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Rechtsextremismus am Arbeitsplatz

Der Betriebsratsvorsitzende von EKO Stahl Eisenhüttenstadt, Holger Wachsmann, hat die Unternehmen in Deutschland aufgefordert, Rechtsextremismus am Arbeitsplatz zu bekämpfen. Die Firma EKO habe zum Beispiel eine Arbeitsordnung für alle Mitarbeiter herausgegeben, in der partnerschaftliches Verhalten auch außerhalb des Arbeitsplatzes verlangt werde.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Flagge zeigen, Demokratie stärken, Rechtsextremismus bekämpfen. Unter diesem Motto lädt das SPD-Forum Ostdeutschland heute Nachmittag nach Leipzig ein. Politprominenz ist vertreten, verschiedene Initiativen gegen Rechtsextremismus sind dabei. Eine der immer wiederkehrenden Fragen solcher Runden wird gestellt, wie nämlich gesellschaftliches Engagement mobilisiert werden kann. Ich bin sicher, auch Sie, die Hörer, haben so etwas oft und oft gehört, vor allem von Politikern, Wissenschaftlern und anderen Experten. Holger Wachsmann reicht das nicht. Er meint, es müssten sehr viel mehr Stimmen aus der Wirtschaft, aus den Unternehmen gehört werden. Deshalb geht er zu dieser Tagung und diskutiert mit. Er ist der Vorsitzende des Betriebsrats von EKO Stahl Eisenhüttenstadt, einem Unternehmen mit etwa 3000 Beschäftigten. Herr Wachsmann, weshalb sollten denn mehr Stimmen aus der Wirtschaft, aus Unternehmen gehört werden, wenn es um den Kampf gegen den Rechtsextremismus geht?

    Holger Wachsmann: Na ja, oft sind Experten aus irgendwelchen Instituten oder Politiker, ich will nicht sagen, weit weg vom Leben, nicht so eng in Kontakt mit Jugendlichen, aber das ist kein spezifisches Jugendthema, sondern da, wo der Lebensmittelpunkt der Menschen ist, ist auch die Arbeit. Da müssten die Verantwortlichen mehr auch diese Verantwortung übernehmen und mehr die Diskussion führen. Das ist nun mal in den Betrieben, in den Schulen und in den Vereinen, und da brauchen wir die Diskussion.

    Durak: Was wissen Sie denn im Unternehmen, in den Firmen, an der Basis in Bezug auf rechtsextremistisches Denken und Handeln, was die Politiker und Experten nicht wissen, wie Sie meinen?

    Wachsmann: Bei uns sind auf jeden Fall die Menschen, um die es geht, und natürlich müssen wir da die Menschen abholen, wo sie sind, und das ist nun mal die Arbeit und das Leben. Natürlich merken wir auch im alltäglichen Leben in den Betrieben wie bei uns zum Beispiel, wo keine Vorfälle sind, aber oft halten sich die Leute zurück. Auch im normalen Leben bei den Diskussionen merkt man schon, dass es mit den Vorurteilen losgeht, und ich glaube, da müssen wir ansetzen gegen die latente Fremdenfeindlichkeit und auch klarmachen, dass Ausgrenzung und Intoleranz nichts bringt und schon gar nicht Arbeitsplätze schafft.

    Durak: EKO Stahl ist ein großes Unternehmen. Es war mal sehr viel größer, jetzt sind noch 3000 Menschen beschäftigt und gut beschäftigt. Was tut Ihr Unternehmen gegen Rechtsextremismus?

    Wachsmann: Ich sage mal, punktuell ist schon immer bei EKO gearbeitet worden. Zum Beispiel gab es 1997 einen Vorfall, wo Auszubildende in der Freizeit in einer Prügelei mit einem ausländischen Koch in einer Gaststätte verwickelt waren. Der eine kam ins Gefängnis, der andere durfte seine Ausbildung beenden, wurde aber nicht übernommen. Das wurde auch sehr stark öffentlich gemacht. Das war einer der Ausgangspunkte. Seit 1998 ist der Betriebsrat aktiv. Damals wurde eine Plattform gegen Rechts gegründet. Die Geschäftsführung ist mit einem Ausruf rausgegangen gegen Rechtsextremismus, Gewalt und für Toleranz. Seitdem kann man sagen, dass EKO regelmäßig in Aktion ist. In einer Arbeitsordnung für alle Mitarbeiter gibt es auch einen Punkt, partnerschaftliches Verhalten außerhalb des Arbeitsplatzes, wo wir gemeinsam, die Geschäftsführung und der Betriebsrat, formuliert haben, wie wir doch eigentlich erwarten, dass sich unsere Mitarbeiter außerhalb des Arbeitsplatzes verhalten sollen.

    Durak: Das scheint mir aber doch schwierig zu sein, eine Arbeitsordnung, die sich auf Bereiche außerhalb der Firma bezieht, das muss doch nicht sein. Es gibt Meinungsfreiheit, und irgendwo enden auch die Befugnisse der Firma.

    Wachsmann: Ja, rechtlich ist es natürlich sehr kompliziert, aber wir haben gesagt, das Thema der Verantwortung endet nicht am Firmengelände. Zumindest wollten wir gemeinsam unsere Meinung zeigen, dass wir außerhalb des Unternehmens schon sehen, dass Toleranz auch wichtig ist, zum Beispiel auch für den Erhalt von Arbeitsplätzen. EKO ist gerade ein Unternehmen, das auf Internationalismus aufgebaut ist. Unsere Rohstoffe kommen aus dem Ausland, unsere Produkte gehen ins Ausland. Ohne Toleranz und gerade Zusammenarbeit mit Fremden oder gerade ausländischen Menschen würde es EKO gar nicht geben.

    Durak: Das heißt, auch die Konzernleitung ist interessiert an einem sauberen Unternehmen, sage ich mal. Also es gibt handfeste wirtschaftliche Interessen?

    Wachsmann: Also ganz deutlich neben den humanistischen Interessen gibt es ganz klar Wirtschaftsinteressen. Auch zu DDR-Zeiten war es so. Unsere Rohstoffe sind damals aus der ehemaligen Sowjetunion und Polen gekommen, auch damals gingen Produkte von uns ins Ausland. Jetzt ist es auch so, Koks kommt aus Polen, Erz aus Brasilien aber teilweise noch aus Russland. Unsere Kunden sind ganz stark in Osteuropa, und deswegen können wir auch aus wirtschaftlichen Gründen Rechtsextremismus hier nicht gebrauchen.

    Durak: Sie sind in der DDR geboren und dort auch aufgewachsen. Wie erklären Sie sich, dass es in Ostdeutschland einen solchen rechtsextremistischen Hang und Drang gibt bei der Erziehung, die es früher gegeben hat?

    Wachsmann: Bei den Jüngeren ist die Erziehung sowieso nicht mehr da. Bei den Älteren sollte sie da sein. Ich glaube, vieles ist natürlich gelernt, aber nicht verinnerlicht worden. Ich glaube, Ostdeutschland hat ähnliche Probleme wie Westdeutschland, aber was insbesondere dazu kommt, ist, dass nach der Wende zu hohe Erwartungen da waren und viele zu stark enttäuscht wurden. Auch diese ostdeutsche Tugend, die es mal gab, da ist nichts gegen zu sagen gegen Nationalstolz, aber das ist natürlich immer nahe an einer Grenze, und es kann in Extremismus kippen. Ich denke, die wirtschaftliche Lage ist mit ein Grund, aber nicht der alleinige.

    Durak: Sie sagten eingangs, Rechtsextremismus sei nicht nur ein Jugendproblem. Können Sie das näher erläutern?

    Wachsmann: Ich denke, es ist jedem klar, die Jugendlichen sind die Spitze des Eisbergs. Sie reden nur das offen aus, was oft auch die älteren Kollegen denken. Ich sage es mal so, ich habe mitgekriegt, wenn Ältere, auch die Eltern vernünftig auf die Jugendlichen zugehen und mit ihnen diskutieren, ist das Problem nicht so, da wird ausgesprochen, was in der ganz normalen Bevölkerung gedacht wird. Das funktioniert auch nur dann, wenn dieses Verhalten von den anderen Mitbürgern toleriert wird. Deswegen ist es kein Jugendproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem.

    Durak: Danke für das Gespräch.