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Regierungsbildung
Union will schnelle Verhandlungen, SPD zögert

CDU und CSU haben sich nach dem Spitzentreffen mit der SPD für ein schnelles Verhandeln über eine Regierungsbildung ausgesprochen. Die SPD will am Freitag im Vorstand über mögliche Sondierungen entscheiden - an der Parteibasis herrschen jedoch große Zweifel an der Neuauflage einer Großen Koalition.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 14.12.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt am 13.12.2017 im Jakob-Kaiser-Haus im Bundestag in Berlin nach Vorgesprächen mit SPD und CSU aus den Räumen der CDU-Fraktion.
    Angela Merkel beim Spitzentreffen von Union und SPD am Mittwochabend, 13.12.2017 (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler)
    Ein offenes und vertrauensvolles Gespräch sei das gewesen, hieß es im Anschluss von den Teilnehmern: Gut zweieinhalb Stunden haben die Partei- und Fraktionsspitzen von Union und SPD im Bundestag über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen beraten. Vorläufiges Fazit: Die Union, vertreten durch Angela Merkel, Horst Seehofer, Volker Kauder und Alexander Dobrindt, will möglichst schnell über die Bildung einer stabilen Regierung verhandeln.
    "Ich hoffe, dass man sich zusammenreißt und wirklich vertraulich miteinander redet. Die Vertraulichkeit ist das A und O in der Politik. Und dass man dann rausgeht mit dem Signal: Ja, wir wollen jetzt wirklich in ernsthafte Gespräche einsteigen."
    So hatte Carsten Linnemann vom CDU-Wirtschaftsflügel vorab den Druck auf die SPD erhöht. Deren Verhandlungsführer, allen voran Parteichef Martin Schulz, signalisieren zwar Offenheit für eine erneute Zusammenarbeit mit der Union. Allerdings schlägt die entscheidende Stunde bei den Sozialdemokraten erst am Freitag: Dann will der Parteivorstand über Sondierungen beraten und entscheiden. Schon vor der abendlichen Runde hatte Martin Schulz klargestellt: Wir nehmen uns Zeit.
    "Im Anschluss daran werden wir bewerten, was bei diesem Gespräch rausgekommen ist und wie wir damit umgehen. Und ob wir dann sondieren, werden wir dann entscheiden."
    Großteil der SPD-Basis hegt grundsätzliche Bedenken gegen Neuauflage der GroKo
    Allgemein wird nun erwartet, dass die Parteigremien der SPD am Freitag den Daumen heben für Sondierungen. Der eigentliche Weg dorthin wäre allein vom formalen Ablauf her allerdings noch gepflastert mit Stolpersteinen. Unter anderem müsste ein Sonderparteitag Mitte Januar über den nächsten Schritt, nämlich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen, entscheiden. Denn die Skepsis an der Basis ist immens. Norbert Römer, Fraktionschef im NRW-Landtag, beschrieb das letzte Woche auf dem SPD-Parteitag so:
    "Ich habe bei mir auf dem Schreibtisch zwei Stapel liegen. Auf dem einen Stapel steht drauf: Wir treten aus der SPD aus, wenn wir wieder in die Große Koalition gehen. Auf dem anderen Stapel steht drauf: Wir treten aus, wenn Ihr Euch verweigert, Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen. Genossinnen und Genossen, das werden harte, das werden ernsthafte, wahrscheinlich auch schweißtreibende Gespräche, aber führen sollten wir sie. Den Mut sollten wir aufbringen. Glückauf!"
    Ein Großteil der SPD-Basis hegt wegen des schlechten Bundestagswahlergebnisses grundsätzliche Bedenken gegen eine Neuauflage der Großen Koalition. Inhaltliche Differenzen zwischen Union und SPD gibt es beim Thema Bürgerversicherung und Zwei-Klassen-Medizin sowie in der Flüchtlings- und Steuerpolitik. Dann brachten die Sozialdemokraten auch noch das Modell einer so genannten Kooperations-Koalition, kurz KoKo, ins Gespräch, was eine Zusammenarbeit nur in einzelnen, festgelegten Themenbereichen bedeuten würde. Ein Modell, das die Union und insbesondere CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ablehnt:
    "Eine KoKo ist ein absolutes NoGo. Ich habe kein Interesse, mich mit der SPD über irgendeinen Kokolores zu unterhalten, sondern es geht um Perspektiven für unser Land."
    Genau 80 Tage nach der Bundestagswahl steht Deutschland immer noch eine neue Regierung da. Selbst wenn Union und SPD auf dem Weg dorthin einen Schritt nach vorne gemacht haben, hagelt es Spott – etwa von den Grünen. Parteichef Cem Özdemir hat erst vor wenigen Wochen das Scheitern der Jamaika-Gespräche erlebt und erzählt nun diese Anekdote:
    "Was mir gerade passiert, wenn ich zu irgendeinem italienischen Restaurant gehe, dass der Wirt am Ende des Gespräches immer sagt: Irgendwie sind die Rollen gerade vertauscht. Die Italiener haben das Fußballspielen verlernt. Und die Deutschen das Bilden von stabilen Regierungen!"