Sandra Schulz: Dieses Land galt lange als der Ort des sozialen Konsenses, der Toleranz und der Solidarität. Schweden, das Land von Astrid Lindgren, der Erfinderin von Pippi Langstrumpf und den Geschichten aus Bullerbü. Aber die sind jetzt Jahrzehnte alt. Schon bei den letzten beiden Parlamentswahlen profilierten sich die rechtsgerichteten Schwedendemokraten. Bei den Wahlen gestern legten sie noch mal nach. Stärkste Kraft bleiben aber die Sozialdemokraten. Am Telefon ist Luise Steinberger, Nachrichtenredakteurin beim Schwedischen Rundfunk. Schönen guten Morgen!
"Im Moment weiß man überhaupt nicht, wie es weitergeht"
Luise Steinberger: Guten Morgen.
Schulz: Was spricht für Sie aus diesem Wahlergebnis?
Steinberger: Da spricht eigentlich jetzt heraus, dass man im Moment überhaupt nicht weiß, wie es weitergeht. Zunächst ist ja die Situation so, dass es noch nicht völlig klar ist, wer eigentlich der stärkste Block ist. Man spricht von Blöcken hier in Schweden. Da wird jetzt erst mal auf die Auslandsstimmen gewartet werden müssen. Das weiß man eigentlich erst am Mittwoch, wie das Wahlergebnis aussieht. Da können 20.000, 30.000 Stimmen sehr entscheidend sein.
Schulz: Ein Punkt, der jetzt auch mit viel Interesse in Europa beobachtet wurde, ist das Abschneiden der rechtsgerichteten Schwedendemokraten, die ja deutlich zulegen können. Was hat sie so stark gemacht?
Steinberger: Ich denke, das sind dieselben Faktoren wie in anderen europäischen Ländern, dass es eine Unzufriedenheit in der Bevölkerung gibt, unter anderem mit der Flüchtlingspolitik. Schweden hat ja im Jahr 2015 genau wie Deutschland sehr viele Flüchtlinge aufgenommen, hat dann relativ schnell zurückgerudert und hat die Grenzen jetzt zugemacht. Aber trotzdem ist eine Stimmung entstanden, dass viele Schweden finden, das sind zu viele Flüchtlinge. Das war ein wichtiger Punkt auch im Wahlkampf. Aber ich würde sagen, das war nicht der einzige und ausschlaggebende Punkt, sondern es gibt auch eine Unzufriedenheit damit, dass der Wohlfahrtsstaat nicht mehr so funktioniert, wie man sich das erträumt und wie man auch fand, dass das früher war.
Schulz: Ganz kurz würde ich noch bei den Schwedendemokraten gerne bleiben wollen. Ich habe in den deutschen Medien jetzt ganz verschiedene Zuschreibungen gesehen. Die einen schreiben, rechtspopulistisch; manche schreiben sogar, rechtsextrem. Der bisherige Regierungschef, der aber politischer Konkurrent ist, der nennt sie eine rassistische Partei. Wie würden Sie die Partei für die Hörer in Deutschland beschreiben?
Steinberger: Ich würde sie heute beschreiben als rechtspopulistisch und fremdenfeindlich. Aber es ist richtig, dass die Partei ihre Wurzeln wirklich in der rechtsradikalen Bewegung hat, wo sie in den 80er-Jahren aus der Skinhead-Bewegung entstanden ist.
Sozialdemokraten haben "nicht sehr viel richtig gemacht"
Schulz: Jetzt bleibt aber auch bei dieser Wahl Schweden insofern Schweden, dass sich die Sozialdemokraten doch im Vergleich zu den Umfragen, die zwischendurch unterwegs waren, über ein relativ stabiles Ergebnis freuen können. Was machen die Sozialdemokraten denn in Schweden richtig, was sie in anderen Ländern, in denen die Partei ja wirklich teilweise danieder liegt, noch nicht verstanden haben?
Steinberger: Ich würde das nicht so interpretieren wollen. Es gibt viele oder eine beachtliche Anzahl Leute, die unterstützend für die Sozialdemokraten gestimmt haben, weil man irgendwie fand, das geht jetzt auch nicht, dass die Sozialdemokraten völlig abkrachen. Ich würde das nicht werten, als dass die Sozialdemokraten in der letzten Regierungsperiode sehr viel richtig gemacht haben. Das konnten sie auch gar nicht, denn es ist ja, wie in dem Beitrag auch schon angedeutet worden ist, in den letzten acht Jahren eigentlich schon so gewesen, dass die Schwedendemokraten jede aktive Politik, sage ich mal, blockiert haben. Es sind Minderheitsregierungen gewesen, die nicht verhandelt haben mit den Schwedendemokraten, und dadurch Vorschläge oder Gesetzesvorschläge nur durchs Parlament kommen konnten, wenn zufällig die Schwedendemokraten oder eine andere Partei aus der Opposition auch dafür gestimmt haben. Aber das war keine geordnete Politik in dem Sinne, wo man Mehrheiten nutzen konnte, und eigentlich ist die Situation jetzt weiterhin genau dieselbe, auch egal welcher Block jetzt vielleicht die Regierung bildet. Die Schwedendemokraten werden weiterhin das Zünglein an der Waage sein, jedoch mit einer stärkeren Position jetzt noch.
Liberale Parteien wollen bürgerlche Minderheitsregierung
Schulz: Abstimmungen unter den anderen sogenannten traditionellen Blöcken, warum sind die nicht einfacher, oder müssten die nicht einfacher werden, auch mit diesem Wahlergebnis?
Steinberger: Ja. Da ist es schon so, dass sowohl Stefan Löfven gesagt hat in der Wahlnacht, dass er es so sieht, dass jetzt Gespräche über die Blockgrenze kommen müssen. Was anderes geht nicht, meint er. Auch die liberale Partei und das bäuerliche Zentrum, in der Mitte zwei liberale Parteien, haben Ähnliches gesagt, dass sie sprechen wollen über die Blockgrenze hinweg. Aber die Frage ist, was meinen sie damit. Stefan Löfven hat nämlich auch bereits im Wahlkampf gesagt, dass er auf keinen Fall bereit ist, solche Gespräche zu führen, um eine bürgerliche Minderheitsregierung zu stützen, und die beiden liberalen Parteien haben gesagt, sie wollen aber eine bürgerliche Minderheitsregierung und dann von den Sozialdemokraten Unterstützung haben. Die Ausgangspositionen sind eigentlich sehr festgefahren.
Schulz: Das bleibt jetzt wirklich spannend. – Luise Steinberger, Nachrichtenredakteurin beim Schwedischen Rundfunk. Danke Ihnen für die Einordnungen heute Morgen.
Steinberger: Danke schön!
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