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Reform des Betriebsverfassungsgesetzes

Durak: Der Kompromiss zum Betriebsverfassungsgesetz ist in der Nacht gefunden. Die ganz ausführlichen Details sollen wir heute Vormittag erfahren. Ein ganz klein wenig ist aber doch herausgekommen. Ich will mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der IG Metall Jürgen Peters darüber reden. Schönen guten Morgen Herr Peters!

    Peters: Schönen guten Morgen.

    Durak: Vier Punkte habe ich gefunden. Danach soll es so sein, dass die Betriebsgröße was den bewussten Schwellenwert für die Freistellung von Betriebsräten betrifft korrigiert wird. Es bleibt dabei, dass Betriebe mit 200 statt bisher 300 einen Betriebsrat freistellen müssen. Aber in Betrieben mit Mitarbeiterzahlen zwischen 200 und 2.000 Beschäftigten sind weniger freigestellte Betriebsräte vorgesehen. Dann soll es so sein, dass die von Riester gewünschten Sachverständigen, die der Betriebsrat einbestellen kann, nicht im Gesetz vorgesehen sind. Entfallen sei auch die von Riester zunächst vorgesehene Verpflichtung, Konzernbetriebsräte einzuberufen, und auch das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte bei der Arbeitsorganisation und bei der Gestaltung des Arbeitsumfeldes soll schwächer ausfallen als geplant, also im Grunde ursprünglichen oder vorhandenen Gesetzentwürfen entsprechen. - Herr Peters, können Sie mit einem solchen Kompromiss leben?

    Peters: Wir werden uns das erst im Detail ansehen müssen. Man kann jetzt nicht voreilig urteilen. Nehmen wir einmal die Schwellenwerte heraus. Nach meiner Information ist hier klar: ab 200 - und das ist eigentlich diese ganz kritische Grenze - soll es bei dem Riester-Entwurf bleiben. Da kann ich nur sagen gut so, denn das ist eine ganz wichtige Entscheidung. Gerade in kleineren Betrieben haben wir immer den Streit gehabt, ob jetzt eine Grenze erreicht ist, also das Arbeitsvolumen für die Betriebsratsarbeit so groß ist, dass jemand sogar ganztägig freigestellt wird, sicherlich nicht zur Entlastung der anderen. Das haben die Arbeitgeber immer bestritten oder auch häufig bestritten. Ich will hier nicht sagen, dass es nicht auch Freistellungen bei einer Belegschaftsstärke von 200 oder 250 gegeben hätte, aber das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ob dann im weiteren Verlauf eine Ausdehnung nicht mehr in dem Umfang gelungen ist, das werden wir uns ansehen. In vielen Großbetrieben müssen Sie wissen ist die Freistellung überhaupt kein Thema, sondern dort ist über das Gesetz heute schon das geregelt, was wir eigentlich jetzt gesetzlich abgesichert wissen wollten. Wir müssen uns also ansehen: ist das wirklich ein substanzieller Verlust, oder ist das hier im Grunde genommen ein Entgegenkommen, damit von niemandem ein Gesichtsverlust beklagt werden muss.

    Durak: Die Schwierigkeiten mit der Ausweitung der Mitbestimmung sehen ja eher die Mittelständler und kleineren Betriebe. Rechnen Sie denn dort mit Stellenabbau, wie es schon angekündigt wurde?

    Peters: Das ist ein mittlerweile nicht mehr hinzunehmendes Geschrei. Der Kanzler ist damals im Wahlkampf angetreten und hat gesagt, er wird wenn er Kanzler wird dafür sorgen, dass die Leute stärker am Haben und am Sagen teilnehmen werden. Jetzt geht es darum, stärker teilzuhaben am Sagen. In den Betrieben haben wir eine Realität. Dort entwickeln sich unterschiedliche Interessen. Jetzt geht es darum, dass auch die Belegschaften ein Sprachrohr bekommen. Das bedeutet, wir wollen Betriebsräte gewählt wissen, die die Interessen der Belegschaft vertreten. Wir müssen wissen, wenn kein Betriebsrat da ist, sind die Rechte der einzelnen Mitarbeiter geringer. Erst mit dem Betriebsrat haben sie wenn Sie so wollen die Möglichkeiten der Einflussnahme. Jetzt muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Da erzählen einige, wenn Betriebsräte jetzt gebildet werden, dann würde alles sehr viel teuerer und die Entscheidungen würden blockiert. Was haben die eigentlich für ein Bild von Demokratie. Ich bin ganz im Gegenteil der Meinung: jeder Unternehmer sollte bevor er eine Entscheidung trifft auch mal die Belegschaft befragen, ob das was er will in die richtige Richtung geht oder ob das nicht ein Schuss in den Ofen ist.

    Durak: Es gibt ja, Herr Peters, schon sehr, sehr viele junge und neue Unternehmen, wo die Mitarbeiter von sich aus auf jedwede Vertretung verzichten. Denen wollen Sie dann so etwas ins Auge drücken?

    Peters: Nein. Heute gilt das Betriebsverfassungsgesetz für die gleiche Sorte Betriebe, die heute in Rede stehen. Wir haben dort nur das Problem, dass A die Unternehmer in der Lage waren zu verhindern, dass ein Betriebsrat gebildet wurde, und B ist es ihnen leicht gefallen, das zu verhindern, weil das ganze Wahlverfahren so außerordentlich kompliziert war und für Kleinbetriebe wenn Sie so wollen untauglich war. Deshalb haben wir in bestimmten Betriebsgrößen keine Betriebsräte oder vielleicht fünf Prozent der Betriebe, die gewählt haben. Das zu ändern ist doch vernünftig, dass die anderen Bereich ebenfalls Interessenvertretungen wählen. Wenn eine Belegschaft das auf keinen Fall will, dann macht sie es halt nicht.

    Durak: Herr Peters, sehr, sehr viele Arbeitgeber laufen Sturm gegen diese Reform, gegen das Gesetz. Ist aber eine Reform in der Praxis nur dann durchsetzbar, wenn man sich einig ist?

    Peters: In dem Falle waren wir uns nie einig. Wenn Sie mal die Geschichte zurückverfolgen: 1972, 1952, alle Gesetzesvorhaben zur Änderung der Betriebsverfassung waren auf den erbittertsten Widerstand der Unternehmer gestoßen und, was das interessante ist, immer mit den gleichen Argumenten. Damals zur Gründung der Betriebsräte: die Wirtschaft geht kaputt. 1972 bei der Ausweitung der Mitbestimmung: die Wirtschaft geht kaputt. Heute, wo man im Grunde genommen kleine marginale Änderungen macht, geht die Wirtschaft wieder kaputt. Langsam wird es lächerlich!

    Durak: Weshalb hat man diese Eile an den Tag gelegt, dass die Reform unbedingt heute durchs Kabinett soll? Konnte man sich nicht mehr Zeit lassen und zum Beispiel im Bündnis für Arbeit darüber sprechen?

    Peters: Das ist kein Thema für das Bündnis für Arbeit. Die Eilbedürftigkeit ist auch so nicht abzuleiten, sondern Sie müssen wissen, der Fahrplan stand fest. Er musste auch feststehen, denn wenn wir mit dem neuen Gesetz bereits im nächsten Jahr wählen wollen, dann haben sie in jedem Falle einen Terminplan einzuhalten. Das bedeutet, sie müssen bis September die Beratungen durchgeführt haben. Sonst haben sie im Frühjahr, im März nächsten Jahres nicht die Chance, nach dem neuen Gesetz zu wählen. Das wäre eine verpasste Chance!

    Durak: Das war der IG-Metall-Vize Jürgen Peters. Mitgehört hat der Präsident von Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. Schönen guten Morgen Herr Kannegiesser!

    Kannegiesser: Guten Morgen Frau Durak.

    Durak: Sie sind doppelt betroffen. Sie sind der Präsident von Gesamtmetall, wie ich es schon gesagt habe; Sie sind selbst Unternehmer. Von dem was wir bisher vom Kompromiss wissen und was Sie eben auch von der Gegenseite sage ich mal gehört haben, was halten Sie von dem Kompromiss?

    Kannegiesser: Das sind einige Punkte, die in unserem Sinne verbessert worden sind, vor allen Dingen das Wahlverfahren in den kleineren Betrieben, damit es dort eben nicht zu sogenannten Handstreichverfahren kommen kann wie wir es gesagt haben. Das ist eine Verbesserung. Es ist einiges in dieser Frage nicht so geregelt worden, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir waren nämlich der Meinung, dass eine Mindestpräsenz der Belegschaft in den kleinen Betrieben einen Betriebsrat wollen soll. Jetzt geht es um die Betriebsgrößen bis zu 50, die in der Tat ja etwas anders zu betrachten sind als große Betriebe. Herr Peters hat eben angeführt, dass der Grund dafür, dass in kleinen Betrieben bis zu 50 Mitarbeitern häufig kein Betriebsrat besteht, in dem komplizierten Wahlverfahren liegt. Das mag hier und da ein Grund sein, aber das Wahlverfahren ist sicherlich nicht das entscheidende, sondern in solchen kleinen Betrieben sind nun einmal andere Verhältnisse wie in einem Großunternehmen. Wenn man das schon durch das Wahlverfahren anerkennt, dann muss man auch sagen, man kann die Einzelheiten der Betriebsverfassung in einem 100.000-Mann-Betrieb nicht eins zu eins auf einen kleinen Betrieb übertragen.

    Durak: Herr Kannegiesser, werden Sie denn intervenieren? Es gibt ja verschiedene Überlegungen aus dem Arbeitgeberlager, von Stellenabbau, was langfristig wäre, Verfassungsklagen oder anderes mehr.

    Kannegiesser: Zum Hantieren mit der Verfassungsklage würde ich folgendes sagen: Wenn ganz offenkundig wird, dass beispielsweise in der Frage von Investitionsvorhaben oder in der Frage der Wahl in kleinen Betrieben Dinge verletzt werden und Grenzen überschritten werden, dann muss man sich das ansehen und prüfen. Ansonsten soll man damit wirklich sehr vorsichtig umgehen. Stellenabbau ist auch so eine Sache. Ich würde mal sagen, irgendwann muss Schluss sein mit der Debatte. Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren natürlich weiter dafür einsetzen, dass weitere Verbesserungen erfolgen. Man wird nicht wegen solcher punktuellen Dinge zu Stellenabbau kommen. Ich glaube das ist überzogen. Wir müssen allerdings erkennen, dass diese Bundesregierung derzeit in vielen Bereichen zu unserem Bedauern noch in alten Strickmustern denkt und wenn es um echte Modernisierung geht diese eher mit der Pinzette anfasst. Diese Betriebsverfassungsreform ist ein Glied in der Kette. Wir hätten uns einen anderen Ansatz gewünscht, nämlich mehr Vereinbarungslösungen in den Betrieben zulassen, beispielsweise in einer Bandbreite zu sagen, da sollen die selber bestimmen, ob jemand bei 200 bis 300 Mitarbeitern freigestellt wird oder ob es zu Teilfreistellungen kommt. Ohne Frage sind die Materien in den Betrieben komplexer geworden. Da stimmen wir allen zu, wie wir überhaupt der Analyse zur Begründung weitestgehend zustimmen. Deshalb muss aber Verantwortung immer mehr heruntergebrochen werden auf einzelne Gruppen, auf die einzelnen Arbeitnehmer. Für die kollektive Mitbestimmung in den Betrieben, die ja die eigentliche Aufgabe der Betriebsräte ist, braucht man nicht unbedingt diese Ausdehnung der Gremien, es sei denn die Betriebsparteien einigen sich. Wir hätten uns also mehr Öffnung für Vereinbarungslösungen gewünscht. Wir hätten uns Vorkehrungen gewünscht, dass Entscheidungen beschleunigt getroffen werden müssen. Wir leben heute von der Geschwindigkeit. Dass in modern geführten Betrieben die Belegschaften überall voll einbezogen werden, das ist in jedem gut geführten Betrieb eine Selbstverständlichkeit. Es geht auch nicht mehr darum, generell die Berechtigung von Betriebsräten in Frage zu stellen. Das wären die Schlachten von vor 50 oder 100 Jahren. Es geht darum, sich heute der Notwendigkeit anzupassen, mehr Verantwortung herunterzubrechen und schneller zu werden. Die Reform wird dem vom Denkansatz her in weiten Bereichen nicht gerecht. Die Verbesserungen, die jetzt erfolgt sind, die wir uns in der Tat natürlich auch genau ansehen müssen, nehmen möglicherweise einige Spitzen heraus, beispielsweise auch in der Frage der Arbeitsabläufe und bei den Investitionen. Der große Wurf ist das nach unserer Auffassung leider nicht geworden.

    Durak: Die erste Reaktion des Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. - Danke schön Herr Kannegiesser für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio