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Rechtsextremismusverdacht
"Es muss an jeder Stelle geguckt werden"

Mit Blick auf die Ermittlungen gegen ein mutmaßlich rechtsextremes Netzwerk in der Frankfurter Polizei fordert Horst Klee eine lückenlose Aufklärung. Durch die Vorfälle würden aktuell alle 14.000 Polizeibeamte in Hessen unter Generalverdacht stehen, sagte der hessische CDU-Politiker im Dlf.

Horst Klee im Gespräch mit Sandra Schulz    |
    Ein Polizeiwagen steht vor dem 1. Polizeirevier auf der Zeil in Frankfurt am Main.
    Das 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main. (picture alliance / dpa / Boris Roessler )
    Sandra Schulz: Bewegte Zeiten in Hessen. Einen neuen Koalitionsvertrag haben CDU und Grüne in der Nacht ausgehandelt. Gleichzeitig beschäftigen das Land Meldungen und Ermittlungen gegen ein mutmaßliches rechtsextremes Netzwerk in der Frankfurter Polizei. Gegen fünf Frankfurter Polizeibeamte wird jetzt ermittelt, unter anderem wegen Volksverhetzung. Sie waren vom Dienst suspendiert worden, weil sie sich beleidigende und fremdenfeindliche Posts zugeschickt haben sollen.
    Welchen Zusammenhang es gibt zwischen dieser Gruppe und den Drohbriefen, die die Frankfurter Anwältin Basey-Yildiz bekommen hat, das gehört noch zu den vielen offenen Fragen. Heute kommt der Innenausschuss im hessischen Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Gestern berichtete die "FAZ" noch über Ermittlungen in weiteren Polizeipräsidien.
    Wir können darüber in den kommenden Minuten sprechen mit dem Mann, der bei der politischen Aufklärung eine wichtige Rolle spielt. Am Telefon ist Horst Klee (CDU), der Vorsitzende des Innenausschusses im hessischen Landtag. Schönen guten Morgen.
    Horst Klee: Guten Morgen.
    Schulz: Wie groß ist das Problem?
    Klee: Es ist natürlich ein Problem, was auch schon medial aufgeschlagen ist, und es ist wichtig, dass das Landeskriminalamt jetzt die Ermittlungen durchführt und wir dann auch erkennen, ob es über den Rahmen von Frankfurt hinaus noch weitere Verquickungen gibt. Es ist jetzt zu früh, schon ein Fazit zu ziehen, sondern wir brauchen einfach die Ermittlungen, und ich schließe auch nicht aus, dass der Innenausschuss heute nur ein Zwischenschritt ist in Richtung weiterer Informationen, die uns aus dem Innenministerium dann gegeben werden.
    Der hessische Landtag ist ja noch bis zum 18. Januar im Amt, bis dann die neue konstituierende Sitzung ist, und bis dahin haben wir die Verantwortung und ich schließe auch nicht aus, dass es eventuell noch bis dahin zu weiteren Sitzungen kommt.
    "Mit diesem Vorfall sind 14.000 Polizeibeamte in Hessen mit im Verdacht"
    Schulz: Um es mit einem anderen Hessen zu sagen: Das wird jetzt brutalst möglich aufgeklärt?
    Klee: Na ja. Ich sage mal, das mit dem brutalst möglich aufgeklärt - wir haben ja schon die Stellungnahme des Herrn Rudolph gehört. Ich bin der Meinung, dass bis jetzt alles getan worden ist, was machbar ist, und ich gehe mal davon aus, dass wir dann über die Ermittlungsergebnisse auch etwas erfahren, und wir werden heute mit Spannung die Ausführungen des hessischen Innenministers zur Kenntnis nehmen. Dabei wird es logischerweise Nachfragen geben.
    Es wird auf jeden Fall heute eine muntere und spannende Sitzung. Ich hätte mir vor Weihnachten eher eine ruhigere Sitzung gewünscht, wenn überhaupt, aber es wird heute sicher ein bisschen höher hoch hergehen als sonst im Innenausschuss.
    Schulz: Das klingt jetzt bei Ihnen so: Na ja, das wird ganz interessant, das wird ganz spannend. Deutlich beunruhigt sind Sie im Moment nicht?
    Klee: Sicher bin ich natürlich beunruhigt, denn letztendlich sind damit, mit diesem Vorfall 14.000 Polizeibeamte in Hessen logischerweise mit im Verdacht, und das muss aufgeklärt werden, schnellstens, und das ist ganz wichtig, dass wir da auch zeitlich nicht allzu lange brauchen.
    Ich gehe mal davon aus, dass trotz der Winterpause und der Ferien hier zügig aufgeklärt wird, denn wir müssen einfach mehr wissen und wir müssen dann letztendlich auch Konsequenzen ziehen, die ja der hessische Innenminister auch angekündigt hat und die, ich meine, von allen demokratischen Fraktionen im hessischen Landtag auch unterstützt werden.
    Der hessische CDU-Politiker Horst Klee
    Der hessische CDU-Politiker Horst Klee (dpa/Arne Dedert)
    "Es muss an jeder Stelle geguckt werden"
    Schulz: Manche erschrecken sich ja auch schon ordentlich darüber, was wir bisher wissen. Es gibt zum Beispiel die Äußerung von Oliver Malchow – das ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Der sagt: "Ich weiß, dass ein größerer Teil dieser vielen Menschen, die einen Eid auf unsere Verfassung geschworen haben, sich heimlich radikalisiert haben." Wie werden die jetzt gesucht oder gefunden?
    Klee: Ich gehe mal davon aus, dass das, was jetzt in den Raum gestellt wird, dass es da breite Netzwerke in der gesamten hessischen Polizei gibt, das wollen wir erst einmal abwarten, was die Ermittlungen erbringen. Da schon gleich Generalverdacht zu machen, das halte ich für verfrüht. Aber es gibt überhaupt keinen Rabatt an irgendeiner Stelle.
    Es muss an jeder Stelle geguckt werden, was da wirklich Sache ist, und dann will der hessische Landtag wissen, um was es geht, und letztendlich will er auch die Konsequenzen erfahren, und zwar bevor die Medien informiert werden. Das ist die Aufgabe des Parlaments. Letztendlich sind wir das Kontrollorgan der Regierung und dementsprechend wollen wir auch frühzeitig informiert werden.
    Schulz: … hat bisher ja nicht so gut geklappt. Die Meldungen sind jetzt ja erst mal über die Medien gelaufen. Wie finden Sie das?
    Klee: Die Linken haben frühzeitig diese Innenausschuss-Sitzung beantragt. Das ist dann auch gleich in die Wege geleitet worden. Ich sehe da überhaupt keinen Zeitverzug. Die Vorverurteilungen, die der Vertreter der SPD vorgenommen hat, die kann ich nicht teilen.
    Schulz: Okay. Das ist sicherlich auch Parteipolitik, die da eine Rolle spielt.
    Klee: Ja.
    "Ich bin der Meinung, das wird auch im allgemeinen Interesse sein, dass es aufgeklärt wird"
    Schulz: Was Sie jetzt noch nicht so genau erklärt haben ist: Sie sagen, es muss jetzt genau geguckt werden. Wie soll dieses Gucken aussehen? Es gibt ja den Vorschlag, eine neue Anlaufstelle zu schaffen, damit unabhängig auf Fälle aufmerksam gemacht werden kann - eine Ombudsperson. Braucht die Polizei so was, eine Vertrauensperson?
    Klee: Ich denke, dass der Polizeiapparat so viele Kontrollfunktionen hat, dass er mit denen, die er jetzt hat, auch zurechtkommt. Ich halte nichts davon, jetzt schon wieder weitere Institutionen in den Raum zu stellen, die im Prinzip alle nur dazu führen, dass es weitere Zeitverzögerung gibt. Dann gibt es noch mehr Anlaufstellen.
    Ich bin der Meinung, dass die Polizei so aufgestellt ist, dass sie das in ihren Reihen regeln kann. Wir brauchen jetzt die Aufklärung durch das Landeskriminalamt. Das ist jetzt die Stelle, die ermittelt, und solange müssen wir abwarten, was da kommt. Da kann auch der Innenminister heute sicher nur ein Zwischenergebnis, wenn überhaupt, vortragen.
    Schulz: Aber Sie verstehen, dass diese Perspektive, der Apparat soll sich da jetzt mal selbst aufklären, dass die auch viele nervös macht nach der Vorgeschichte, die es ja rund um den NSU in Hessen gegeben hat, um einen V-Mann, der bei einem NSU-Mord mutmaßlich am Tatort war, wo die Aufklärung auch eher schleppend gelaufen ist? Diese Unruhe verstehen Sie?
    Klee: Ich verstehe die Unruhe, ganz klar. Das ist ein Vorgang, den kann man auch nicht kleinreden. Da gibt es überhaupt keine Frage. Das ist schon eine sehr, sehr ernste Situation und vor allen Dingen muss man gucken, ob es da Hintermänner gibt und ob es mehr gibt, als wir bis jetzt wissen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt und das muss alles - Ich bin der Meinung, das wird auch im allgemeinen Interesse sein, dass es aufgeklärt wird.
    Da ist der Innenminister an vorderster Front gefordert und letztendlich hat auch der Ministerpräsident ein Interesse daran, die neue Koalition, die sich ja dann gefunden hat oder findet, nicht von vornherein mit einem solchen Vorgang zu belasten.
    Peter Beuth (CDU/Hessen) zu Beginn der Innenministerkonferenz in Magdeburg
    Hessens Innenministe Peter Beuth (CDU) (picture alliance/Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/dpa)
    "Das muss ja eine sehr geschlossene Truppe gewesen sein"
    Schulz: Ist Peter Beuth, der nun in der Tat diesen Vorgang auf den Schultern trägt, potenziell überhaupt noch der richtige Mann, wenn die CDU jetzt gerade in dem neuen Koalitionsvertrag ausgehandelt hat, dass das Innenressort bei Ihnen bleibt?
    Klee: Mir ist im Moment nichts bekannt, wie das neue Kabinett zusammengesetzt wird. Ich bin der Meinung, der Peter Beuth hat bisher einen guten Job gemacht. Der Job des Innenministers ist ja auch kein einfacher. Da gibt es ja ständig eine Masse von Problemen.
    Aber ich bin der Meinung, dass Peter Beuth bis jetzt da keine Fehler gemacht hat. Ob er wieder Innenminister wird im neuen Kabinett, ist mir nicht bekannt.
    Schulz: Okay, wenn wir jetzt noch mal den Schritt zurück machen zu dem Einzelfall. Wir sprechen im Moment über Ermittlungen gegen fünf Beamte, die suspendiert sind, die sich Hitler-Bilder, fremdenfeindliche Posts, rassistische Posts zugeschickt haben sollen.
    Klee: Ja.
    Schulz: Finden Sie es plausibel, dass die das absolut im Geheimen gemacht haben und dass davon niemand was mitbekommen hat?
    Klee: Ich bin jetzt niemand, der in den sozialen Medien so sehr unterwegs ist, und mir ist auch nicht bekannt, ob es da Weiterungen gibt, dass andere da hineingucken können oder so. Das muss ja eine sehr geschlossene Truppe gewesen sein. Und der Vorgang ist ja auch nur durch einen Zufall aufgefallen.
    Ob da alle Kontrollfunktionen so sind, wie sie sein müssten - wir haben ja Datenschutz, wir haben ja tausend Vorschriften, die an jeder Stelle zu beachten sind. Ich muss sagen, was da passiert ist, dass das nicht aufgefallen ist, nicht früher aufgefallen ist, erschließt sich mir nicht. Aber ich bin da nicht Fachmann genug, um zu sagen, da sind Fehler gemacht worden.
    Schulz: Aber dass es durch einen Zufall aufgekommen ist, finden Sie das gut oder schlecht?
    Klee: Bitte!
    Schulz: Dass das, wie Sie gerade sagen, nur zufällig bekannt wurde, finden Sie das gut, oder ist das nicht gerade Teil des Problems?
    Klee: Man hat in dem Moment ermittelt, als die Anwältin bedroht worden ist, und dann ist man erst auf diese Dinge gekommen. Ich sage mal, vielleicht ist Zufall auch das verkehrte Wort. Aber durch diesen Vorgang ist ja alles letztendlich an die Öffentlichkeit gekommen.
    Ob da Versäumnisse sind, das wird auch durch die Ermittlungen letztendlich kommen, und dann wird man unter Umständen zum Schluss die Frage noch einmal stellen, ob es in irgendeiner Form doch vielleicht zu einer Stelle kommen muss, die ein bisschen polizeiunabhängiger ist.
    Aber das wage ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Das wird auch Sache sein, die der neue Landtag nach Konstituierung in der neuen Legislaturperiode prüfen muss. Das wird sicher bis zum 17. Januar für meine Begriffe nicht zu machen sein.
    Schulz: Der CDU-Politiker Horst Klee, Vorsitzender des Innenausschusses im hessischen Landtag, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke dafür!
    Klee: Ich bedanke mich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.