Michael Müller: Guten Tag.
Zagatta: Das Verfassungsgericht hat die Ökosteuer jetzt für rechtens erklärt, das heißt aber noch nicht, dass sie auch politisch gerecht geregelt ist, was die Ausnahmeregelungen angeht. Ist das Thema jetzt mit diesem Urteil für Sie erledigt oder besteht politisch gesehen doch noch Nachbesserungsbedarf?
Müller: Wir haben schon alleine deshalb noch in diesem Jahr eine Beratung, weil wir den Erfahrungsbericht über die bisherige Ökosteuer von 1999 bis 2004, die fünf unterschiedlichen Stufen bekommen. Wir haben eine wissenschaftliche Institution beauftragt, eine Evaluierung vorzunehmen, darüber werden wir auf jeden Fall noch im Laufe dieses Jahres reden, auch, wie dann die weitere Zukunft aussehen wird.
Zagatta: Aber das, was heute in Karlsruhe zu entschieden war, dass also Unternehmen, die besonders viel Energie verbrauchen, wie die Stahl- und Chemieindustrie, dass die Ausnahmegenehmigungen bekommen haben, niedrigere Steuersätze und dass Speditionen dagegen voll belastet werden. Das ist ja auch nicht ganz logisch. Wollen Sie das so beibehalten, weil das für rechtens erklärt worden ist?
Müller: Mich wundert schon, dass in Ihrer Berichterstattung nicht die ganzen Zusammenhänge genannt werden, denn das steht unter einem europäischen Vorbehalt, nämlich dass das produzierende Gewerbe das Klimaschutzziel erfüllen muss. In dem Augenblick, wo sie ihre Verpflichtung, eine bestimmte Reduktion von CO2 vorzunehmen nicht erfüllt, wird das auch hinfällig. So einfach, wie Sie das bisher geschildert haben, ist es eben nicht.
Zagatta: Aber in der Praxis schon, oder?
Müller: Nein, eben nicht. Es hat ja heftigen Streit darum gegeben. Sie müssen wissen: fast alle europäischen Länder, die eine Ökosteuer eingeführt haben, haben das produzierende Gewerbe völlig entlastet. Im Vergleich dazu hat die Bundesrepublik ja diesen verminderten Satz eingeführt, was schon mehr war, als in allen anderen Ländern. Dann hat man erhebliche Debatten in Brüssel darüber geführt. Also es ist auch so, dass durchaus einige anderer Meinung waren, ich wäre auch für einen höheren Satz gewesen, aber Brüssel hat das nur mit der Auflage akzeptiert, dass dies dann sozusagen auch zur Erfüllung des Klimaschutzziels in der Selbstverpflichtung führt und nur so lange ist diese Ausnahmeregelung möglich und es gibt eine solche Selbstverpflichtung nicht für alle Bereiche sondern eben nur in erster Linie für das produzierende Gewerbe.
Zagatta: Haben Sie denn Verständnis, dass ein Spediteur jetzt ziemlich sauer ist auf die Bundesregierung? Erst das ganze Maut-Chaos und jetzt die volle Ökosteuer, dass es dabei bleibt?
Müller: Das sind natürlich unterschiedliche Sachverhalte. Die Politik ist nicht für jede Komplexität und jedes Versagen, beispielsweise der Firma Daimler Benz zuständig. Man sollte auch nicht übertreiben. Auf der einen Seite heißt es immer, wir sollen uns raushalten, auf der anderen Seite werden wir für alles verantwortlich gemacht. Ich habe Verständnis für den Verband, auch für jeden einzelnen Lkw-Fahrer, wobei ich darauf hinweisen muss, dass beispielsweise der Geschäftsführer des Verbandes immer sehr viel Verständnis für die Ökosteuer geäußert hat. Für ihn ging es vor allem um die Ungleichbehandlung im europäischen Raum und da ist ja auch was dran, also beispielsweise, dass die Holländer, aber jetzt vor allem auch die neuen Konkurrenten in Osteuropa, zum Teil gar keine Kraftfahrzeugsteuer erlassen haben, dass sie also sehr viel günstigere Ausgangsbedingungen haben. Ich halte dies auch für eine entscheidende Frage, die unabhängig vom heutigen Gerichtsurteil ansteht, dass man in Europa zu gleichen Regelungen kommt. Und wie gesagt: wir versuchen schon seit 1988 auf europäischer Ebene eine einheitliche Ökosteuer durchzusetzen, es ist immer wieder an den unterschiedlichsten Ländern gescheitert.
Zagatta: Wie sehen Sie denn das, wenn wir bei der deutschen Ebene bleiben, ist da die Ökosteuer für Sie optimal geregelt, dass da kein Nachbesserungsbedarf besteht, wenn man jetzt beispielsweise sieht, dass die Kohleförderung subventioniert wird, gleichzeitig umweltfreundliche Energie wie das Erdgas durch die Ökosteuer stärker belastet, es gibt die Pendlerpauschale... Ist das denn für Sie vernünftig geregelt?
Müller: Die Pendlerpauschale ist ja gottseidank jetzt ein bisschen abgesenkt worden. Ich habe das immer für falsch gehalten, aber das sind historische Tatbestände, die wir nun schrittweise verändern.
Zagatta: Da hat die SPD aber auch kräftig nach oben nachgebessert in ihrer Regierungszeit?
Müller: Bei der Pendlerpauschale habe ich beispielsweise für eine völlige Absetzung plädiert.
Zagatta: Aber Sie haben sie nicht durchsetzen können.
Müller: Entschuldigung. Auch jetzt hat die Bundesregierung Anfang des Jahres eine massive Absenkung der Pendlerpauschale vorgeschlagen, die am Bundesrat gescheitert ist. Man sollte doch immer bei den Fakten bleiben.
Zagatta: Aber Fakt war ja auch, dass die SPD sie erst mal hochgesetzt hat, bevor sie wieder abgesenkt wurde.
Müller: Nein, das waren die Bundesländer.
Zagatta: Das wäre aber ohne die SPD nicht gegangen.
Müller: Aber Entschuldigung: die Bundesebene damals war nicht für die Anhebung der Pendlerpauschale. Und Sie wissen, wie es damals entstanden ist durch die Explosion auf den Ölmärkten, das ist ja alles viel komplizierter. Es ist in der Tat notwendig, dass wir zu europäisch-gemeinschaftlichen Regelungen kommen und immerhin ist die Ökosteuer ein wichtiger Einstieg gewesen. Wenn man die Erfolge der Ökosteuer ansieht - wie die Arbeitsplatzfrage - ist doch noch wichtiger, dass die Bundesrepublik eines der ganz wenigen Länder ist, wo der Kraftstoffverbrauch sinkt und die Energieproduktivität, das Energiesparen steigt. Das sind wichtige Punkte und ich finde, die muss man auch als Erfolg sehen. Das Problem der Ökosteuer ist, da ist nicht der Erfolg von heute auf morgen da, sondern eine Dynamik, die sich langfristig umsetzt und deshalb auch schwerer als Erfolg zu verkaufen ist.
Zagatta: Aber wenn man diesen Erfolg anerkennt und wenn man jetzt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Erfolg verbuchen kann, wie sehen Sie die Zukunft? Da gibt es ja unterschiedliche Vorstellungen, Wirtschaftsminister Clement hat gesagt, es gehöre alles wieder auf den Prüfstand, die Grünen sagen, Energie müsste sogar noch stärker besteuert werden. Wie sehen Sie die Zukunft der Ökosteuer?
Müller: Wir werden Ende dieses Jahres auf jeden Fall darüber reden, weil dann der Bericht vorliegt. Man muss den Gesamtzusammenhang sehen. Keiner von den Koalitionspartnern oder uns sieht die Ökosteuer isoliert. Man muss zwei Faktoren sehen: das wirtschaftliche Umfeld und da ist ganz klar: Ökosteuer muss vor allen Dingen zu Innovationsprozessen führen. Wenn das nicht gelingt, wird es schwierig. Das zweite ist: es muss auch im Zusammenhang mit anderen Instrumenten gesehen werden, also beispielsweise wird ein Teil der Ökosteuer verpuffen, wenn auch im Energiebereich entsprechende Rahmenbedingungen für mehr Energieeinsparung et cetera geschaffen werden. Oder im Verkehrssektor für die Stärkung des öffentlichen Sektors. Insofern geht es immer um größere Zusammenhänge und darüber müssen wir in der Tat dann in der zweiten Hälfte des Jahres intensiv reden.
Zagatta: Sehen Sie die Gefahr, dass Ihnen eine Klage droht, weil Familien so stark belastet werden, sehen Sie Handlungsbedarf?
Müller: Ich halte dies ehrlich gesagt für eine etwas merkwürdige und verkürzte Argumentation. Über die finanzielle Belastung zu reden ist in Ordnung, aber dass Familien dadurch belastet werden, dass die Umweltentlastung reduziert und damit die Lebenschancen von Kindern und Kindeskindern erhöht, fällt mir schon schwer zu begreifen. Die Ökosteuer ist ja keine Willkür, sondern will ja gerade Zukunftsgefahren beseitigen und damit auch die Lebenschancen von Kindern verbessern.
Zagatta: Michael Müller, der stellvertretende Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Umweltexperte seiner Partei. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Müller: Bitteschön, gerne.
Zagatta: Das Verfassungsgericht hat die Ökosteuer jetzt für rechtens erklärt, das heißt aber noch nicht, dass sie auch politisch gerecht geregelt ist, was die Ausnahmeregelungen angeht. Ist das Thema jetzt mit diesem Urteil für Sie erledigt oder besteht politisch gesehen doch noch Nachbesserungsbedarf?
Müller: Wir haben schon alleine deshalb noch in diesem Jahr eine Beratung, weil wir den Erfahrungsbericht über die bisherige Ökosteuer von 1999 bis 2004, die fünf unterschiedlichen Stufen bekommen. Wir haben eine wissenschaftliche Institution beauftragt, eine Evaluierung vorzunehmen, darüber werden wir auf jeden Fall noch im Laufe dieses Jahres reden, auch, wie dann die weitere Zukunft aussehen wird.
Zagatta: Aber das, was heute in Karlsruhe zu entschieden war, dass also Unternehmen, die besonders viel Energie verbrauchen, wie die Stahl- und Chemieindustrie, dass die Ausnahmegenehmigungen bekommen haben, niedrigere Steuersätze und dass Speditionen dagegen voll belastet werden. Das ist ja auch nicht ganz logisch. Wollen Sie das so beibehalten, weil das für rechtens erklärt worden ist?
Müller: Mich wundert schon, dass in Ihrer Berichterstattung nicht die ganzen Zusammenhänge genannt werden, denn das steht unter einem europäischen Vorbehalt, nämlich dass das produzierende Gewerbe das Klimaschutzziel erfüllen muss. In dem Augenblick, wo sie ihre Verpflichtung, eine bestimmte Reduktion von CO2 vorzunehmen nicht erfüllt, wird das auch hinfällig. So einfach, wie Sie das bisher geschildert haben, ist es eben nicht.
Zagatta: Aber in der Praxis schon, oder?
Müller: Nein, eben nicht. Es hat ja heftigen Streit darum gegeben. Sie müssen wissen: fast alle europäischen Länder, die eine Ökosteuer eingeführt haben, haben das produzierende Gewerbe völlig entlastet. Im Vergleich dazu hat die Bundesrepublik ja diesen verminderten Satz eingeführt, was schon mehr war, als in allen anderen Ländern. Dann hat man erhebliche Debatten in Brüssel darüber geführt. Also es ist auch so, dass durchaus einige anderer Meinung waren, ich wäre auch für einen höheren Satz gewesen, aber Brüssel hat das nur mit der Auflage akzeptiert, dass dies dann sozusagen auch zur Erfüllung des Klimaschutzziels in der Selbstverpflichtung führt und nur so lange ist diese Ausnahmeregelung möglich und es gibt eine solche Selbstverpflichtung nicht für alle Bereiche sondern eben nur in erster Linie für das produzierende Gewerbe.
Zagatta: Haben Sie denn Verständnis, dass ein Spediteur jetzt ziemlich sauer ist auf die Bundesregierung? Erst das ganze Maut-Chaos und jetzt die volle Ökosteuer, dass es dabei bleibt?
Müller: Das sind natürlich unterschiedliche Sachverhalte. Die Politik ist nicht für jede Komplexität und jedes Versagen, beispielsweise der Firma Daimler Benz zuständig. Man sollte auch nicht übertreiben. Auf der einen Seite heißt es immer, wir sollen uns raushalten, auf der anderen Seite werden wir für alles verantwortlich gemacht. Ich habe Verständnis für den Verband, auch für jeden einzelnen Lkw-Fahrer, wobei ich darauf hinweisen muss, dass beispielsweise der Geschäftsführer des Verbandes immer sehr viel Verständnis für die Ökosteuer geäußert hat. Für ihn ging es vor allem um die Ungleichbehandlung im europäischen Raum und da ist ja auch was dran, also beispielsweise, dass die Holländer, aber jetzt vor allem auch die neuen Konkurrenten in Osteuropa, zum Teil gar keine Kraftfahrzeugsteuer erlassen haben, dass sie also sehr viel günstigere Ausgangsbedingungen haben. Ich halte dies auch für eine entscheidende Frage, die unabhängig vom heutigen Gerichtsurteil ansteht, dass man in Europa zu gleichen Regelungen kommt. Und wie gesagt: wir versuchen schon seit 1988 auf europäischer Ebene eine einheitliche Ökosteuer durchzusetzen, es ist immer wieder an den unterschiedlichsten Ländern gescheitert.
Zagatta: Wie sehen Sie denn das, wenn wir bei der deutschen Ebene bleiben, ist da die Ökosteuer für Sie optimal geregelt, dass da kein Nachbesserungsbedarf besteht, wenn man jetzt beispielsweise sieht, dass die Kohleförderung subventioniert wird, gleichzeitig umweltfreundliche Energie wie das Erdgas durch die Ökosteuer stärker belastet, es gibt die Pendlerpauschale... Ist das denn für Sie vernünftig geregelt?
Müller: Die Pendlerpauschale ist ja gottseidank jetzt ein bisschen abgesenkt worden. Ich habe das immer für falsch gehalten, aber das sind historische Tatbestände, die wir nun schrittweise verändern.
Zagatta: Da hat die SPD aber auch kräftig nach oben nachgebessert in ihrer Regierungszeit?
Müller: Bei der Pendlerpauschale habe ich beispielsweise für eine völlige Absetzung plädiert.
Zagatta: Aber Sie haben sie nicht durchsetzen können.
Müller: Entschuldigung. Auch jetzt hat die Bundesregierung Anfang des Jahres eine massive Absenkung der Pendlerpauschale vorgeschlagen, die am Bundesrat gescheitert ist. Man sollte doch immer bei den Fakten bleiben.
Zagatta: Aber Fakt war ja auch, dass die SPD sie erst mal hochgesetzt hat, bevor sie wieder abgesenkt wurde.
Müller: Nein, das waren die Bundesländer.
Zagatta: Das wäre aber ohne die SPD nicht gegangen.
Müller: Aber Entschuldigung: die Bundesebene damals war nicht für die Anhebung der Pendlerpauschale. Und Sie wissen, wie es damals entstanden ist durch die Explosion auf den Ölmärkten, das ist ja alles viel komplizierter. Es ist in der Tat notwendig, dass wir zu europäisch-gemeinschaftlichen Regelungen kommen und immerhin ist die Ökosteuer ein wichtiger Einstieg gewesen. Wenn man die Erfolge der Ökosteuer ansieht - wie die Arbeitsplatzfrage - ist doch noch wichtiger, dass die Bundesrepublik eines der ganz wenigen Länder ist, wo der Kraftstoffverbrauch sinkt und die Energieproduktivität, das Energiesparen steigt. Das sind wichtige Punkte und ich finde, die muss man auch als Erfolg sehen. Das Problem der Ökosteuer ist, da ist nicht der Erfolg von heute auf morgen da, sondern eine Dynamik, die sich langfristig umsetzt und deshalb auch schwerer als Erfolg zu verkaufen ist.
Zagatta: Aber wenn man diesen Erfolg anerkennt und wenn man jetzt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Erfolg verbuchen kann, wie sehen Sie die Zukunft? Da gibt es ja unterschiedliche Vorstellungen, Wirtschaftsminister Clement hat gesagt, es gehöre alles wieder auf den Prüfstand, die Grünen sagen, Energie müsste sogar noch stärker besteuert werden. Wie sehen Sie die Zukunft der Ökosteuer?
Müller: Wir werden Ende dieses Jahres auf jeden Fall darüber reden, weil dann der Bericht vorliegt. Man muss den Gesamtzusammenhang sehen. Keiner von den Koalitionspartnern oder uns sieht die Ökosteuer isoliert. Man muss zwei Faktoren sehen: das wirtschaftliche Umfeld und da ist ganz klar: Ökosteuer muss vor allen Dingen zu Innovationsprozessen führen. Wenn das nicht gelingt, wird es schwierig. Das zweite ist: es muss auch im Zusammenhang mit anderen Instrumenten gesehen werden, also beispielsweise wird ein Teil der Ökosteuer verpuffen, wenn auch im Energiebereich entsprechende Rahmenbedingungen für mehr Energieeinsparung et cetera geschaffen werden. Oder im Verkehrssektor für die Stärkung des öffentlichen Sektors. Insofern geht es immer um größere Zusammenhänge und darüber müssen wir in der Tat dann in der zweiten Hälfte des Jahres intensiv reden.
Zagatta: Sehen Sie die Gefahr, dass Ihnen eine Klage droht, weil Familien so stark belastet werden, sehen Sie Handlungsbedarf?
Müller: Ich halte dies ehrlich gesagt für eine etwas merkwürdige und verkürzte Argumentation. Über die finanzielle Belastung zu reden ist in Ordnung, aber dass Familien dadurch belastet werden, dass die Umweltentlastung reduziert und damit die Lebenschancen von Kindern und Kindeskindern erhöht, fällt mir schon schwer zu begreifen. Die Ökosteuer ist ja keine Willkür, sondern will ja gerade Zukunftsgefahren beseitigen und damit auch die Lebenschancen von Kindern verbessern.
Zagatta: Michael Müller, der stellvertretende Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Umweltexperte seiner Partei. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Müller: Bitteschön, gerne.