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Regenerativ aber umstritten

Windräder an Land sind relativ wirtschaftlich, deshalb wird diese Energiequelle stärker ausgebaut als andere. Regenerative Energie aus Windrädern ist auch in Niedersachsen erwünscht - solange die großen Anlagen nicht vor der eigenen Haustür aufgestellt werden.

Von Carolin Hoffrogge |
    "Das Windrad hier hat eine Nabenhöhe von 130 Meter, eine Gesamthöhe von 185 Metern. Wir finden, das sind die schönsten Windräder, die gebaut wurden."

    Als Geschäftsführer der Bürgerwindgesellschaft Diemarden steht Jörg Klapproth unter einem der drei neu errichteten Windräder auf einer Anhöhe in Bischhausen, im südlichsten Zipfel des Landkreises Göttingen. Die drei Kolosse befinden sich direkt an der Grenze zwischen Niedersachsen und Thüringen. Diese Landschaft zählt zur Toskana Niedersachsens. Das Herbstlaub leuchtet bunt, der Wind weht frisch hier oben.

    "Fantastisch, der Sonnenschein, der Wind, die Flächen um die Windräder sind hergerichtet, von dem Eingriff sieht man nur noch das aller nötigste. Wir sind zufrieden ja, sehr."

    Was bei Jörg Klapproth wie eine Liebeserklärung klingt, ist für Menschen wie Gero Busse ein Albtraum. Der Rentner wehrt sich gegen 20 geplante Windräder zwischen den Dörfern Esebeck und Barterode im nördlichen Landkreis Göttingen. Mit 50 anderen Demonstranten steht Gero Busse vor dem Veranstaltungssaal in Göttingen. "Zuviel ist zuviel", steht auf ihren Plakaten, die sie dem niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel entgegen halten.

    "Ich habe früher auch gedacht, ja, Windräder sind gut, aber ich habe nicht gewusst, was für Riesendinger das sind und was das auch für die deutsche Landschaft bedeutet, wenn das landauf, landab von der Küste bis zu den Alpen in dieser Form umgesetzt wird."

    Noch sind die Pläne für Esebeck und das benachbarte Barterode Pläne, sagt Umweltminister Stefan Wenzel. Er wohnt selbst im Landkreis Göttingen und war vor 20 Jahren an den ersten beiden Windrädern in Diemarden in der Gemeinde Gleichen, direkt vor den Toren Göttingens beteiligt. Diese beiden Windräder waren die Vorläufer des heutigen Windparks in Bischhausen.

    "Damals war der Ansatz, in die Dörfer zu gehen, ganz intensiv das Gespräch mit den Dorfbewohnern zu suchen."

    Reden, reden, reden: Mit diesem Vorsatz ist Stefan Wenzel auch zu der Veranstaltung "Windkraft bewegt" gekommen. Auf die Frage, wer die Energiewende vor Ort moderieren soll, wer die Bürger davon überzeugt, dass Windräder vor den Toren ihrer Dörfer gebaut werden, sagt der Minister:

    "Die besten Wind- und Klimaschutzmoderatoren sind unsere Gemeinden, die vor Ort tätig sind und die Möglichkeit haben, die Kommunikation zu den Bürgern herzustellen."

    In seinem Ministerium wird gerade an einem Windkrafterlass gearbeitet, so Wenzel. Unter Einbeziehung der Naturschutzverbände soll dieser Erlass den Kommunen helfen, die Bürger aufzuklären; beispielsweise über den Lärmschutz, den Vogelschutz und den Abstand der Windkraftanlagen zur Wohnbebauung. Zudem gäbe es im Süden Niedersachsens - im Vergleich zu den Windrädern in Ostfriesland oder im Landkreis Cuxhaven - nur einen Bruchteil der Windräder. Um die Energiewende regional umzusetzen, braucht man auch Windräder im Binnenland, sagt der grüne Umweltminister. Er möchte, dass die Bürger die Energiewende mitgestalten und sie sich nicht aus der Hand nehmen lassen. Für ihn bietet das Erneuerbare Energien Gesetz dazu eine reelle Chance.

    "Meine Erfahrung ist, wenn die großen Konzerne kommen, dann bilden sich die Bürgerwindgesellschaften, dann schließen sich die Bürger zusammen. Zum Beispiel in Cloppenburg, wo gemeinsam von Bürgerinnen und Bürgern 12 Windräder gemeinsam erstellt und finanziert wurden. Die können dann auch genauer bestimmen wohin und wie viele. Auch hier in der Region sind wir noch am Anfang, das heißt, die Gemeinde und auch der Landkreis hat mit dem Flächennutzungsplan noch vieles in der Hand. Kann noch Einfluss nehmen, wie viele Anlagen werden am Ende wirklich gebaut."

    Diesen Flächennutzungsplan können die Esebecker und Barteröder durch Eingaben mitgestalten, sagt Jörg Klapproth von der Bürgerwindgesellschaft Diemarden.

    "Die Aufstellung der Flächennutzungspläne. Ist freiwillig, müssen die Gemeinden nicht machen, ist aber sehr zu empfehlen, weil sie darüber das Steuerungsinstrument in der Hand haben, wo Windräder gebaut werden und wo nicht. Dieses Verfahren sieht die öffentliche Beteiligung vor. Es gibt mindestens zwei Stellen, wo Anhörungen und Einwände gemacht werden können. Die müssen berücksichtigt, abgewogen und abgearbeitet werden. Dann kommt am Schluss ein Plan heraus, der unter Beteiligung der Öffentlichkeit zustande gekommen ist."

    Jörg Klapproth kann Menschen wie Gero Busse und seine Mitstreiter aus dem nördlichen Teil des Landkreises Göttingen durchaus verstehen, aber:

    "Wir können die Windräder nicht wegdiskutieren. Sie sind ein Eingriff in das Landschaftsbild. Aber ich weiß nicht, wie wir die Energiewende hinkriegen sollen ohne Windenergie. Wir würden sicherlich auch alles andere machen, wenn es denn der Energiewende dient wie die Windräder."