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Referendum
Schweizer stimmen über Zuwanderung ab

Am 9. Februar stimmen die Schweizer über strengere Einwanderungsbestimmungen ab. Das Referendum "Gegen Masseneinwanderung" zielt vor allem auf EU-Bürger: Sie stellen 70 Prozent der Zuwanderer.

Von Hans-Jürgen Maurus | 07.02.2014
    Die Schweizer Flagge weht vor klarem Himmel in den Berner Alpen.
    Zu wenig Wohnraum, kulturelle Unterschiede und Arbeitsplatzmangel: Die SVP macht mit Stammtischparolen Front gegen Ausländer. (picture alliance / ZB)
    "Maßlosigkeit schadet, Masseneinwanderung stoppen", so lautet das Motto der Schweizerischen Volkspartei, die die Volksinitiative am kommenden Sonntag zur Abstimmung bringen lässt. Es ist eine der wichtigsten Volksabstimmungen der letzten Jahre, es wird mit harten Bandagen gekämpft und es geht um viel. Denn die Schweiz erlebt eine massive Zuwanderung von jährlich 140.000 Ausländern, mehr als 70 Prozent kommen aus der EU. Netto beträgt die Zuwanderung zwischen 70.000 und 80.000 Personen. Zu viel meint SVP-Parteichef Toni Brunner und fordert eine politische Steuerung:
    "Es ist so, dass wir letztlich diese Initiative auch unter dem Geist machen: Es ist maßlos geworden. Wir haben zu viel Zuwanderung. Wir können nicht mehr eingreifen. Wir haben keine Steuerungsmöglichkeiten mehr. Mit unserer Initiative bekommt die Schweiz die Kompetenz zurück, selber zu steuern und zu begrenzen. Und mehr auf den Arbeitsmarkt zu selektionieren."
    Und zwar durch Kontingente. Die würden auch für Grenzgänger, Asylbewerber oder Studenten gelten. Wie viele dann noch in die Schweiz kommen dürfen lässt die SVP offen, eine clevere Strategie, meint Parteienforscher Claude Longchamps:
    "Die SVP hat aus ihrer Sicht sehr geschickt gemacht. Sie hat die Frage offen gelassen. Und es ist den Gegnern nicht gelungen, sie auf diesem Punkt wirklich herauszufordern: Nun, bekennt Farbe, was heißt das ganz konkret - 1:1 bei einem Ja."
    Die Argumente der SVP zielen auf Angstmache. Es wird eng in unserem Land, heißt es, die heutige Zuwanderung ist weder kulturell noch mengenmäßig verkraftbar. SVP-Chefideologe Christoph Blocher sieht in der Massenzuwanderung gar die Wurzel allen Übels in der Schweiz:
    "Alle Probleme, die wir jetzt haben im Land, sind darauf zurückzuführen: Platzmangel, Wohnungsmangel, Lohndruck. Schulprobleme. Wir müssen wieder die Ausländerpolitik selber regulieren können."
    Doch das politische Establishment und die Wirtschaft laufen Sturm gegen die Abschottungsinitiative. Die Schweiz profitiere von den Zuwanderern, so Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann:
    "Es geht unserem Land und damit den Einwohnerinnen und Einwohnern materiell besser als es uns zu Beginn des Jahrtausends ging."
    Zudem stehe die Personenfreizügigkeit auf dem Spiel, warnt der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter:
    "Wenn die Initiative angenommen wird, ist es mit der Personenfreizügigkeit vorbei. Dann ist das ganze Konstrukt der bilateralen Verträge in Gefahr."
    Spitzenrepräsentanten der Schweizer Wirtschaft sehen die Zukunft des Landes gefährdet, wenn hoch qualifizierte ausländische Mitarbeiter nicht mehr in der Schweiz arbeiten dürften, so der Präsident des Wirtschaftsverbandes Swissmem Hans Hess:
    "Wir haben nicht genug hoch qualifizierte Leute, weil es in der Schweiz eine demografische Entwicklung gibt, wo es immer weniger junge Leute gibt. Es gibt immer mehr ältere Leute, die nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wir müssen diese qualifizierten Spezialisten aus dem Ausland bekommen."
    Doch die SVP bezweifelt, dass nur Hochqualifizierte in die Schweiz kommen, so SVP-Mitglied Thomas Matter:
    "Über die Hälfte der EU-Zuwanderer ist unproduktiv. Ein großer Teil ist Familiennachzug. Etwa sieben Prozent sind in Ausbildung. Fünf Prozent sind ohne Arbeitsplatz und zehn Prozent ist der Beruf gar nicht bestimmbar."
    Die Kontrahenten mobilisieren ihre Wähler bis zum Schluss, die letzten Umfragen bestätigen, dass die Gegner der Initiative vorn liegen, doch die Befürworter aufholen, so Parteienforscher Longchamps:
    "Das Ja-Lager legt zu, ist aber noch in der Minderheit. Der Trend ist so stark, dass es auch noch kippen könnte."