vielleicht so sein mag, das kann ich aber auch nicht ausschließen. Aber ich glaube, dass der überwiegende große Teil der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland mit beiden Füßen auf dem Grundgesetz steht. Die haben alle einen Diensteid geleistet. Auch in der Ausbildung, in den Studiengängen werden diese Inhalte vermittelt, Polizei, Gesellschaft und die Rolle im Staat. Ich glaube, das hat auch jeder verstanden. Aber schwarze Schafe gibt es überall, auch in der Polizei, und deshalb ist es ja gerade so wichtig für die Polizei, dass das hier sauber und schnell durchermittelt wird, dass am Ende Wahrheit und Klarheit darüber besteht, wer sich für was zu verantworten hat, damit die große Masse der Polizei dann auch wieder ein Stück weit zumindest Entlastung erfahren kann.
    "Ein Spiegelbild der Gesellschaft"
    Heinlein: Schwarze Schafe, sagen Sie, Herr Grün. Ist die Polizei letztendlich auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft?
    Grün: Ja, selbstverständlich ist die Polizei – das war immer so – ein Spiegelbild der Gesellschaft. Bei uns gibt es Rechtsbrecher, wie es das unter Staatsanwälten oder Richtern auch schon gegeben hat, zwar in einem geringeren Maße wie in der Gesellschaft, aber dennoch kommt das hin und wieder vor. Das wäre dumm, das zu ignorieren. Das machen wir auch nicht. Wir als Gewerkschaft der Polizei nehmen auch hier eine Rolle wahr, um uns zu positionieren, wie die Polizei zu funktionieren hat. Wir haben gerade vor wenigen Wochen in Berlin auf unserem Bundeskongress einen Leitantrag einstimmig verabschiedet, der sich ganz klar gegen Rechtsextremismus, gegen Linksextremis und gegen Populismus jeder Art verwehrt. Wir, die Gewerkschaft der Polizei, wir stehen für eine zivile, demokratische und durch und durch rechtsstaatliche Bürgerpolizei und für nichts anderes.
    Heinlein: Im Umfeld von Chemnitz – Sie erinnern sich – war ja viel die Rede von rechtsradikalen Problemen gerade im Umfeld der Polizei in Sachsen, in den neuen Bundesländern insgesamt. Zeigt jetzt Frankfurt, da gibt es tatsächlich keine Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern?
    Grün: Die genauen Zahlen und wie die erhoben worden sein sollen, das ist mir nicht bekannt. Es ist natürlich immer wieder zu lesen, dass gerade in Sachsen auch bei der Polizei rechte Tendenzen zu erkennen sind. Da gibt es auch einige tatsächliche Hinweise darauf. Aber inwieweit das jetzt dann tatsächlich die Polizei durchsetzt, in Sachsen und auch in Hessen – für Sachsen kann ich Ihnen da gar nichts sagen. Für Hessen kann ich nur sagen, das war bis jetzt seit langer, langer Zeit überhaupt ein so herausragender Fall in dieser Intensität, was hier beschrieben ist, was hier in Rede steht. Das hat es in der Vergangenheit meines Wissens so überhaupt noch nicht in Hessen gegeben.
    Heinlein: Sie fordern – das habe ich mir notiert -, dass die ganze Geschichte in Frankfurt sauber durchermittelt wird. Was meinen Sie damit?
    Grün: Nun, das ist ja jetzt abgegeben worden, die Ermittlungen, an das Landeskriminalamt, und das Landeskriminalamt hat jetzt die Aufgabe, diesen gesamten Fall von dem Chat, von den Inhalten des Chats innerhalb dieser Dienstgruppe bis hin zu dem Verfasser des Briefes und möglicherweise, falls es da noch was geben sollte, auch darüber hinaus durchzuermitteln, dass am Ende klar feststeht und die Staatsanwaltschaft eine Vorlage bekommt, wo keine Fragen offen sind und wo dieses Verfahren abschließend bewertet werden kann.
    "Kollegen müssen immer wissen, dass sie einen Ansprechpartner haben"
    Heinlein: Das ist die kriminalistische Seite dieses Frankfurter Falls. Sehen Sie auch eine politische Seite? Wie sollte die Politik, wie sollte der Staat insgesamt auf diese Entwicklung reagieren? Braucht es mehr politische Aufklärung bei den Beamten?
    Grün: Ich glaube, ich habe es vorhin schon mal erwähnt. Bei uns in Hessen im Bachelor-Studiengang, wenn Sie den Beruf des Polizisten erlernen und studieren, da wird ja auch auf diese Inhalte eingegangen. Da wird ja staatsrechtliches Wissen auch vermittelt. Da geht es auch um die deutsche Vergangenheit in der NS-Zeit. Ob das am Ende ausreicht, das vermag ich Ihnen jetzt auch nicht abschließend zu sagen. Was man darüber hinaus tun kann, ist sicherlich eine Kultur noch mehr zu schaffen, dass wenn es solche Erkenntnisse irgendwo bei der Polizei gibt, ob das jetzt hier in Hessen oder anderswo ist, dass die Kollegen auf jeden Fall immer wissen, dass sie einen Ansprechpartner haben. In aller Regel ist das auch die Gewerkschaft oder auch die Personalräte. Wir in Hessen haben einen Ansprechpartner für Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen, der sich allen möglichen Fällen, die außerhalb personalrätlicher und behördlicher Beratung stehen, dann noch darüber hinaus annimmt und die dann mit der Politik erörtert.
    Heinlein: Die Bundeswehr – Sie wissen es, Herr Grün – hat bereits diesen Ansprechpartner, den Wehrbeauftragten. Braucht es Ähnliches bei der Polizei? Der Grünen-Politiker Omid Nouripour hat heute Morgen bei uns in unserer Frühsendung, in den "Informationen am Morgen" ja Ähnliches gefordert.
    Grün: Wir in Hessen haben den seit vielen Jahren. Wir haben einen Ansprechpartner der Polizei für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die im Dienst irgendwie ein Problem haben und mit den vorhandenen Strukturen nicht weiterkommen. Da haben wir eine darüber hinausgehende Institution, nämlich den Ansprechpartner der hessischen Polizei. Andere Bundesländer haben ähnliche Institutionen, die aber hauptsächlich aus einer Misstrauenskultur entstanden sind, dass sich die Bürger bei übergriffigem Verhalten an den Ansprechpartner der Polizei dann wenden können. Das ist in Hessen ein bisschen anders. Inwieweit hier eine Notwendigkeit besteht, das möchte ich mal dahingestellt sein lassen. Jedenfalls sind auch für Beschwerden, die von außerhalb auf die Polizei einwirken, schon heute, glaube ich, mit den Staatsanwaltschaften, anderen Polizeidienststellen, den Parlamenten und auch nicht zuletzt der Presse genügend Institutionen auf dem Markt, die sich darum kümmern können.
    "Die Vorgesetztenrolle ist eine ganz entscheidende"
    Heinlein: Jeder, der Krimis verfolgt, der vielleicht auch amerikanische Filme verfolgt, weiß: Es gilt ja nicht als besonders ziemlich, dass Polizisten untereinander sich anschwärzen. Es gibt eine Art Schweigespirale. Ist es möglich, mit so einem Ombudsmann, mit so einem Ansprechpartner, den es offenbar in Hessen gibt, tatsächlich diese Schweigespirale zu durchbrechen?
    Grün: Die Institution, von der wir jetzt hier in Hessen reden, die widmet sich ja nur speziellen Fällen, die sich dann an den Ansprechpartner wenden. Inwieweit der dann in der Lage ist, irgendwelche Strukturen zu erkennen, das vermag ich Ihnen jetzt auch nicht zu sagen. Ich erkenne aber auch momentan nicht unbedingt die Notwendigkeit einer solchen Institution, weil es wie gesagt in der Vergangenheit vergleichbare Fälle auch überhaupt nicht gegeben hat. Ich glaube, die Vorgesetztenrolle ist hier noch mal eine ganz entscheidende. Wenn Vorgesetzte vom Dienstgruppenleiter über die Dienststellenleiter bis hin zu Direktionsleitern und dem Polizeipräsidenten Erkenntnis bekommen, dass in ihrem Bereich irgendetwas nicht mehr sauber läuft, dass es Tendenzen gibt, dass sich nationalistisches oder rechtsradikales, linksradikales Gedankengut in der Polizei in irgendeiner Art und Weise breitgemacht hat, dann sollten die Vorgesetzten auch unmittelbar eingreifen und als diese Vorgesetzteninstanz dann auch verantwortlich tätig werden.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag der hessische GdP-Vorsitzende Andreas Grün. Herr Grün, ganz herzlichen Dank für Ihre Offenheit, für das Gespräch, und ich wünsche Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit.
    Grün: Danke schön. Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.