
Christoph Heinemann: Eigentlich könnte der Präsident sich entspannt zurücklehnen: Wiederwahl geschafft, Konjunktur läuft. Dennoch hat Barack Obama einige Baustellen abzuarbeiten. Seine Gesundheitsreform begann stümperhaft und das hat ihn viel Sympathie gekostet. Außerdem blickt der Präsident mit Sorge auf die soziale Lage viele seiner Landsleute.
Am Telefon ist Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Tag!
Josef Braml: Guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Braml, Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel "Der amerikanische Patient". Verfügt Dr. Obama über die richtige Medizin?
Braml: Er hat die richtige Analyse gemacht. Er, denke ich, weiß um den Gesundheitszustand. Er versucht, das ganze jetzt auch ein bisschen über die Zeit zu retten. Aber ich denke, er kann nicht die nötigen Medikamente verordnen, weil dazu unter anderem auch das Geld fehlt.
Heinemann: Welche wären die nötigen Medikamente?
Braml: Die nötigen Medikamente müssten über den Kongress laufen, das heißt in Gesetzform gegossen werden. Er ist aber seit den Zwischenwahlen 2011 blockiert. Es geht nichts mehr, es besteht Politikstau und das Kernwort seiner Ansprache war Action, Aktion.
Er will jetzt am Kongress vorbei regieren, aber wie Marcus Pindur das zurecht schon angedeutet hat: das wird wahrscheinlich dann nur Strohfeuer sein und symbolische Politik. Er versucht jetzt, Obama versucht jetzt, über öffentlichen Druck vielleicht den einen oder anderen Senator oder Abgeordneten im Repräsentantenhaus doch noch zu bewegen, aber das dürfte schwer werden, zumal er ja auch jetzt schon zum Ende seiner zweiten Amtszeit hinregiert und da gelten die Präsidenten ohnehin als lahme Enten, als Lame Ducks.
Arbeitslosigkeit bleibt großes Problem
Heinemann: Herr Braml, Sie haben gesagt, er müsste jetzt was tun. Was müsste er denn jetzt konkret tun?
Braml: Er müsste die Wirtschaft dermaßen ankurbeln, dass auch Arbeitsplätze generiert werden. Wir haben ja die wunderbare Zahl von sieben Prozent Arbeitslosigkeit, aber man muss wissen, dass die Arbeitslosenstatistik immer besser wird, je schlimmer das Problem wird. Wenn man diejenigen hineinrechnet, die die Arbeitssuche schon aufgegeben haben, weil sie langzeitarbeitslos sind, dann könnten wir von 13, 14, 15 Prozent ausgehen. Hinzu kommt, dass knapp zwei Millionen Langzeitarbeitslose jetzt auch ihre Unterstützung wieder verlieren. Das heißt, die Statistik wird wieder besser werden, aber das Problem wird umso gravierender.
Das heißt, die wirtschaftliche Erholung, die sehe ich nicht. Die ist bisher getragen durch den Geldsegen der Notenbank. Solange die Notenbank hier Geld hineinpumpt, geht es den Aktienmärkten sehr gut. Das hat Obama auch dargelegt. Aber die sogenannte Mittelschicht, die dünnt immer mehr aus. Das Kernproblem der USA ist eine massive Ungleichheit und die will jetzt Obama adressieren, zumindest rhetorisch.
Heinemann: Dafür hat er ja einiges angekündigt, wir haben es gehört: eine deutliche Anhebung des Mindestlohns, eine bessere Vorschulerziehung, mehr Geld für Infrastruktur, für Entwicklung von Forschungs- und Herstellungszentren. Geht das nicht in die richtige Richtung?
Braml: Er hat die richtigen Symbole gesetzt. Aber das sind, wie erwähnt wurde, nur Auftragnehmer staatlicher Regierungsaufträge, die dann hier den Mindestlohn anheben müssen. Das ist begrenzt, das sind ein paar Hunderttausend Menschen. Aber wenn man an die Millionen von Amerikanern denkt, die hier trotz Arbeit in Armut leben - ein Drittel der Latinos und ein Drittel der schwarzen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, können ihre Kinder nicht mehr ernähren -, dann ist das sehr bedenklich.
Und die anderen Exekutiv-Erlasse, die er durchziehen will, das sind symbolische Maßnahmen, und er kann auch hier in diesen Bereichen indirekt dann doch wieder über den Kongress gebremst werden, nämlich über das Haushaltsbewilligungsrecht. Hier hat der Kongress einmal mehr die Macht der Geldbörse in der Hand, und wenn man weiß, dass die Geldbörse leer ist, das heißt, dass Amerika auf Pump finanziert, dass die Asiaten dieses Übermaß an Verschuldung nicht mehr finanzieren wollen, dann kann man sich wiederum nur aufs Geld drucken berufen, und das hat auch seine Grenzen.
Heinemann: Stichwort Kongress. Es kann ja sein oder es könnte sein, dass im Herbst bei den Kongresswahlen die Mehrheitsverhältnisse sich ändern. Wie wahrscheinlich ist das?
Braml: Ich befürchte, dass sich das ändern könnte, aber das wird wiederum zum Nachteil von Obama gereichen.
Heinemann: Sie befürchten das. Inwiefern?
Braml: Ja. Das Haus, denke ich, wird in republikanischer Hand bleiben. Da wird sich nicht sehr viel ändern. Die werden vielleicht den einen oder anderen Sitz verlieren, aber ich halte es durchaus für möglich, dass Obama auch den Senat an die Republikaner verliert. Das wäre umso problematischer, weil dann könnte er nicht mal mehr seine Nominierungen durchdrücken. Man hat ja im Senat die Geschäftsordnung geändert und kann jetzt mit einfacher Mehrheit Mitarbeiter Obamas und vor allem auch wichtige Regierungsmitarbeiter durchdrücken. Das wird dann nicht mehr gehen und das heißt, Obama würde dann auch in diesem Bereich noch mehr blockiert werden.
Schlechte Umfragewerte für Obama
Heinemann: Herr Braml, wir haben es gehört: Er liegt in den Umfragen bei 40 Prozent. Das entspricht etwa dem Wert von George Bush im fünften Regierungsjahr. Wieso ist der Präsident so unbeliebt?
Braml: Der Präsident muss jetzt die Wirtschaft selbst verantworten. Er ist in seiner zweiten Amtszeit, er ist angetreten und man hat ihn gewählt, weil er die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts beheben sollte. Das hat sich noch nicht wirklich gezeigt. Man liest das eine oder andere in den Medien, aber die Leute, die betroffen sind, die sehen das in ihren Geldbörsen, die sehen das in ihrem täglichen, alltäglichen Kampf. Die sind nicht überzeugt und es sind jetzt auch nicht mehr nur die Republikaner, die ohnehin von Obama von vornherein enttäuscht waren, sondern vor allem auch schon die unabhängigen und vor allem auch seine Parteifreunde, die mehr von ihm erwartet haben.
Heinemann: Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Braml: Ich danke Ihnen, Herr Heinemann.
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