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"Rechtslage ist eindeutig"

Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber hat Bayern zur Offenlegung der EU-Subventionen an Landwirte aufgefordert. Bayern sei verpflichtet, die Zahlen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, sagte Ferber. Dazu habe man sich auf europäischer Ebene geeinigt.

Markus Ferber im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Wir befinden uns im Jahr 2009 nach Christus. Ganz Deutschland wird von der Europäischen Union überwacht. Ganz Deutschland? - Nein! Eine von unbeugsamen Bayern bevölkerte Region hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten, und das Leben ist nicht leicht für die europäischen Funktionäre, die sich als Besatzung in den befestigten Lagern von Brüssel liegen. Wo bei Asterix noch zerbeulte Schilde, abgebrochene Lanzen und viel Verbandsmaterial den Einsatz bilden, geht es in Unions-Europa um Milliarden, zum Beispiel um Agrarmilliarden. Die EU-Kommission will Deutschland zur Offenlegung aller Empfänger von Agrarsubventionen zwingen. Weil Bayern die Auskunft weiter verweigert, leitete die Brüsseler Behörde nun ein Strafverfahren gegen die Bundesregierung ein. Ilse Aigner - sie gehört der CSU an - forderte Bayern (und das heißt ihre Parteifreunde in München) auf, für Klarheit zu sorgen. Die Bundeslandwirtschaftsministerin im Deutschlandfunk:

    " Es ist auch schon angekündigt worden und wir werden jetzt zu dem Vertragsverletzungsverfahren Stellung nehmen und dementsprechend auch an Bayern dann die Aufforderung weiterleiten, dass die Daten veröffentlicht werden müssen."

    Heinemann: Am Telefon ist der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber. Guten Morgen.

    Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Ferber, wie sollte Bayern auf Frau Aigners Aufforderung reagieren?

    Ferber: Die Rechtslage ist eindeutig. Bayern ist verpflichtet, diese Zahlungen ins Internet zu stellen und der Bundesregierung und der europäischen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Deswegen kann ich nur empfehlen, das zu tun, wozu wir uns allemal auf europäischer Ebene verpflichtet haben, nämlich alle Zahlungen, die von der EU kommen, zu veröffentlichen.

    Heinemann: Warum nicht gleich so?

    Ferber: Es war natürlich eine lange Diskussion. Ich will nur daran erinnern, dass es die Bundesrepublik Deutschland selber war, die auf diese Veröffentlichungspflicht gedrängt hat - zwar nicht bei der Agrarpolitik, sondern bei der Strukturpolitik. Da ging es um die Frage, ob Verlagerungen von Unternehmen mit den EU-Mitteln finanziert werden, und in Brüssel hieß es dann natürlich, wenn veröffentlicht wird, dann müssen alle Subventionen veröffentlicht werden. Also man darf sich jetzt nicht über das grämen, was man selber mal initiiert hat.

    Heinemann: Warum hat Bayern, warum hat die CSU nicht gleich so reagiert? Noch mal die Frage.

    Ferber: Das dürfen Sie mich nicht fragen, ich bin ja nicht der bayerische Landwirtschaftsminister, ich bin nicht Mitglied der bayerischen Staatsregierung. Ich habe bei all meinen Gesprächen hingewiesen, wie die Rechtslage ist. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass es unfair ist zu behaupten, Brüssel würde mit dem Steuerzahlergeld nicht ordentlich umgehen, und selber ist man nicht bereit, die notwendigen Informationen zu liefern, dass ordentlich damit umgegangen wird, weil rund 80 Prozent der Mittel, die die EU verausgabt, die über die Verwaltungen der Mitgliedsstaaten verausgabt werden. All das gehört in diesen Kontext rein, und deswegen kann ich nur empfehlen, die Zahlen zu veröffentlichen. Auch der Hinweis, man müsse jetzt noch den Vorlagebescheid beim Europäischen Gerichtshof abwarten, da möchte ich nur darauf hinweisen: Vorlagebescheide beim Europäischen Gerichtshof haben keine aufschiebende Wirkung. Das ist im Unterschied zum deutschen Rechtssystem, so dass sich daraus nicht ableiten lässt, eine Rechtsposition jetzt nicht veröffentlichen zu müssen, so wie das bayerische Landwirtschaftsministerium argumentiert.

    Heinemann: Herr Ferber, warum verstehen Ihre Parteifreunde in München Ihre Erklärung nicht?

    Ferber: Das ist eine Frage, die ich jetzt nicht im Radio diskutieren will, Herr Heinemann.

    Heinemann: Sind Sie mit denen nicht im Kontakt?

    Ferber: Ich bin natürlich mit denen in Kontakt.

    Heinemann: Na also!

    Ferber: Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, wie die Rechtslage ist, dass sie eindeutig ist, dass wir als Bayern mit verursacht haben, dass es überhaupt dazu gekommen ist. Ich erinnere an die Diskussionen Verlagerung von Elektrolux aus Nürnberg nach Polen, ob da EU-Gelder geflossen sind oder nicht, und so kam die ganze Diskussion mal zustande, das ist schon ein paar Jahre her. Daran will sich heute aber leider keiner mehr erinnern.

    Heinemann: Herr Ferber, könnte ein Grund für die Weigerung der bayerischen Staatsregierung auch darin bestehen, dass namhafte bayerische Politiker Subventionen erhalten?

    Ferber: Das halte ich für eine sehr abenteuerliche These, weil es auch Politiker in anderen EU-Mitgliedsstaaten und auch in anderen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland gibt, die EU-Agrarsubventionen bekommen. Das wäre also eine sehr kurz gesprungene Argumentation. Ich habe sogar immer empfohlen, dass wir diese Veröffentlichung machen, weil wir dann eine politische Diskussion bekommen, dass zielgerichteter gerade den bayerischen Bauern geholfen werden kann, die ja nicht die größten Empfänger sind, sondern zu den Kleinempfängern in der Europäischen Union gehören.

    Heinemann: Umso unverständlicher die Weigerung!

    Ferber: Ja! Darum habe ich ja auch immer gesagt, wenn wir wollen, dass wir zu einer Veränderung der Ausgleichszahlungspolitik der EU kommen, wird uns die Transparenz helfen. Weil ich glaube schon, dass die Menschen Verständnis dafür haben, dass jemand, der eine Almwiese oder im benachteiligten Gebiet eine Landbewirtschaftung macht, teurere Produktionskosten hat als ein Großbetrieb in den Niederlanden, der hier schon Skalenvorteile hat.

    Heinemann: Herr Ferber, will sich die CSU im Wahljahr einmal mehr auf Kosten der EU profilieren, nach dem Prinzip "mir san mir"?

    Ferber: Das wird nicht sehr erfolgreich sein, weil ja auch die Bundesregierung dieser Offenlegungspflicht zugestimmt hat und auch CSU-geführte Ministerien dabei waren.

    Heinemann: Sollte die Bundesregierung eventuelle Strafzahlungen, wenn es dazu käme, mit den Subventionen für bayerische Landwirte verrechnen?

    Ferber: Das ist das gängige Verfahren, das in allen EU-Mitgliedsstaaten so zur Anwendung kommt, und das wird auch so laufen. Ich will aber auch mal darauf hinweisen, weil hier auch viel Unfug erzählt wird: Die Strafzahlungen werden nicht rückwirkend fällig, sondern sie werden dann fällig, wenn sie wirklich verhängt sind. Das ist ein sehr komplexes Verfahren, das auch vom Europäischen Gerichtshof abgesichert sein muss. Also wer hier sagt, hier stehe unmittelbar die Einziehung von Agrargeldern bevor, das ist nicht richtig. Wir haben bisher einmal ein solches Verfahren durchgezogen gegenüber Griechenland bei der Nichtumsetzung einer Umweltschutzrichtlinie; es hat 13 Jahre gedauert, bis Griechenland wirklich Strafe zahlen musste. Also hier sollten wir doch auch ein bisschen die Wahrheit verkünden.

    Heinemann: Aber man kann unterm Strich festhalten: Der Rest deutscher Steuerzahler muss für die bayerische Sturheit nicht aufkommen?

    Ferber: Das wird sicherlich so sein, weil ich gehe davon aus, dass bevor wirklich eine Strafzahlung festgesetzt wird auch die Zahlen, die ja vorliegen in Bayern - es ist ja nicht so, dass die jetzt erst erhoben werden müssen -, dass die dann auch im Internet zur Verfügung stehen, so dass dem deutschen Steuerzahler kein Schaden entsteht.

    Heinemann: Fürchtet die bayerische Staatsregierung eine Neiddebatte im Freistaat?

    Ferber: Noch mal: Die Diskussion stehen wir schon durch, weil wir bäuerliche Familienbetriebe haben, die ja nicht zu den Großempfängern gehören. Wir hatten ja selber als Bayern mal vorgeschlagen, bestimmte Schwellenwerte einzuführen. Bei einem Schwellenwert von 10.000 Euro wären weit über 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe nicht veröffentlicht worden, weil sie unterhalb dieser 10.000 Euro liegen. Das zeigt, dass hier nicht die Großverdiener aus den Ausgleichszahlungen sitzen. Und noch mal: Das hätte uns ja politisch genutzt. Wenn wir wollen, dass im benachteiligten Gebiet, dass in den Berggebieten Landwirtschaft betrieben wird für die Gesellschaft auch als Kulturpflege, um Tourismus anzulocken, dann muss es der Gesellschaft auch etwas wert sein, und diese Diskussion hätten wir mit der Veröffentlichung ja noch etwas fundierter führen können.