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Reform der Pflegeberufe
"Größere Perspektive auf dem Arbeitsmarkt"

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hat die geplante generalisierte Pflegeausbildung verteidigt. Er sagte im Deutschlandfunk, die Ausbildung werde nicht vereinheitlicht, sondern modernisiert. Ein Wechsel zwischen den Pflegeberufen werde so einfacher, was letztendlich zu einer Angleichung der Bezahlung führen werde.

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Karl-Josef Laumann spricht in Köln beim Parteitag der CDU bei der Bewerbungsrede für die weiteren Mitglieder des Präsidiums der CDU.
    Karl-Josef Laumann (CDU), Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Der CDU-Politiker sagte im Deutschlandfunk, es würden keine Ausbildungen zusammengelegt. Es entstehe ein neues Berufsbild, in das die neuesten Erkenntnisse einflössen. Dieses gebe den Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entschieden, die Möglichkeit, sich breit zu bewerben. Sie hätten damit eine größere Perspektive. Laumann äußerte in diesem Zusammenhang die Hoffnung, dass ein leichterer Übergang zwischen den Sparten auch zu einer finanziellen Angleichung führe. Es sei nicht mehr zu begründen, dass in der Altenpflege die Bezahlung um 25 Prozent schlechter sei als in der Krankenpflege. Zudem zeigte er sich überzeugt, dass durch die geplante bundesweite Einführung einer Ausbildungsumlage und den Wegfall des Schulgelds deutlich mehr ausgebildet werde.
    Laumann kündigte zugleich an, man wolle bis 2020 einen bundesweit einheitlichen Pflegeschlüssel vorlegen. Dieser werde derzeit von einer Fachkommission erarbeitet. Für die Umsetzung brauche man dann genügend Pflegepersonal. Daher sei es wichtig, jetzt die Reform der Ausbildung auf den Weg zu bringen.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Jürgen Zurheide: Bei der Pflege muss sich etwas tun, das wissen eigentlich alle, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es gibt zu wenig Menschen, die sind möglicherweise nicht gut genug ausgebildet, allerdings werden sie auch schlecht bezahlt. Die Bundesregierung will jetzt das Pflegeausbildungsgesetz auf den Weg bringen oder hat es auf den Weg gebracht und will damit die Pflegeausbildung verändern, um diesem Notstand Abhilfe zu leisten. Wird das gelingen? Da gibt es auch Kritik.
    - Über all das wollen wir mit reden mit Karl-Josef Laumann, der für die Pflege in der Bundesregierung zuständig ist. Ich sage erst mal guten Morgen, Herr Laumann!
    Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen!
    Zurheide: Herr Laumann, also, auf den ersten Blick heißt es, es soll mehr Ausbildungsplätze geben. Warum glauben Sie, dass es am Ende mehr Menschen geben wird, die sich für die Pflege entscheiden, wenn dieses Gesetz am Ende Wirklichkeit wird?
    Laumann: Erst einmal glaube ich, dass wir etwas ganz Praktisches tun. Wir führen in ganz Deutschland eine sogenannte Ausbildungsumlage ein, die es in Nordrhein-Westfalen schon gibt. Wir haben in Nordrhein-Westfalen gesehen, dass diese Umlage uns 30, 35 Prozent mehr Ausbildungsplätze gebracht hat wie vor der Umlage. Das liegt ganz einfach daran, dass da, wo es die Umlage nicht gibt – das sind immerhin zehn Bundesländer –, die Einrichtungen, die viele Auszubildende in der Altenpflege haben, teurer sind, wie Einrichtungen, die nicht ausbilden. In den Bundesländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland und Sachsen haben Ausbildungsumlagen zu einer enormen Steigerung der Ausbildung geführt. Das machen wir jetzt in ganz Deutschland. Wir haben noch fünf Bundesländer, da zahlen die Altenpflegeschülerinnen noch Schulgeld. Das muss natürlich auch weg. Das kriegen wir auch nur über ein Bundesgesetz hin. Das ist erst einmal die beiden materiellen Fragen. So, und dann kommt dazu, dass wir seit zehn Jahren eine Diskussion darüber haben, passt eigentlich diese Trennung zwischen Altenpflege, Krankenpflege, Kinderkrankenpflege noch in die Zeit. Schon 2009 hat die sogenannte Arbeits- und Sozialministerkonferenz einstimmig beschlossen, macht euch jetzt endlich eine moderne Pflegeausbildung, wo wir den Menschen die Möglichkeit geben, sich ganz breit auf dem Pflegemarkt zu bewerben, dass man sich eben nicht mit 20 festlegt, immer Altenpflege, oder man sich festlegt, immer Krankenhaus. Auch, dass man neue Erkenntnisse, die es in der Pflege gibt, in die Ausbildung aufnimmt. Das wird im Grunde genommen mit diesem Gesetz gemacht, das heißt, im Grunde genommen machen wir nicht die Zusammenführung von zwei Pflegeberufen, sondern wir machen daraus einen neuen Beruf, auch mit neuen Erkenntnissen der Pflegewissenschaft, die nun mal in den letzten 20 Jahren entstanden sind. Dadurch erhalten natürlich Leute, die Pflegeberufe erlernen möchten, eine sehr viel breitere Perspektive auf dem Arbeitsmarkt, wie es heute der Fall ist.
    Zurheide: Was Sie jetzt geschildert haben, sind Ihre Hoffnungen, die sich dann bewahrheiten können oder auch nicht. Zum Beispiel der Bundesverband der Anbieter der privaten sozialen Dienste ist gegen die Reform. Er fürchtet, dass es weniger Ausbildungsplätze am Ende geben könnte. Was antworten Sie denen?
    Laumann: Es wird in der Pflege Wettbewerb über die Löhne gemacht
    Laumann: Darauf antworte ich erst einmal so, dass die großen Trägerstrukturen, nämlich die Wohlfahrtspflege, die Caritas, die Diakonie, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz sagen, wir brauchen diese Reform. Bei der Kritik der privaten Arbeitgeber fällt mir eins auf: Die privaten Arbeitgeber in der Pflege, die sicherlich auch hervorragende Pflegeheime unterhalten, lehnen aber kategorisch in Deutschland Tarifverträge in der Pflege ab. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang, dass man denkt, na ja, wenn die Leute in der Altenpflege sich auch rein theoretisch im Krankenhaus bewerben können, halten wir denn das noch durch, denn eins muss man sehen: Es wird auch in Deutschland über die Preise Wettbewerb in der Pflege gemacht. Und wenn Sie in der Pflege einen Wettbewerb über die Preise haben, dann ist das immer ein Wettbewerb über die Löhne, denn 85 Prozent der Kosten in der Altenpflege sind nun mal Lohnkosten.
    Zurheide: Das sind wir bei dem anderen ganz entscheidenden Argument: Es gibt Leute, die sagen, na ja, wenn die Ausbildung gleich ist und die Qualifikation denen den Weg öffnet in alle drei Bereiche, dann gehen diejenigen, die die Ausbildung abgeschlossen haben natürlich dahin, wo sie am meisten verdienen. Und das ist eher im Krankenhaus. Auch wenn man nicht so furchtbar viel verdient, verdient man dann mehr als in der Pflege. Ist das nicht genau das Problem. Oder können Sie sagen, na ja, dann müssen die eben alle demnächst mehr zahlen. Kriegen Sie das aber hin?
    Laumann: Erst mal ist es so, dass ich eine selbst gemacht ... Der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, was jetzt seit einem Jahr in Kraft ist, wo ganz klar drin steht, wenn eine Pflegeeinrichtung Tariflöhne zahlt, dann müssen die Kostenträger die Kosten für diese Tariflöhne auch akzeptieren und erstatten. Allerdings haben die Kostenträger - sprich die Pflegeversicherung - auch das Recht, zu gucken, kommt das Geld denn wirklich bei den Pflegekräften an. Ich sage Ihnen auch ganz klar, ich möchte schon, dass in Deutschland es so kommt, dass Pflege, ob sie im Altenheim gemacht wird oder, ob sie im Krankenhaus gemacht wird, in einem Bundesland auch gleich bezahlt wird. Die Ausbildungen sind heute schon zu 85 Prozent gleich. Und die Unterschiede, die wir da haben, die unstreitig 25 Prozent bedeuten – man kann etwa sagen, die Altenpflege bekommt etwa 25 Prozent weniger wie die Krankenpflege –, die können wir allen Ernstes nicht begründen. Natürlich habe ich auch im Hinterkopf, dass ich mit einer gleichen Ausbildung auch über die Jahre eine Angleichung der Bezahlung erreichen will. Das gebe ich ganz offen zu.
    Zurheide: Dass Sie das möchten, ist ehrenwert, aber wird das am Ende so kommen oder wird der Druck dann noch größer oder sagen Sie, na ja, wenn die keine Leute mehr kriegen, dann wird es erst mal ein bisschen schlimmer, bevor es dann besser wird?
    Laumann: Mit jetziger Ausbildung wird Personalbedarf nicht gedeckt
    Laumann: Also, ich glaube nicht, dass es schlimmer wird, denn, schauen Sie, wir brauchen doch jedes Jahr ungefähr 20.000 Pflegekräfte alleine in der Altenpflege mehr, wie in den Jahren zuvor, weil wir eine Steigerungsrate bei der Altenpflege von zwei bis drei Prozent pro Jahr bekommen. Ich glaube nicht, dass wir mit dem jetzigen System diese Zahlen hinkriegen, schlicht und ergreifend nicht hinkriegen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass nicht jede Pflegeausbildung so stark auf Bundesländerebene gemacht wird, sie ist so unterschiedlich in Deutschland. Ich habe das eben mit der Schulgeldfrage zum Beispiel schon erklärt, dass ich auch glaube, dass wir wirklich hier bundeseinheitliche Lösungen brauchen. Woraus ich auch sehr viel – ich will nicht sagen – Hoffnung, aber Zustimmung für dieses Vorhaben sehe, ist, dass im Bundesrat von 16 Bundesländern 15 sagen, genau diese Entwicklung wollen wir. Wir stehen zu dem, was seit Jahren Beschlusslage der Bund-Länder-Konferenz der Sozial- und Gesundheitsminister ist.
    Zurheide: Ausgerechnet Nordrhein-Westfalen, also das Land, in dem Sie selbst mal tätig waren, ist da ein bisschen anders, aber das ist ein anderes Thema. Ich will noch mal auf was anderes kommen: Die Bedingungen, dass sie jetzt schlecht sind, wie die Kolleginnen und Kollegen von Ver.di, der Gewerkschaft, das zu Wochenbeginn noch mal gesagt haben, dass es da häufig Überstunden gibt, kurzfristige Versetzungen und dass die Überstunden auch manchmal nicht bezahlt werden – dieses Bild der Pflege, die Zustände, die mehr oder weniger katastrophal sind, da haben Sie keinen Widerspruch oder übertreibt Ver.di da?
    Laumann: Ich würde das auch differenziert sehen. Erstens, es gibt sicherlich Krankenhäuser in Deutschland, die in den letzten Jahren zu viel bei der Pflege gespart haben. Aber man kann es nicht in jedem Krankenhaus gleich machen. Wir haben keine gesetzlichen Pflegeschlüssel. In der Altenpflege ist es so, dass wir zwischen Bundesländern sehr differenzieren müssen. Wir haben zwischen den Bundesländern mit dem höchsten Pflegeschlüssel und dem Bundesland mit dem niedrigsten Pflegeschlüssel einen Unterschied von 20 Prozent. Es ist seit 20 Jahren gesetzlicher Auftrag der Bundesländer, in den Bundesländern über Verhandlungen den Pflegeschlüssel festzulegen. Deswegen muss man auch die ganze Republik da ein bisschen differenzierter sehen. Auch die Bezahlung in Bayern, in Baden-Württemberg, in Hessen, in Nordrhein-Westfalen, im Saarland, kann man schon sagen, dass wir da eine Situation haben, dass Pflege fair bezahlt wird, weil man sich alles in allem doch an die Tarifverträge hält. Denn ich finde, der faire Lohn ist nun mal der Tariflohn. Aber wenn man nach Niedersachsen guckt, da verdient eine Pflegekraft 500 Euro weniger wie in Westfalen. Da frage ich mich natürlich schon, wie kann bei einer bundeseinheitlichen Pflegeversicherung solche Unterschiede zustande kommen.
    Zurheide: Jetzt haben Sie ein wichtiges Stichwort genannt, um das zu übersetzen. Wir brauchen, sagen die Gewerkschaften, und nicht nur die, wir brauchen so etwas wie eine Mindestpersonalausstattung. Und die müsste man am Ende bundesgesetzlich regeln, dann kommen wir genau nicht zu diesen Widersprüchen, die Sie gerade schildern, in den Ländern. Richtig oder falsch?
    Laumann: Vorschlag eines bundeseinheitlichen Pflegeschlüssels
    Laumann: Das ist richtig, aber es war damals vor 20 Jahren, wo wir die Pflegeversicherung gemacht haben – ich war als junger Abgeordneter dabei –, wir brauchen auch die Zustimmung des Bundesrates, da haben die Länder gesagt, nein, Personalbemessung ist unsere Sache. Das soll in den Regionen Deutschlands auch unterschiedlich sein, denn die Wirtschaftskraft, ich sage mal, der Regionen in Deutschland ist auch unterschiedlich. Es gibt durchaus Regionen, wo man sich mehr erlauben kann, wie in anderen Regionen. Das haben wir damals akzeptiert, aber jetzt kommt das Problem ...
    Zurheide: Das darf ja nicht zulasten der Menschen gehen, die dann gepflegt werden.
    Laumann: Ja, gut, aber glauben Sie denn, dass wenn man einen bundeseinheitlichen Pflegeschlüssel macht, dass wir es durchkriegen, dass wir den höchsten für alle Länder machen zurzeit in Deutschland. Da gibt es nämlich den Bayrischen. Da werden andere Länder sagen, wie soll das denn bei uns in unseren Ländern, in unseren Regionen finanziert werden. Wir werden es auf jeden Fall so machen, dass wir einen bundeseinheitlichen Pflegeschlüssel vorschlagen werden. Wir haben eine Fachkommission eingesetzt aus Pflegewissenschaften, die das machen soll, damit das auch über Wissenschaft, nicht über Politik definiert wird ...
    Zurheide: Bis wann wird das kommen?
    Laumann: Wir haben ganz klar gesagt, dass wir das bis 2022 haben wollen. Entschuldigung, bis 2020 haben wollen. Dann wird es die Diskussion darüber geben, wie wir den umsetzen. Es wird noch sehr schwierig werden. Das ist noch lange hin, aber, glauben Sie mir, um einen solchen Pflegeschlüssel wirklich umzusetzen, um ihn zu machen, brauchen wir auch diese Zeit. Ich glaube, deswegen brauchen wir auch jetzt die Ausbildungsreform, denn was nützt mir 2020 ein höherer Pflegeschlüssel, wenn ich keine ausgebildeten Kräfte habe. Und die Ausbildung von Pflegekräften dauert nun mal drei Jahre.
    Zurheide: Dann wissen wir, dass da noch eine Menge zu tun ist. Das war Karl-Josef Laumann, der Beauftragte für die Pflege der Bundesregierung. Herr Laumann, ich bedanke mich heute Morgen für das Gespräch!
    Laumann: Ganz herzlichen Dank! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.