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Red Bull Music Academy
Musikförderung mit Beigeschmack

Red Bull ist einer der wichtigsten Geldgeber im Musikbereich: Der Energydrink-Hersteller betreibt Musikstudios, einen Radiosender und veranstaltet Pop-Events. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz vertritt öffentlich rechtskonservative Positionen. In der Musikszene regt sich dagegen kaum Protest.

Christoph Möller im Gespräch mit Adalbert Siniawski |
    Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz beim Austrian Grand Prix - Race - Red Bull Ring
    Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist einer der größten Förderer im Musikbereich. Gleichzeitig ist er bekannt dafür rechtskonservative Positionen zu vertreten (dpa / picture alliance / James Moy Photography)
    Innovative Bands und Sounds weltweit aufzuspüren und zu unterstützen, das hat sich die Red Bull Music Academy zum Ziel gemacht. Der Hersteller von Energydrinks ist medial auch schwer aktiv und unterstützt seit 20 Jahren schon mit seiner Music Academy die Pop-Szene. In Berlin läuft derzeit die aktuelle Ausgabe: 60 internationale Nachwuchs-Musikerinnen und -Musiker machen derzeit im alten DDR-Funkhaus an der Nalepastraße gemeinsam Musik. Dazu gibt es Gespräche mit Pop-Größen wie Janelle Monaé und besondere Konzerte. Gestern etwa spielte die US-amerikanische Footwork-Produzentin Jlin auf einem der größten Raumklang-Systeme der Welt in 4D. Corso-Reporter Christoph Möller hat zugehört.
    Pop-Underground wird gefördert
    Adalbert Siniawski: In typischer Red Bull Manier wurde das Konzert als Weltpremiere und einmaliges Erlebnis angekündigt. Wie haben Sie es erlebt und sind diese Superlative gerechtfertigt?
    Christoph Möller: Ja, zumindest, was die Anzahl der Lautsprecher angeht und die Größe dieses 4D-Soundsystems, wie das angekündigt ist, kann man das schon sagen. Da wurden teilweise Lautsprecher aus Budapest angefahren, extra nach Berlin gebracht, damit das gestern stattfinden konnte. Das sieht schon ganz imposant aus, wenn da in so einem großen Sendesaal des ehemaligen DDR-Funkhauses dann so 50 Lautsprecher von der Decke hängen und teilweise noch mehr auf dem Boden angebracht sind. Man konnte auch darauf sitzen. Also ja, das war schon beeindruckend. Vom Sound her nutzt sich das dann doch relativ schnell ab. Man hat zwar so einen Raumklang, wie man das vom Kino kennt. Aber es bleibt ja dabei, man hat zwei Ohren. Wenn man sich jetzt nicht ständig im Raum bewegt, dann ist das jetzt nicht so grandios.
    Die US-Footwork-Künstlerin Jlin sitzt bei ihrem Vortrag in der Red Bull Music Academy in Berlin vor zwei Plattenspielern und erklärt ihre Musik
    Die US-Footwork-Künstlerin Jlin (r.) bei ihrem Vortrag in der Red Bull Music Academy in Berlin (Fabian Brennecke / Red Bull Content Pool)
    Aber das ist ein ganz gutes Beispiel für ein typisches Konzert von Red Bull, weil die wollen nicht einfach nur normale Konzerte veranstalten. Die sollen schon ungewöhnlich, innovativ, neu sein. Da ist viel Geld im Spiel. Die Lautsprecher wurden extra eingefahren, nach Berlin gebracht. Der Raum war nur halb voll. Das heißt, man hat absichtlich nur die Hälfte der Tickets verkauft. Das heißt - das sagen sie auch selbst - sie greifen nicht so nach dem finanziellen Markt. Sie veranstalten eigentlich Konzerte, die finanziell kaum Sinn machen. Und Jlin ist auch eine Avantgarde-Künstlerin, die da gestern futuristische Rhythmen über den Parkettboden hat fliegen lassen, mit modernste Technik. Das ist symptomatisch für Red Bulls Aktivitäten im Musikbereich: Gefördert wird vor allem eine Pop-Underground-Künstlerin wie Jlin.
    Siniawski: Man könnte denken, dass ein Konzern wie Red Bull eher mit großen Popstars zusammenarbeitet. Warum fördert Red Bull eher kleine Künstlerinnen und Künstler?
    Marke subtil mit positiven Erzählungen verknüpft
    Möller: Ja, das ist scheinbar ein Widerspruch. Aber das scheint auch den Erfolg von Red Bull im Musikbereich auszumachen. Sie haben wirklich einen exzellenten Ruf unter Musikern und Musikerinnen. Sie gelten als bedingungsloser Kulturförderer. Und zurecht: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Red Bull Music Academy zum Beispiel unterschreiben keine Knebelverträge und binden sich nicht lebenslang an die Marke. Sie können weiter frei und selbstständig Musik veröffentlichen. Das spricht sich rum: So wird die Botschaft der Marke ganz subtil mit positiven Erzählungen verknüpft. Das Image wird aufgehübscht, man hat am Ende neue Konsumentinnen und Konsumenten. So braucht keine großen Banner, gar keinen großen Namen, wenn man gute Geschichten erschafft.
    Auch gestern gab es eine gute Geschichte. Man kam da nämlich an am Funkhaus und als erstes wurden die Kameras der Smartphones abgeklebt, wie im Berliner Club Berghain. Man hat sich also diesen Coolness-Faktor rangeholt und fühlte sich schon wie eine konspirative Gruppe, die ein einmaliges Konzert erlebt, eine Weltpremiere, Sie haben es gesagt. Und so verhindert Red Bull ja auch, dass das Logo im Netz landet, dass der Abend irgendwie dokumentiert wird. Das ist schon erstaunlich für eine Werbeveranstaltung, die es ja eigentlich doch ist. Ich erwähne es jetzt, Besucherinnen und Besucher erzählen es weiter, und so hat sich eben der gute Ruf der Marke im Musikbereich über die letzten 20 Jahre hergestellt.
    Siniawski: Also eine große Marke macht sich die Insignien des Undergrounds zunutze und kommerzialisiert sie.
    Möller: Ja, so kann man das sagen, genau.
    Förderung und rechte Positionen - der Widerspruch bleibt
    Siniawski: Das Programm des Festivals und der Academy ist queer, futuristisch, liberal. Erstaunlich vor dem Hintergrund, dass Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz rechtskonservative Positionen vertritt: Er kritisiert die "sogenannte intellektuelle Elite" und das "Meinungsdiktat des politisch Korrekten". Das ist doch ein krasser Widerspruch: Förderung von Underground-Kultur einerseits, rechte Positionen andererseits. Wie geht das in Ihren Augen zusammen?
    Möller: Für mich löst sich dieser Widerspruch nicht auf. Und jetzt haben wir schon so oft das Wort benutzt. Passt auch hier wieder. Ich habe mit mehreren Musikerinnen und Musikern gesprochen. Viele wissen das gar nicht und sind überrascht über diese Informationen. Sie positionieren sich klar gegen solche Äußerungen. Sie sagen aber auch, die Möglichkeiten, die Red Bull bietet, wollen sie nicht ausschlagen: Zeit, Raum, technisches Equipment. Eine Musikerin aus Chile gesagt, die Synthesizer, die sie hier benutzen, die gibt es in ihrem Land teilweise gar nicht.
    Man muss aber auch sagen, diese Academy und dieses Festival werden zwar von Red Bull verantwortet, umgesetzt aber von einer Berliner Agentur, die vermutlich nicht direkt mit Mateschitz in Kontakt steht. Aber dieser Widerspruch bleibt und zeigte sich ganz gut bei einem Konzert der Band Schapka im Juli beim Popfest Wien. Sie haben auf der Red Bull Music Stage gespielt - und protestiert auf dieser Bühne von Red Bull gegen Red Bull mit einem Protestbanner: "Wir sind Propaganda, aber nicht für Rechtspopulisten." Das ist schon eine komische Form des Protests, dieses Geld und diese Bühne von Red Bull zu nutzen, aber gegen Red Bull zu protestieren. Es gibt vorsichtige Boykottaufrufe aus der Musikszene, aber Red Bulls Musikförderung scheint zu wichtig zu sein, um sie zu ignorieren.
    Siniawski: Christoph Möller über Red Bull und das Engagement in der Musik. Das Red Bull Music Festival geht noch bis zum 12. Oktober im alten DDR-Funkhaus in der Nalepastraße. Vielen Dank!
    Möller: Sehr gerne.