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Rechtspopulist Wilders vor Gericht
Anklage wegen Volksverhetzung

Im März 2017 wird in den Niederlanden ein neuer Ministerpräsident gewählt. Gute Chancen auf den Posten hat der EU-Gegner und Islamkritiker Geert Wilders. Aktuell muss er sich allerdings wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Hass vor Gericht verantworten. Ihm drohen zwei Jahre Haft.

Von Kerstin Schweighöfer | 14.10.2016
    Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders spricht am 13.04.2015 auf einer Kundgebung des islamkritischen Pegida-Bündnisses in Dresden.
    Heute entscheiden die Richter in Amsterdam, ob der Prozess gegen Rechtspopulist Geert Wilders eingestellt wird, wie sein Verteidiger fordert. (dpa / picture-alliance / Jan Woitas)
    "Ich weiss nicht, was ich hier zu suchen habe. Ich habe meine Wähler lediglich gefragt, ob sie sich in diesem Land mehr oder weniger Marokkaner wünschen. Ich habe in diesem Gerichtssaal nichts verloren.”
    Geert Wilders Ende September bei seinem letzten Erscheinen vor einem schwerbewachten Gericht auf dem Gelände des Amsterdamer Flughafens Schiphol. Zum zweiten Mal in den letzten zehn Jahren muss sich der hochblond gefärbte Islamgegner aufgrund von diskriminierender Bemerkungen gegenüber muslimischen Mitbürgern vor den Richtern verantworten. Maximal zwei Jahre Haft drohen ihm - wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Hass.
    Konkreter Anlass: Nach den Kommunalwahlen im März 2014 hatte Wilders seine Anhänger in einem voll besetzten Saal gefragt, ob sie sich mehr oder weniger Marokkaner wünschten: "Weniger!” brüllte der Saal.” Worauf der rechtspopulistische Politiker versprach: "Dann werde ich dafür sorgen!
    6.000 Bürger stellten Anzeige gegen Wilders
    Am nächsten Morgen regnete es Anzeigen von empörten Bürgern, mehr als 6.000 gingen ein. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln; die Regierungsparteien bekundeten ihr Entsetzen. So bezeichnete der sozialdemokratische Innenminister Lodewijk Asscher Wilders Worte als "widerlich und ekelhaft”: "Er hat eine ganze Bevölkerungsgruppe ins Abseits gedrängt. Ich kenne marokkanische Mitbürger, die es mit der Angst zu tun bekommen haben.”
    Viele Niederländer begrüßen den Prozess, darunter nicht nur Muslime. "Wir müssen Wilders Einhalt gebieten!” fordert Gerald Roethof. Der 43 Jahre alte Jurist aus Amsterdam muss sich wegen seiner dunklen Hautfarbe regelmäßig von der Polizei anhalten lassen, weil er einen teuren Sportwagen fährt. Denn Roethofs Eltern stammen aus Surinam, der ehemaligen niederländischen Kolonie im Norden von Lateinamerika:
    "Der sichtbare Rassismus in den Niederlanden hat zugenommen. Das liegt am politischen Klima. Anstatt Vorbild zu sein, können Politiker bei uns die Gesellschaft von oben herab vergiften. In dem sie zum Beispiel verkünden, dass sie weniger Marokkaner im Land haben wollen. Vor zehn Jahren noch wäre das undenkbar gewesen!”
    Verteidigung beruft sich auf Wahlkampfaussagen
    Doch ob es zu einer Verurteilung kommt, ist fraglich. Wilders Verteidiger Geert Jan Knoops, der zu den besten Rechtsanwälten des Landes zählt, hat die Einstellung des Verfahrens gefordert. Die Richter hätten sich nicht in die Politik einzumischen, es gehe um politische Äußerungen, die sein Mandant im Rahmen des Wahlprogramms seiner Partei gemacht habe.
    Wilders selbst wirft der Staatsanwaltschaft vor, mit zweierlei Mass zu messen, und erinnerte an umstrittene Äußerungen anderer Politiker, die sich deshalb aber nicht vor Gericht verantworten müssen. So etwa der Rotterdamer Bürgermeister Ahmed Aboutaleb nach den Anschlägen in Paris auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo Anfang 2015. Im niederländischen Fernsehen hatte sich Aboutaleb explizit und ungewohnt emotional an gewaltbereite junge Muslime gerichtet:
    "Wenn ihr unsere Freiheit nicht akzeptieren könnt, wenn ihr unschuldige Journalisten töten wollt, dann habt ihr hier nichts zu suchen, dann packt eure Koffer. Haut ab!”
    Wilders fühlt sich ungerecht behandelt
    Ähnliche Worte hatte Premierminister Rutte gebraucht, als es nach dem vereitelten Militärcoup in der Türkei in den Niederlanden zu Unruhen kam: Türkische Niederländer griffen Journalisten an. Sie täten besser daran, so Premierminister Rutte ganz derb, sich – wörtlich – "zu verpissen”.
    Überall in Europa, klagte Wilders, dürften Politiker solche Worte ungestraft in den Mund nehmen, nur er nicht. Das Recht auf Meinungsfreiheit gelte auch für ihn. "Auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico kann verkünden, dass er keine Muslime mehr hereinlassen will. Das alles ist erlaubt, nur ich werde vor die Richter geschleppt. Für etwas, was Millionen Menschen denken und finden.”
    Die Staatsanwaltschaft hingegen beruft sich auf Artikel 137 des niederländischen Strafgesetzbuches: Wer öffentlich zu Hass oder Diskriminierung wegen Rasse oder Religion aufrufe, mache sich strafbar. Niemand stehe über dem Gesetz. Auch Geert Wilders nicht.