Archiv


Rechtsstreitigkeiten werden teurer

Viele Rechtsuchende werden sich künftig noch intensiver fragen, ob es sich lohnt, ihr Anliegen durchzufechten. Denn die Gebühren für Anwälte, Notare und Gerichtsverfahren steigen. Nur begrenzt helfen werden Rechtsschutzversicherungen, denn auch hier sind steigende Kosten absehbar.

Von Gudula Geuther |
    Aus Sicht des Bundesjustizministeriums und seiner Sprecherin Anne Katharina Zimmermann geht es um:

    "Entschlackung, Transparenz und Vereinfachung"

    beim so genannten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz. Vor allem in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wo es unter anderem um Nachlass- Vormundschafts- oder Grundbuchsachen geht, und bei den Notaren herrschte Wildwuchs der Rechtsprechung – zu einem außerdem stark veralteten Gesetz. Den Rechtssuchenden dürfte etwas anderes wichtiger sein:

    "Für den Verbraucher wird zweifellos der Zugang zum Recht teurer.",

    sagt der Fachmann für Gebührenrecht Herbert Schons. Und das in mehrfacher Hinsicht: Neben den Notargebühren steigen auch die der Anwälte und die Gerichtskosten. Von erfolgreicher Lobbyarbeit spricht deshalb die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Ministeriumssprecherin Zimmermann verteidigt die Erhöhung vor allem der Anwaltsgebühren. Der letzte Aufschlag sei fast zehn Jahre her.

    "Man muss sehen, dass in anderen Bereichen im Arbeitsleben teilweise jährliche, zumindest im Ein- bis Zwei-Jahres-Rhythmus, Anpassungen des Gehaltes oder der Vergütungen stattfinden, und insofern muss man hier auch die Relation ein wenig zurechtrücken."

    Tatsächlich profitieren auch Anwälte von der Inflation, weil sich die Gebühren nach dem Streitwert bemessen, und der steigt bei höheren Preisen. Aber nicht proportional. Die öffentliche Kritik zum Schluck aus der Pulle für die Anwälte fiel denn auch äußerst verhalten aus. Das sieht anders aus, wenn man die Details betrachtet. Da ist auch der Duisburger Rechtsanwalt Schons nicht zufrieden.

    "Der Verbraucher wird leider – auch die Anwaltschaft bedauert das – insbesondere bei den unteren Streitwerten sehr spürbar zur Kasse gebeten. Das hängt ganz einfach damit zusammen, dass die Streitwertstufe jetzt bei 500 Euro, nicht mehr bei 300 Euro beginnt. Dadurch ist eine feiner ziselierte Abstufung der Anwaltsgebühren nicht möglich gewesen. Und das führt zu einer Steigerung von bis zu 50 Prozent bei Werten unterhalb von 500 Euro."

    Und zwar gerade, wenn es um Beträge geht, um die man sich wahrscheinlich nicht vor Gericht streiten würde, für die aber doch der Anwalt bemüht wird – kostenpflichtig.

    "Besonders dramatisch ist das natürlich bei Kleinstbeträgen von sagen wir 20, 25 Euro Forderung. Also wenn man aus Versehen die falsche Internet-Taste bedient hat und bekommt dann ein Anwaltsschreiben – da werden die Gebühren also durchaus verdoppelt."

    Steigen werden auch die Gerichtsgebühren, mal um gut knapp 18 Prozent, etwa bei Beurkundungen und Grundbucheintragungen, mal um fast 30 Prozent. Wer zum Beispiel einen kleineren Unfallschaden von 4500 Euro beim Schädiger einklagen will, zahlt dafür in Zukunft 438 Euro in erster, 584 Euro in zweiter Instanz, ein Plus von 29,2 Prozent.

    Das geht auf die Länder zurück, die die Gerichte finanzieren. Schließlich, so der Bundesrat, gelte für Gerichtskosten das gleiche Inflationsargument wie für die Anwaltsvergütung. Den Anwalt Herbert Schons überzeugt das nicht. Denn im europäischen Vergleich komme der Staat gut weg.

    "Wir haben hier einen Kostendeckungsgrad – das ist in den Bundesländern etwas unterschiedlich – bis zu 50 Prozent, einschließlich der Justizvollzugskosten einschließlich der Betreuungskosten. Während sie in den Niederlanden bei etwa 18 Prozent liegen und in der Schweiz bei etwa 25 Prozent. Da meine ich, dass die staatliche Daseinsfürsorge in Bezug auf den Zugang zum Recht vielleicht etwas kurz gekommen ist."

    "Gute Justiz kann es nicht zum Nulltarif geben.",

    antwortet die Ministeriumssprecherin. Die aber über einen Kompromiss mit den Ländern ebenso zufrieden ist wie der Anwalt: Anders als ursprünglich geplant, wird die Prozesskostenhilfe nicht zusammengestrichen, das sogenannte Armenrecht. Die höheren Gerichtsgebühren waren der Preis der Länder dafür.