Was ist das Ziel der Einigung?
Die Pläne sehen einen deutlich restriktiveren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. Die Einigung ermöglicht erstmals Asylverfahren an Europas Außengrenzen, damit Menschen mit geringen Aufnahmechancen gar nicht erst in die EU gelangen. Dafür soll es Asylzentren in Grenznähe geben. Von dort aus sollen Migranten direkt abgeschoben werden.
Wer ist von Grenzverfahren betroffen?
Außengrenz-Verfahren sollen vorerst nur bei Migranten aus Ländern greifen, die im EU-Schnitt eine Anerkennungsquote von unter 20 Prozent haben. Das gilt etwa für Menschen aus der Türkei, Indien, Tunesien, Serbien oder Albanien. Die Verfahren sollen höchstens zwölf Wochen dauern.
Für wen gilt das nicht?
Die Mehrheit der Flüchtlinge - etwa aus Syrien, Afghanistan oder dem Sudan - soll weiter Recht auf ein normales Verfahren haben. Im vergangenen Jahr gab es EU-weit rund 966.000 Asylanträge, mehr als jeder Vierte - gut 252.000 - wurde in Deutschland gestellt.
Wohin kann abgeschoben werden?
Italien, Griechenland und Österreich setzten sich mit der Forderung durch, abgelehnte Migranten und Migranntinnen in sogenannte sichere Drittstaaten abschieben zu können. Dazu zählen diese Länder etwa Tunesien oder Albanien.
Deutschland wollte dies verhindern, wenn die Abgeschobenen keine enge Verbindung zu den Drittländern haben, etwa über ihre Familie. Nach Angaben der EU-Kommission und des schwedischen Ratsvorsitzes reicht es aber aus, wenn die Migranten lediglich durchgereist sind.
Welche Haltung vertritt die Bundesregierung?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte die Einigung in Luxemburg zwar "historisch". Nicht durchsetzen konnte sich Faeser allerdings mit der Forderung nach Ausnahmen für Familien mit Kindern von den Grenzverfahren. Noch nicht einmal eine Handvoll Länder unterstützten die Bundesregierung. Die deutsche Forderung wurde in einer sogenannten Protokollnotiz festgehalten, einer schriftlichen Zusatzerklärung.
Woran gibt es Kritik?
Pro Asyl sieht einen "Frontalangriff auf das Asylrecht". Der Leiter der Europaabteilung der Menschenrechtsorganisation, Kopp, sprach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland von einem "historischen Fehler" der Ampel-Koalition. Diese nehme in Kauf, dass Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ausverkauft würden. Ähnlich äußerte sich Amnesty International.
Der Migrationsforscher Bernd Kasparek sagte, es sei beunruhigend, dass sich die deutsche Innenministerin Faeser im Grunde mit gar keinem Punkt habe durchsetzen können, sagte er im Deutschlandfunk. Das zeige, wie weit rechts sich der Konsens in der EU im Moment befinde. Auch in einer Demokratie gebe es ein paar rote Linien, die man nicht überschreiten sollte.
Gibt es nun keinen Streit in der EU mehr?
Doch. Polen und Ungarn lehnen die EU-Asylreform kategorisch ab. Sie sollen künftig ein Zwangsgeld von 20.000 Euro für jeden Migranten zahlen, den sie nicht aufnehmen. Das Geld soll in einen Fonds fließen, aus dem Migrationsprojekte finanziert werden. Ob Warschau oder Budapest jemals zahlen, ist ungewiss.
Wie geht es nun weiter?
Ungarn und Polen wollen das Thema auf dem EU-Gipfel am 29. und 30. Juni in Brüssel wieder auf die Agenda setzen. Zudem müssen sich die EU-Länder noch mit dem Europaparlament verständigen. Das gilt als sehr schwierig, da die Positionen laut Diplomaten "meilenweit" auseinanderliegen. Die Bundesregierung drängt auf einen Abschluss der Asylreform bis zur Europawahl im Juni 2024.
Reform des EU-Asylrechts - So soll das europäische Asylverfahren verschärft werden
Nach langen Verhandlungen - EU-Innenminister einigen sich im Asyl-Streit
Diese Nachricht wurde am 09.06.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.