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Regensburger Domspatzen
Zarte Stimmen, hartes Schweigen

Als 2010 ehemalige Sänger des weltberühmten Knabenchores von Prügel und sexueller Gewalt berichteten, wertete der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller die Vorwürfe als üble Nachrede. Mittlerweile haben sich Hunderte Betroffene gemeldet. Heute wird der Abschlussbericht der Untersuchung veröffentlicht.

Von Tobias Krone |
    Der Chorleiter Monsignore Georg Ratzinger dirigiert die Domspatzen vor dem Dom in Regensburg am 09.04.1976. Der Regenburger Domchor, "Domspatzen" im Volksmund genannt, beging 1976 mit dem 700-jährigen Jubiläum des Regenburger Doms Sankt Peter sein 1000-jähriges Bestehen. Die Geschichte des Chores geht auf die Anfänge des Bistums Regensburg im achten Jahrhundert zurück. Seit 1964 singt er unter der Leitung von Domkapellmeister Monsignore Georg Ratzinger.
    Die Regensburger Domspatzen mit Monsignore Georg Ratzinger im Jahr 1976. Der Bruder von Papst Benedikt XVI. leitete damals den Chor. (dpa/picture alliance/Hartmut Reeh )
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    Im vergangenen Jahr sprach Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer aus, was Jahrzehnte lang offiziell verschwiegen worden war:
    "Zu den bedrückendsten Erfahrungen meines Bischofsamts und zu den schwersten Lasten gehört die Konfrontation mit den Fällen sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter, durch die Fälle von körperlicher Gewalt vor allem - aber nicht nur - in der Vorschule der Regensburger Domspatzen in Etterzhausen und Pielenhofen."
    Das Kloster Pielenhofen, aufgenommen am 24.02.2015 in (Bayern). Von 1981 bis 2013 war in dem Kloster die Domspatzen-Vorschule untergebracht. In der Vorschule der weltberühmten Regensburger Domspatzen haben der langjährige Direktor und mehrere andere Lehrer über Jahrzehnte Kinder misshandelt.
    Das Kloster Pielenhofen: Von 1981 bis 2013 war in dem Kloster die Domspatzen-Vorschule untergebracht. In der Vorschule der weltberühmten Regensburger Domspatzen haben der langjährige Direktor und mehrere andere Lehrer über Jahrzehnte Kinder misshandelt. (dpa / picture alliance / Armin Weigel)
    Rudolf Voderholzer bat vor der großen Öffentlichkeit hunderte ehemaliger Mitglieder des Knabenchors um Verzeihung. Denn es sind Hunderte. 422 Betroffene von sexuellem Missbrauch und körperlicher Gewalt hatten sich beim Opferanwalt Ulrich Weber schon im Oktober vergangenen Jahres gemeldet, es könnten mittlerweile noch mehr sein. Mehr als zwei Jahre lang hat Weber die Fälle untersucht. Den Termin für den Abschlussbericht hatte er verschoben, die enorme Datenmenge aus einem Zeitraum ab 1945 habe eine umfangreiche Strukturierungs- und Einordnungsarbeit erfordert - und damit mehr Zeit als geplant. So erklärte es Weber. Mit ihm ist die systematische Aufarbeitung ins Rollen gekommen. Ihm vertrauen sich die Opfer an. Wohl nicht zuletzt auch, weil auch das Bistum ihre Berichte nun endlich ernst nimmt.
    Versäumnisse bei der Aufarbeitung
    Bis in die 2000er-Jahre hinein sollen Geistliche und Lehrer in der Domspatzen-Vorschule, im Musikgymnasium, im Internat und im Chor in Regensburg den Kindern körperliche und teilweise sexuelle Gewalt angetan haben. Die Opfer berichten von sexuellen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen. Doch die Verantwortlichen verschwiegen die Fälle.
    Als 2010 die ersten Opfer an die Öffentlichkeit gingen, gestand ein Pressesprecher "vier oder fünf Sachen" ein. Gerhard Ludwig Müller, zu jener Zeit noch Bischof von Regensburg, wies öffentliche Vorwürfe scharf zurück. Als die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von einer Schweigemauer sprach, bezichtigte Müller die FDP-Politikerin der Lüge. Das Bistum selbst blieb intransparent, manche Anträge auf Anerkennungsleistungen habe es nicht weitergeleitet, so der Vorwurf der Opfer, nachdem die Deutsche Bischofskonferenz entschieden hatte, an jedes Opfer bis zu 5.000 Euro auszuzahlen. Das Geld gebe es nur für diejenigen, die von sexuellem Missbrauch betroffen seien, nicht aber bei anderer körperlicher Gewalt, rechtfertigte sich das Bistum. Die Opfer fühlten sich nicht ernstgenommen.
    Wusste Georg Ratzinger Bescheid?
    2013 berief Papst Benedikt XVI. Müller zum Chef der Glaubenskongregation im Vatikan. Seitdem hat sein Nachfolger in Regensburg Rudolf Voderholzer die Angelegenheit zur Chefsache erklärt. Er traf sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit auch mit Opfern und bat sie um Verzeihung. Und er räumte 2015 Versäumnisse der Kirche bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen ein.
    Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer (l) spricht am 12.10.2016 in Regensburg (Bayern) während einer Pressekonferenz neben den Vertretern der Missbrauchsopfer, Peter Schmitt und Alexander Probst (r) zu den Journalisten.
    Der Bischof von Regensburg, Rudolf Voderholzer bei einer Pressekonferenz wegen des Missbrauchsskandals um die Regensburger Domspatzen. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Die Regensburger Domspatzen sind ein prestigeträchtiger Chor, ihr Echo erreicht höchste kirchliche Kreise. Denn ihr Dirigent war von 1964 bis 1994 Georg Ratzinger, Domkapellmeister, Priester - und Bruder von Joseph Ratzinger, dem emeritierten Papst aus Deutschland. In einem Bericht vom Januar 2016 erhob Opferanwalt Ulrich Weber Vorwürfe gegen Georg Ratzinger. Er müsse von den Vorkommnissen gewusst haben. 1966 hatte die Mutter eines Schülers sogar Anzeige erstattet, als ihr Sohn stark verletzt worden war, 1975 hatte der Stiftungsvorstand dem damaligen Direktor erklärt, dass Prügel nicht mehr gebilligt würden. Georg Ratzinger gab nur zu, von - so wörtlich - "Ohrfeigen im Rahmen des Üblichen" etwa mitbekommen zu haben. Von Missbrauchsfällen aber habe er nichts gewusst.
    Strafrechtlich verjährt
    Strafrechtlich können die Opfer gegen ihre Peiniger nicht mehr vorgehen. So gut wie alle Fälle dürften mittlerweile verjährt sein, zudem seien die mutmaßlichen Haupttäter bis auf einen bereits tot. Im vorangegangenen Herbst hatten sich Opfervertreter und das Bistum darauf geeinigt, dass Opfern bis zu 20.000 Euro Anerkennung zukomme. Außerdem gab das Bistum zwei Studien in Auftrag, eine sozialwissenschaftliche und eine historische, die die Strukturen und geschichtlichen Hintergründe des Systems der Angst aufklären sollen, das in den Schulen der Domspatzen geherrscht hat. Der Opfervertreter Alexander Probst sah sich und seine Mitstreiter auf der Pressekonferenz im vergangenen Herbst am Ende eines zähen Kampfes angelangt:
    "Wir haben einen Grad erreicht, von dem wir jahrelang geträumt haben."
    Heute tritt Anwalt Ulrich Weber vor die Presse und präsentiert den gemeinsamen Abschlussbericht des Anerkennungsprozesses in Regensburg, auf neutralem Boden. Die Erklärung des Bistums folgt dann mit einer Stunde Abstand. Man wolle damit die Unabhängigkeit des Anwalts unterstreichen, heißt es von Seiten des Bistums.