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Regierung in Rheinland-Pfalz
"Wir sind nicht überrumpelt worden"

Das Klima in der rot-grünen Regierungskoalition in Rheinland-Pfalz ist gut, sagte Eveline Lemke (Grüne), stellvertretende Ministerpräsidentin, im DLF: "Wir vertrauen uns." Die Kabinettsumbildung der Ministerpräsidentin war mit dem Koalitionspartner abgesprochen.

Eveline Lemke im Gespräch mit Silvia Engels |
    Die Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen).
    Die Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), wusste von der Kabinettsumbildung Malu Dreyers. (picture alliance / dpa / Fredrik Von Erichsen)
    Der Austausch mehrerer SPD-Minister in der rheinland-pfälzischen Regierung sei eine Möglichkeit, nach vorne zu schauen und mit den Altlasten des Nürburgrings abzuschließen, sagte Vize-Ministerpräsidentin Eveline Lemke (Grüne) im Deutschlandfunk. "Wir sind nicht überrumpelt worden. Ich arbeite viel und eng mit Malu Dreyer zusammen - und wusste von der Kabinettsumbildung ", sagte Lemke.
    Ein Teil der Grünen-Basis in Rheinland-Pfalz forderte von Lemke bei der kommenden Landtagswahl 2016 eine Koalition mit der CDU in Erwägung zu ziehen. "Diese Frage stellt sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht", sagte dazu die Vize-Ministerpräsidentin. "Wir sind keine Willkür-Partner." Lemke ist sich sicher, dass ihre Partei in der laufenden Legislaturperiode noch viele ihrer Projekte umsetzen kann. "Das wird dann auch der Wähler honorieren."

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: In eineinhalb Jahren wird in Rheinland-Pfalz neu gewählt. Erstmals stellt sich dann die Nachfolgerin von Kurt Beck, nämlich die Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD, zur Wiederwahl. Dass die Regierungschefin, die in Mainz gemeinsam mit den Grünen regiert, vor dem Wahlkampf ihr Kabinett noch umbilden würde, das hatten viele erwartet. Doch dass Dreyer direkt fünf von sechs SPD-geführte Ministerien umbesetzt, das war dann gestern doch überraschend.
    Wir bleiben beim Thema. Zugeschaltet ist uns die Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen, Frau Lemke.
    Eveline Lemke: Guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: Wann wussten Sie denn von den weit reichenden Plänen der Ministerpräsidentin?
    Lemke: Sie können sich vorstellen, dass ich natürlich mit der Ministerpräsidentin viel und eng zusammenarbeite und dass man auch gelegentlich Überlegungen tätigt, die erst ganz zu anderen Zeitpunkten sich dann umsetzen lassen. Insofern: Wir sind im Diskurs, immer!
    Engels: Sie fühlen sich nicht überrumpelt?
    Lemke: Ach, um Gottes Willen! Nein, überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil. Diese Entscheidung ist eine Entscheidung beider Koalitionspartner. Sie wurde zusammen getroffen und man kann sich das eigentlich auch ganz einfach vorstellen in so einer Koalition. Da ist immer jeder Partner, der grüne wie der rote, für das eigene Personal-Tableau zuständig und jede Seite hat natürlich dann auch im Rahmen ihrer politischen Themenfelder immer mal die Möglichkeit, daran etwas zu verändern. Das ist ganz normal.
    Wir haben das jetzt auch gerade erst im Saarland beobachtet. Da hat die CDU ihr Tableau verändert. Das kommt immer wieder vor, wenn das für notwendig erachtet wird.
    Lemke: Wir sind illusionsfrei in diese Regierung gekommen
    Engels: Aber auch die Ministerpräsidentin hat ja eingeräumt, dass das alles durchaus immer noch eine Folge des finanziellen Debakels rund um den Nürburgring ist. Nervt es Sie nicht als Grüne, wenn Sie Altlasten einer SPD-Alleinregierung von Kurt Beck mittragen müssen?
    Lemke: Wir waren ja illusionsfrei, als wir in diese Regierung gekommen sind. Da wussten wir ja, dass wir Altlasten mit übernehmen. Und dann muss man die auch menschlich und untereinander hoch anständig natürlich miteinander lösen. Wir wollen ja in die Zukunft gehen.
    Wir haben jetzt den Nürburgring verkauft. Dieser Verkauf ist auch genehmigt worden von der EU-Kommission. Und wenn das alles dann so auch abgewickelt wurde, wie das auch vereinbart wurde, wie das mit allen Beteiligten ja offiziell auch richtig ist, dann muss es auch irgendwann mal gut sein. Wenn wir feststellen, das kann man politisch nicht, weil sich medial dieses Thema immer wieder stark auch an den noch handelnden Personen abmacht, und wir wollen trotzdem die Themen der Zukunft auch öffentlich bearbeiten, weil es gute Themen sind, dann muss man so etwas natürlich auch mal in den Blick nehmen.
    Engels: Auch unabhängig von diesem dauernden Nürburgring-Thema haben die Grünen ja in der Koalition mit der SPD in Rheinland-Pfalz einiges einstecken müssen, vorneweg die von Ihnen immer abgelehnte Hochmosel-Brücke, die mittlerweile im Bau ist. Zahlen Sie unterm Strich doch zu viel drauf in der Koalition?
    Lemke: Wir haben ein festes Paket 2011 beschlossen. Das hat die Partei, also meine, die Grünen, genau wie die Roten haben das genehmigt, bevor wir in diese Regierung gegangen sind. Jetzt arbeiten wir an der Umsetzung.
    Das Thema Energiewende steht natürlich vor dem Hintergrund Klimaschutz ganz hoch auf der Agenda. Wir haben ein Klimaschutzgesetz gemacht, arbeiten uns ordentlich auch daran ab. Es wird einen Nationalpark geben. Wir haben viele industriepolitische Themen. Wir kümmern uns um den Fachkräftemangel. Die Bildung ist uns wichtig, gute Kitas und Kitabau hier in den Kommunen, natürlich die Finanzausstattung der Kommunen. Also es gibt so vieles, wo wir wirklich ganz gut vorangekommen sind in diesem Land, und das wollen wir weiter tun und vor allen Dingen wollen wir das auch darstellen.
    "Tu Gutes und rede darüber!" Und wenn man merkt, wir können nicht mehr so darüber reden, dann muss man vielleicht auch mal was ändern. Das haben wir jetzt getan!
    Keine Koalitionsaussage für den Wahlkampf 2016
    Engels: Reden müssen Sie vielleicht dann auch mit Ihrer Basis, und damit wechseln wir von der Regierung zu Ihrer Partei, den Grünen. Da grummelt es ja ein wenig. Da ist zum Beispiel aus der Grünen-Basis vom Kreisverband Vulkaneifel ein Schreiben in die Welt gesetzt worden und das regt Schwarz-Grün wie im benachbarten Hessen an. Mit initiiert hat es Kreistagsmitglied Karl-Wilhelm Koch, und der begründet das so:
    Karl-Wilhelm Koch: "Da wäre wirklich zu klären, ob mit der CDU in einer Koalition nicht mehr erreichbar wäre. Wenn wir da über die Landesgrenzen nach Hessen gucken, da scheint wirklich mehr Luft, mehr Spiel drin zu sein."
    Engels: Eine Stimme von der grünen Basis. Wäre Schwarz-Grün ein Modell für Sie?
    Lemke: Wir haben hier eine gut funktionierende Regierung und wir haben einen Auftrag und den wollen und werden wir erfüllen und ich werde Ihnen jetzt keine Koalitionsaussage für den Wahlkampf 2016 machen, weil das entscheidet sich natürlich immer erst sehr kurz. Wir wollen diesen Auftrag erfüllen.
    Wenn wir das gut machen werden, dann wird der Wähler das auch honorieren. Davon bin ich überzeugt. Und dann hat auch Rot-Grün wieder seine Chance.
    Im Moment - wir fühlen uns jedenfalls wohl, vertrauen uns - denken wir, dass wir das auch entsprechend präsentieren können. Wir haben wirklich ganz tolle Projekte in diesem Land, die sich sehen lassen können.
    "Wir können nicht wegen 50 Leuten mal eben die Regierung umbilden"
    Engels: Aber es gibt ja durchaus Stimmen bei den Grünen, die auch vorschlagen, keine klare Koalitionsaussage vor der nächsten Landtagswahl zu treffen. Sie wollen sich, wenn auch erst etwas später, aber doch festlegen?
    Lemke: Ja. Der Wähler muss immer wissen, mit was hat er es da zu tun. Das ist jetzt absolut nicht der Zeitpunkt, das zu machen, und deswegen werden wir das jetzt auch nicht tun. Auch unsere Landesvorstandssprecherin Katharina Binz hat sich ja geäußert zur Basis. Das ist ja bei uns ganz normal.
    Ich meine, Grüne diskutieren, das muss so sein, und wir freuen uns darüber. Wir wollen eine lebendige Demokratie haben. Und wenn es vereinzelt Stimmen gibt, die dann auch natürlich gerne von der Presse aufgenommen werden, dann ist das so.
    Aber wir können nicht wegen 50 Leuten mal eben die Regierung umbilden. Das werden wir nicht tun. Wir sind da keine Willkür-Partner. Wir sind verlässliche Partner. Wir haben Beschlüsse. Und ich empfehle sehr den Mitgliedern der Basis, doch auch zu erscheinen auf Parteitagen der Partei und Anträge zu stellen und ihre Partei zu überzeugen, damit sie Voten gibt, denn ich agiere aufgrund Entscheidungen meiner Partei, die getroffen wurden. Diese Basisgruppe hat noch nicht eine Mehrheit durchsetzen können in der Gesamtpartei und ist sehr klein. Ich sehe das ganz entspannt.
    "Umfragen sind Umfragen und keine Wählerstimmen"
    Engels: Einzelstimmen sagen Sie. In Sachen Popularität hat den Grünen aber die Regierungsarbeit nicht so sehr geholfen, wie es scheint. Von den 15,4 Prozent bei der letzten Landtagswahl 2011 sehen sie die großen Wahlforschungsinstitute derzeit nur noch bei zehn Prozent. Also doch lieber offen in Richtung Koalitionspartner, was die Zukunft angeht?
    Lemke: Auch in einer so langen Periode von fünf Jahren sage ich, wo wir noch mitten drin sind: Umfragen sind Umfragen und keine Wählerstimmen und ich lasse mich da auch nicht gleich irritieren. Selbst zehn Prozent ist natürlich eine solide Zahl. Aber ich bin ganz davon überzeugt, dass es nächstes Jahr wieder anders aussieht.
    "Wir stehen in dieser Koalition auf beiden Beinen"
    Engels: Das heißt, gar keine Koalitionsaussage vor der Wahl, oder doch eine irgendwann in Richtung SPD?
    Lemke: Wissen Sie, ich habe jetzt hier einen Koalitionspartner und wir stehen in dieser Koalition auf beiden Beinen. Alles ist gut und wenn 2016 kommt, dann werden wir uns entscheiden.
    Engels: Eveline Lemke von Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist die Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz und dort außerdem stellvertretende Ministerpräsidentin. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Lemke: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.