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Rede von Björn Höcke
Provokation, Berichterstattung und Dementi

Der AfD-Politiker Björn Höcke provoziert mit Äußerungen über das Holocaust-Gedenken. Prompt folgt Empörung, dann ein Dementi, außerdem noch Kritik aus den eigenen Reihen - ein regelmäßiger Kreislauf bei der AfD. Soll man sich darüber aufregen? Ja, sagt ein Antisemitismusforscher.

Von Bastian Brandau | 18.01.2017
    Der AfD-Politiker Björn Höcke
    Der AfD-Politiker Björn Höcke (imago / Jacob Schröter)
    Sowohl Zeitpunkt als auch Ort von Björn Höckes gestriger Rede scheinen wohlüberlegt. Am Vormittag hatte das Bundesverfassungsgericht verkündet, dass die NPD zwar verfassungsfeindliche Ideen verfolge, aber zu unbedeutend sei, um verboten zu werden. In Dresden spricht Höcke auf Einladung der Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation der AfD. In einem gutbürgerlichen Brauhaus. Abgesichert von Ordnern, die sonst bei der islamfeindlichen Pegida mitlaufen. Der Stream eines rechtskonservativen Magazins überträgt.
    "Hauptstadt des Widerstandes" nennt die Junge Alternative Dresden, Höcke bezeichnet sie in seiner Rede als "Hauptstadt der Mutbürger", immer wieder bejubelt und beklatscht vom Publikum. Dann geht es Höcke um die Erinnerungskultur, in der er eine "Wende um 180 Grad" fordert. Der Gemütszustand der Deutschen sei der eines brutal besiegten Volkes.
    "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat."
    "Dämliche" Vergangenheitsbewältigung
    Vor der Tür demonstrieren etwa 200 Menschen gegen die Veranstaltung, unter ihnen auch der sächsische Grünen-Landeschef Jürgen Kasek.
    "Die Aussage, die dahinter steckt, ist zum einen die sogenannte Bekämpfung des Schuldkultes, die ja auch von NPD und sämtlichen Rechten immer wieder gebracht wurde, mit der Behauptung, dass es einen Schuldkult gäbe und man ja keine Verantwortung für die Vergangenheit trägt. Das soll damit angegriffen werden. Weil natürlich die Vorstellung bei Höcke ist, in dem Moment in dem dieses Denkmal verschwindet, können die Deutschen endlich wieder stolz sein, Deutsche zu sein."
    Die Vergangenheitsbewältigung und damit auch das Holocaust-Gedenken bezeichnet Höcke außerdem als "lähmend" und "dämlich". Es brauche "eine Erinnerungskultur, die uns vor allen Dingen und zu allererst mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung bringt."
    Doch anstatt die Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, würde, so Höcke, die deutsche Geschichte mies und lächerlich gemacht.
    Kritik und Strafanzeige
    Kritik an Höckes Äußerungen von Landes- und Bundespolitikern: SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel schreibt bei Facebook, ihm sei es beim Anschauen der Rede "kalt den Rücken runtergelaufen". Höcke unterstelle, der Umgang mit unserer Nazi-Vergangenheit mache uns klein. Das Gegenteil sei richtig: Dass wir uns unserer Geschichte gestellt, dass wir aus der Vergangenheit gelernt hätten, sei Voraussetzung dafür, dass Deutschland weltweit respektiert werde.
    Die Fraktionsvorsitzenden der Linkpartei im Bundestag, Bartsch und Wagenknecht, kündigten an, Anzeige wegen Volksverhetzung zu stellen. Höckes Satz zum Holocaust-Mahnmal sei nicht nur geschichtlich und politisch widerlich, er sei schlicht Nazi-Diktion. Auch der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmar, bezeichnet die Rede als "Nazi-Sprech." Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, die AfD zeige mit diesen antisemitischen und in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten ihr wahres Gesicht.
    Antisemitismusforscher: Innerparteiliche Kritik ist Geplänkel
    Punkt 12 Uhr verschickt Björn Höcke dann ein Dementi. Er fühle sich falsch verstanden. Da kommt die Kritik an seiner Rede auch aus der eigenen Partei, unter anderem von Parteichefin Frauke Petry. Nun ist er vollendet, der Zirkel aus Provokation, Berichterstattung und Dementi, den die AfD regelmäßig vollführt.
    Für Ablenkung und Geplänkel hält Wolfgang Benz, emeritierter Antisemitismusforscher an der TU Berlin, die innerparteiliche Kritik an Höckes Aussagen. Die Kritik aus der Gesellschaft aber, die müsse laut bleiben, sagte Benz am Mittag im Deutschlandfunk:
    "Das, was er da gestern wieder verzapft hat, das ist Rechtsradikalismus pur, nichts Neues, das ewig Alte, über das man sich aber, auch weil es so stupide und trotzdem wirkungsvoll ist, durchaus aufregen muss."
    Das Landgericht Dresden prüft unterdessen, ob ein Richter am Landgericht mit seiner Rede gestern gegen das auch privat geltende Mäßigungsverbot für Richter verstoßen habe. Jens Maier, der auch Direktkandidat der AfD für die Bundestagswahl ist, hatte auf der Veranstaltung unter anderem davon gesprochen, den "Schuldkult zu beenden."