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Regierung hofft auf Einigung mit der EU über Sparauflagen

Silvia Engels: Gestern beschloss die EU-Kommission auf ihrer Sitzung in Straßburg genau das, was Finanzminister Hans Eichel unbedingt vermeiden wollte. Die Kommissare wollen Deutschland wegen des Verstoßes gegen den Stabilitätspakt schärfere Regeln in der Haushaltsführung aufbrummen. Wir erinnern uns: Deutschland überschreitet in diesem wie im nächsten Jahr die Defizitgrenze des Eurostabilitätspakts von 3 Prozent. Deshalb, so die Kommission, soll im kommenden Jahr das strukturelle Defizit in Deutschland um 0,8 Prozentpunkte sinken statt nur um 0,6 Prozentpunkte, wie es Hans Eichel plant. Das klingt eigentlich nach wenig, aber es bedeutet, dass im Haushalt fünf bis sechs Milliarden Euro mehr eingespart werden sollen als bislang vorgesehen. Am Telefon begrüße ich Antje Hermenau, sie ist die haushaltspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen in der Bundestagsfraktion. Frau Hermenau, Hans Eichel lehnt den Plan der Kommission ab, was sagen Sie?

    Antje Hermenau: Es wird sehr schwierig, ihn zu erfüllen. Übrigens gelten die sechs Milliarden gesamtstaatlich, das heißt auch die Länder sind mit im Boot bei den Sparmaßnahmen.

    Engels: Was die Sache nicht besser macht. Fünf bis sechs Milliarden Euro extra, wo können die herkommen?

    Hermenau: Das geht eigentlich nur noch über einen verstärkten Subventionsabbau, sonst müsste man in Leistungsgesetze eingreifen, und das wird man politisch nicht durchhalten. Es gab ja gestern schon Demonstrationen in Hessen, wenn ich das richtig verfolgt habe. Ich gehe mal davon aus, dass das über einen verstärkten Subventionsabbau gehen wird.

    Engels: Der verstärkte Subventionsabbau ist das Eine. Auf der anderen Seite könnten ja auch von der Bundesregierung weitere Initiativen zum Sparen kommen.

    Hermenau: Ja, der verstärkte Subventionsabbau ist eine eindeutige Sparmaßnahme. Man wird ja nächste Woche, wenn die Finanzminister der Europäischen Union zusammenkommen, diskutieren, was greifende Maßnahmen sind, und da wird wahrscheinlich die Empfehlung lauten, die Ausgaben des Staates zu begrenzen, und das ist vor allen Dingen Subventionsabbau und Steuervergünstigungsabbau.

    Engels: Nun hat Hans Eichel aber gesagt, dass ihm dieser Vorschlag zu weit geht. Ihnen höre ich dagegen an, dass Sie durchaus Verständnis für den Kurs der EU-Kommission haben. Ist das so?

    Hermenau: Ich verstehe natürlich, dass es einen Machtkampf gibt, weil die Europäische Kommission nicht so sang- und klanglos nachgeben möchte in dieser schwierigen Lage. Sie hat eine Position, die sie seit Jahren durchgehalten hat, und sie möchte keinen Präzedenzfall schaffen, unabhängig davon ob sich Deutschland nun kooperativ verhält oder nicht.

    Engels: Ihre Parteifreundin, die Grüne EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreier, hat diesen Vorschlag der Kommission ja auch gelobt. Sie würden Sie also unterstützen in diesem Kurs für einen harten Stabilitätspakt?

    Hermenau: Da möchte ich erst die einzelnen Maßnahmen hören, die vorgeschlagen werden. Das ist für mich der entscheidende Punkt, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass man eine demokratische Mehrheit in Deutschland für solche Maßnahmen hat. Ich hätte kein Interesse daran, dass der Streit zwischen der CDU/CSU und der SPD vor dem Vermittlungsverfahren weiter angeheizt wird, denn wir sollten hier zu konstruktiven Lösungen kommen. Ich gehe davon aus, dass wir Anfang nächster Woche Klarheit haben, wenn die EU-Finanzminister die einzelnen Maßnahmen im Konkreten besprechen werden.

    Engels: Hans Eichel hat sich schon dagegen gewehrt. Hat die EU-Kommission zu wenig Verständnis für die deutschen Sorgen?

    Hermenau: Die EU-Kommission hat jetzt erst mal ihre Position deutlich gemacht, mit der sie in die Beratungen der EU-Finanzminister am Montag nächster Woche reingehen möchte. Es wird am Ende irgendein Kompromiss rauskommen. Deswegen hat auch Hans Eichel eine ganz strenge Meinung aufgemacht. Beide gehen jetzt mit ihrer Maximalmeinung in die Diskussion. Ich nehme an, es wird einen Kompromiss geben.

    Engels: Kritiker bemängeln ja, der Stabilitätspakt sei in der jetzigen Form vor allen Dingen zu unflexibel. Er berücksichtige nicht, ob sich nun Länder wie Deutschland beispielsweise um Haushaltskonsolidierung bemühen oder ob sie das eben nicht tun. Haben diese Kritiker Recht? Brauchen wir da mehr Flexibilität?

    Hermenau: Also ich glaube nicht, dass Jemand-gibt-sich-Mühe ein Kriterium ist, das man in einem Vertrag schreiben kann. Das halte ich für absurd. Auf der anderen Seite haben wir uns schon ausgerechnet, dass die Kommission zu honorieren weiß, dass wir wirklich versuchen, die Sache in den Griff zu kriegen. Das wird aber, wie gesagt, die Debatte nächste Woche dann beweisen, wenn auch die anderen EU-Finanzminister an der Debatte teilnehmen. Ich glaube aber insgesamt, wenn diese kritische Lage innerhalb der Europäischen Union überwunden ist, wird man im Stabilitätspakt diskutieren, ob man ihn insofern flexibler macht, als dass man sagt, ab einem bestimmten Prozentsatz Wachstum wird vor allen Dingen in die Schuldentilgung gesteckt, das heißt, in guten Zeiten wird auch endlich mal gespart.

    Engels: Sie haben es mehrfach angesprochen, die EU-Finanzminister beraten in der kommenden Woche, ob diese Maßnahmen der Kommission nun in Kraft treten. Eine Zwei-Drittel-Zustimmung ist da erforderlich. Wird es dazu kommen?

    Hermenau: Das kann ich Ihnen bei Leibe nicht sagen. Es gibt einige kleinere Länder, die völlig zu Recht ein bisschen empört sind, denn immerhin haben sie in den 90er Jahren die Strukturreformen vorgenommen, von denen wir nur träumen können. Ich denke da an die Niederlande, aber auf der anderen Seite gibt es auch einige Länder, wo einfach nur eine Art Machtkampf innerhalb der Europäischen Union stattfindet, zum Beispiel die Italiener, die noch unter den Beschimpfungen von Herrn Waigel leiden müssen. Ich erinnere mich da an das Jahr 1997, als Herr Waigel sich über die Italiener lustig gemacht hat, was eine schwierige Situation ist, weil sie natürlich ihre Rache nehmen würden, das kann man ja nachvollziehen.

    Engels: Bleibt bei diesem Machtkampf, den Sie ansprechen, denn wohlmöglich der Eurostabilitätspakt auf der Strecke?

    Hermenau: Das will ich nicht hoffen, denn ich halte es nach wie vor für wichtig, dass wir die Wirtschaftseinheit in der Europäischen Union absichern durch das gemeinsame Ziel der Preisstabilität. Die Debatte darum, inwieweit Wachstumskräfte weitere Impulse brauchen, wird eben nächste Woche geführt werden müssen.

    Engels: Aber im Grundsätzlichen stärken Sie erst mal Hans Eichel mit seiner harten Linie den Rücken, auch wenn Sie letztlich hoffen, dass man sich doch noch glücklich einigt?

    Hermenau: Ich hoffe darauf, dass man sich glücklich einigt. Das ist für mich das Wichtigste.

    Engels: Das war Antje Hermenau, haushaltspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen in der Bundestagsfraktion, vielen Dank für das Gespräch.